Psychologie der Leidenschaft.
Ich hatte eine Beziehung, in der ich am Anfang sehr glücklich, und am Ende sehr verzweifelt war. Ich wußte von mehreren Mißhandlungen bei meiner Partnerin, außerdem war sie geradezu fundamentalistisch katholisch erzogen worden. Wir hatten am Ende keine Sex, nicht einmal eifeache Berührungen waren möglich. Wir hatte uns am Ende nur noch gestritten. Wir befanden uns in einer absoluten emotionalen Pattsituation.
Ein Rettungsanker in meinem Gedanken war, gemeinsam eine Sexualtherapie zu versuchen. Sie hatte bei ähnlichen Problemen mit einem früheren Partner schon einmal eine schlechte Erfahrung mit Paartherapie gemacht, und ich war mir klar, es würde sehr schwer werden, sie dazu noch einmal zu bewegen.
Deshalb kaufte ich verscheidene Bücher, um mich zu informieren, welche Wege es gibt und welche Therapieformen möglich sind, vielleicht würde es irgendwo ein Verzeichnis mit Ansprechpartnern geben. Beim googeln fand ich erste Hinweise. Ich wollte sie überzeugen, an ihrem Problem zu arbeiten. Ich war ein Jahr vorher auch bei einem Psychologen, weil ich gedacht hatte, irgendwie wäre ich zu geil, irgendetwas in meinem Kopf würde nicht stimmen, der mich bestärkt hatte, dass mein Wunsch nach mehr Sex (ich verspürte normalerweise etwa zwei mal die Woche Lust, manchmal, mehr manchmal weniger). Dieser Arzt sagte mir, eigentlich wäre das nicht unnormal, unnormaler wäre die Weigerung meiner Freundin über Wohen und Monate. Deshalb sah ich unser Problem als ihr Problem an. bzw. Ihre Mißhandlungen und ihre Erziehung als den Grund an. Ich war bestärkt darin, das ganze als ihre Krankheit zu sehen, und ich litt unter der Vorstellung ihrer emotionalen Schmerzen, die ich bei ihr vermutete. Ich sah das Opfer, was mich immer verzweifelter machte. Ich liebte die Frau so sehr.
Dann las ich ein Buch, das meine Sicht radikal veränderte. Das Buch war "Psychologie der Leidenschaft" von David Schnarch, dem führenden Sexualtherapeuten in den USA. Die Empfehlung kam von einer befreundeten Psychologin.
Dort stand, dass diese Probleme in beinahe jeder Beziehung normal sind. Der Grund für das Dilemma, das irgendwann in das emotionale Patt führt, ist das schwache Selbstgefühl der Partner.
Das emotinale Patt, das mehr oder weniger schnell erreicht wird, bietet aber auch die Lösung. Je früher das Patt eintritt, desto größer sind die Chancen, durch das akzeptieren des Selbst und der folgenden Weiterentwicklung bei beiden Partnern die Paarbezeihung soweit zu entwickeln, dass sich die Attraktivität und Anziehungskraft zwischen den Parntnern wieder erhöht, und gegenseitiges austauschen von intimen Gedanken und Wünschen (nicht nur Sex, sondern auch im normalen Leben) wieder möglich wird.
Menschen haben sich demnach im Laufe der Jahrtausende so entwickelt, dass ein schwaches Selbstgefühl beim Partner unattarktiv wirkt. So geht auch die sexuelle Anziehungskraft verloren.
Das traf mich wie Schlag, aber ich sah sofort auch, wie sehr das stimmen könnte. Ich erkannte, dass die in seinem Buch genannte andauernde "emotionale Verschmelzung" der Grund war, warum ich so extrem reagierte und solche Angst hatte, ich durch die Weitergabe intimer Einsichten (nicht nur beim Sex) wieder solche Erschütterungen verursachen würde, dass unsere Beziehung in die Brüche gehen könnte. Ich erkannte, dass ich vermied, von mir und meine Wünschen (nicht nur im sexuellen Bereich, sondern immer mehr in allen Bereichen) zu erzählen, während sie sich mehr Intimität (nicht im sexuellen Bereich) wünschte. Das sexuelle Thama war nur ein Brennglas für unsere "normalen" Probleme.
Das ergab eine neue Perspektive. Das Buch hat uns sehr geholfen, eine neuen Weg zu beschreiten. Die Einsicht, wie normal die vermeintlichen persönlichen und auch die sexuellen Probleme in Beziehungen sind, machte - so schmerzlich sie gelegentlich waren - Mut, daran selbst zu arbeiten.
Das Buch ist teilweise sehr trocken geschrieben, es ist halt als wissenschaftliches Buch geschrieben, das seinen Wissenstand auch Kollegen vermitteln sollte. Aber es hatte in seinen exakten Beschreibungen und Fallstudien genug Kraft, es weiterzulesen und die Ideen aufzugreifen. Inzwischen gibt ein weiteres Buch von ihm, das mehr für Klienten als für Kollegen gedacht ist. Vieles ist verständlicher ausgeführt, aber ganauso informierend und anregend. Der Titel des neuen Buches ist im Klett-Kotta-verlag erschienen, und es heißt: Intimität und Verlangen.
In seinem Büchern gibt David Schnarch bestechende und wirksame körperliche Lösungsmöglichkeiten an. Die uns sehr gehofen haben, uns selbst zu beruhigen, wieder zu uns selbst zu finden und wieder unser Körper zu fühlen. Die Idee des Sex mit offenen Augen und wirklicher Wahrnehmung der Partnerin war eine bahnbrechende Erfahrung. Wir hatten das ganz am Anfang unbewusst auch so gemacht, aber wir hatten es unbewußt getan und irgendwann die Augen beim Sex wieder geschlossen. Wir waren beim Sex nicht mehr zusammen, was den Sex veränderte.
Jeder von uns gewann eine größere und stabilere Intgrität, und ein stabileres Selbstgefühl. Das hat sich auch in unserem nomalen Leben ausgewirkt. Vieles geht soviel einfacher.
Wir verzichteten nicht auf psychologische Hilfe, aber sie war nur in relativ geringem Maße und nur begleitend nötig. Wir konnten besser mitarbeiten und es war weniger dramatisch, bzw. wir fühlten uns nicht als krank. So sehr es auch Traumata gerade in der Geschichte meiner Partnerin gab, das Erkennen des Zusammenspiels der Partner in Partenerschaften, wenn es um Intimität und Sexualität geht, hat es überhaupt erst möglich gemacht, diese Misshandlungen richitig zu verarbeiten und einzuordnen.
Wir sind beide daran gewachsen.