Hallo zusammen,
leider hab ich diese Diskussion erst jetzt hier entdeckt, sonst hätte ich mich gerne schon früher geäussert. Als direkt betroffener Mensch (sprich: ich bin eines der teilnehmenden Ponies) verfolge ich inzwischen auch die fast jährlich stattfindenden Diskussionen und habe insgesamt das Gefühl, dass immer sehr viel durcheinander gemixt wird und oft sehr emotional und auf verschiedenen Ebenen miteinander diskutiert wird. Ich möchte gerne (Wie auch RubberRascal vor mir) meine Gedanken und Meinung zu diesem Thema äussern und vielleicht ein wenig die andere Seite beleuchten. Allerdings kann ich, wie jeder andere auch, nur für mich sprechen und versuchen, meine Sicht der Dinge verständlich zu machen.
CSD
Ich habe den CSD immer als Plattform verstanden, auf der sexuelle Minderheiten (ich persönlich zähle da BDSM in seinen verschiedenen Spielarten, egal ob schwul oder hetero, mit zu, aber ich weiss, das ist Definitionssache) dafür werben, dass "anders" sein nichts schlimmes ist. Unter diesem Aspekt verstehe ich auch immer die Beteiligung der verschiedenen BDSM und Fetischgruppierungen, sei es in Form von schwulen Lederkerlen, Latexfetischisten oder was es sonst noch so alles gibt. Ich bin nicht schwul, aber auch nicht hetero, denn auch wenn ich mit meiner Freundin zusammenlebe, kann ich mir sehr gut vorstellen dasselbe mit einem Mann zu tun. Ich liebe Persönlichkeiten und keine Geschlechter.
Dementsprechend sympathisiere und unterstütze ich den CSD als Bewegung, die für Offenheit gegenüber anderen Lebenstilen, egal ob Homosexuell, Transidentisch oder was auch immer eintritt. Persönlich geht es mir darum den Zuschauern ein wenig die Angst vor dem "Schwarzen Block" und den Leuten die da mitlaufen zu nehmen und zu zeigen, dass hinter dem Fetisch ein ganz normaler, fröhlicher Mensch steht. Gleichzeitig versuche ich auch, Bezug zum Motto der Parade herzustellen und stecke schon die ein oder andere Stunde in die Überlegung für einen passenden Spruch.
Provokation und Zuschauerreaktionen
Mir persönlich liegt es fern, mit meinem Auftritt auf dem CSD irgendjemanden zu provozieren. Immer, wenn ich teilnehme, versuche ich den Leuten zu zeigen, wieviel Spaß ich gerade habe, indem ich rumtanze, lächle und den Blickkontakt zu den Zuschauern suche. Dabei zeige ich mein Gesicht um zu verdeutlichen, dass ich zu dem stehe, was ich tue. Meine Maske lasse ich aus diesem Grund extra zuhause (bis auf einmal in 2009 wo ich sehen wollte, wie die Zuschauer darauf reagieren). Aus meiner Perspektive betrachtet bekomme ich dabei sehr viel positives Feedback von den Zuschauern (Daumen hoch, anerkennendes Nicken, Lächeln ... dieses Mal wurde mir sogar ne Blume geschenkt) und hatte bisher nach jedem CSD das Gefühl, einer Menge Leuten vermittelt zu haben, dass das was ich tue nix schlimmes ist, weil ich zeige, dass ich Spaß habe. Immer, wenn ich Sätze vom Rand höre wie "Wow ... was für ein stolzer Rappe" oder "Schau mal, der hat ja Spaß!" habe ich das Gefühl, dass das was ich vermitteln möchte angekommen ist. Und ich höre solche Sätze sehr oft während einer Parade. Hinzu kommt, dass unsere mitlaufenden Wuffel fleissig dabei sind, an die Zuschauer Flyer zu verteilen, die kurz erklären, was Petplay/Ponyplay ist (im Rahmen des Möglichen halt). Es geht darum die spontane Ablehnung, die mit Sicherheit bei einigen Zuschauern da ist, zumindest umzuwandeln in ein "Naja, nicht meins, aber die scheinen ja Spaß zu haben ... ist vielleicht nicht sooo schlimm".
Kinder reagieren übrigens tatsächlich noch am aufgeschlossensten gegenüber dem was wir tun. Auf dem Weg zum Auto nach dem CSD in Berlin kam ein kleines, türkisches Mädchen zu uns gelaufen und fragte, ob wir Pony spielen. Wir haben es ihr erklärt, ... sie hat gelächelt und ist fröhlich zurück zur Mutter die ebenfalls gelächelt hat, nachdem sie gesehen hat, dass wir uns nett mit ihr unterhalten haben.
Menschenverachtend
Eine Frage der Perspektive für mich. Wenn derjenige, der vorne den Sulky zieht deutlich macht, dass das was er tut ihm viel Spaß macht, dann ist genau das was ich zu vermitteln versuche der Fakt, dass das was die Leute sehen, nix mit Menschenverachtung zu tun hat, sondern einfach nur ein Spiel ist. Ich sehe eher andere Dinge kritisch, wie z.B. wenn jemand vor den Zuschauern gepeitscht wird (bereits oft gesehen und erlebt ... und ein Grund weswegen meine Freundin und ich z.B. garkeine Peitsche dabei haben). Ich kann es eigentlich auch nicht leiden, wenn Teilnehmer sich komplett vermummen oder versuchen möglichst unnahbar oder ernst rüberzukommen. Aber das ist eben nur meine persönliche Meinung.
Zur Schau stellen
Ja, das ist sicher auch ein Aspekt, aber nicht mehr als bei jedem anderen CSD Teilnehmer, der sich etwas herausputzt oder ein aussergewöhnliches Kostüm anzieht. Dabei gebe ich mir Mühe auch mit der Gestaltung des Sulkies und dem CSD Motto zu zeigen (wie gesagt im Rahmen meiner finanziellen und zeitlichen Möglichkeiten), dass es mir nicht darauf ankommt, mich vorzuführen, sondern dass ich mich an dem CSD beteilige.
Mein Fazit
Ich bleibe dabei, dass ich den CSD als Veranstaltung empfinde auf der Menschen zeigen können, dass Ihre Art sich auszuleben nichts schlimmes ist. Ich stimme zu, dass man auf einem CSD nicht zum Zwecke der reinen Selbstdarstellung mitmachen sollte oder pur um andere Menschen zu schockieren. Hier sehe ich aber sehr viel Raum für Subjektivität, ab wann ein Auftritt "zu weit" geht. Das genannte Bukake Beispiel ginge in meinen Augen definitiv zu weit, denn hier würde (soweit ich weiss) gegen gesetzliche Regelungen verstoßen. Ob nun aber ein Mensch im Latexkostüm mit Maske und Maulkorb, ein peitscheschwingender Lederkerl, ein Mensch in Ketten und im Käfig oder eben jemand der einen Sulky durch die Gegend zieht zu weit geht ... darüber gibt es bestimmt soviele Meinungen, wie CSD Teilnehmer und Zuschauer. Für mich ist eher der ausschlaggebende Faktor, wie etwas rübergebracht wird.
Was ich mit diesem Text rüberbringen wollte ist, dass es durchaus Leute bei uns gibt, die sich Gedanken machen und dass wir nicht einfach nur krawallig unser Ding durchziehen. Was das Verbot angeht hatte ich, als ich die Teilnahmeregelungen gelesen habe ebenfalls angenommen, dass wir nicht direkt gemeint waren. Es gab von unserer Seite aus letztes Jahr die Idee, mit einer größeren Kutsche in Köln aufzutauchen und wir hatten im Vorfeld beim KLUST nachgefragt, ob es denn ok wäre, oder ob es Bedenken gäbe. Nachvollziehbarerweise wurden Sicherheitsbedenken ins Feld geführt, weil eine schwere Kutsche schwerer zu kontrollieren ist. Das haben wir auch verstanden und von unseren Plänen abgesehen. Als ich also den Passus in den Richtlinien gelesen habe, habe ich angenommen, dass dieser sich konkret Aufgrund der Anfrage vom letzten Jahr dort wiedergefunden hat.
Ich hoffe, mir ist es hier ein klein wenig gelungen, den anderen Blickwinkel etwas zu verdeutlichen.
Liebe Grüße,
Nighty