Aspekte der Hyposensibilisierung
Definition und Entwicklung
Mit einer Hyposensibilisierung, auch Desensibilisierung oder Spezifische Immuntherapie bzw. Impfung mit Allergenen genannt. In der neueren Literatur wird zunehmend die Bezeichnung Spezifische ImmunTherapie (SIT) verwendet (SLIT). Durch dieses Verfahen, soll die Wirkung von Allergenen (Auslöserstoffe) herabgesetzt werden. Dabei verabreicht man einem Patienten, der unter einer Allergie leidet, anfangs sehr geringe und im Verlauf zunehmende Dosen dieser Allergene, die ihn beeinträchtigen, um eine Toleranz zu erzeugen. Das Verfahren wird bereits seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert.
Durch die Identifikation der Allergieauslöser (Allergene), die Herstellung besser standardisierter Extrakte und durch gut dokumentierte Studien zur Wirksamkeit und Verträglichkeit konnte die Bedeutung der Hyposensibilisierung in den vergangenen Jahren jedoch deutlich gesteigert werden. Das Verfahren greift direkt an der Ursache allergischer Krankheiten an und verbessert deshalb langfristig die Lebensqualität und den Gesundheitszustand der betroffenen Menschen, da dadurch auch ein sog. Etagenwechsel vermieden wird (Fortschreiten der allerg. Reaktion, z.B. vermehrte Schleimabsonderung) in den oberen Luftwegen (Mund-Rachenraum-Luftröhre) hinab in den Bereich der tiefen Lungenareale (Bronchen und Luftbläschen).
Wie wirkt sie?
Mit Hilfe der Immuntherapie wird die Toleranz des Organismus gegenüber den allergieauslösenden Stoffen erhöht. Dies wird durch die Verabreichung ansteigender Mengen des Allergens erreicht. Die allergische Reaktion des Immunsystems wird blockiert. Damit ist auch ein Rückgang der allergischen Entzündungsreaktionen in den betroffenen Organen und eine Besserung der klinischen Beschwerden verbunden.
Durchführung
Die Hyposensibilisierung wird bei saisonal auftretenden Allergenen, beispielsweise Pollen, in der Regel nach Ende der vorangegangenen und vor Beginn der neuen Pollenflugsaison durchgeführt. Dabei werden kleinere Konzentrationen des allergieauslösenden Stoffes zum Beispiel als wässeriges Extrakt unter die Haut gespritzt. Während der Pollenflugsaison wird die Injektionsdosis stark reduziert oder es wird bis zum Ende der Saison pausiert. In der anschließenden Winterperiode wird die Dosis wieder gesteigert.
Bei ganzjährig vorkommenden Allergenen, beispielsweise Tierhaare, kann zu jeder Jahreszeit mit der Behandlung begonnen werden.
Die Dosis wird mit der Zeit gesteigert, damit sich das Immunsystem daran gewöhnen und Bildung von sog. Antikörpern („Gegenmittel“) reguliert werden kann.
• Die Hyposensibilisierungstherapie wird vor allem durchgeführt bei klinisch relevanten Sensibilisierungen (Empfindlichkeit für …, wie der so oft genannte Heuschnupfen bzw. die saisonale Schnupfenatacke/Nasenlaufen (allerg. Rhinitis)) gegenüber Gräserpollen (z.B. Roggenpollen, Birkenpollen, Haselpollen, Erlenpollen, Beifußpollen, Hausstaubmilben, sowie evtl. Tier- Katzenhaaren.
• Bei Insektengiftallergien (v.a. gegenüber Bienen- und Wespen“gift“) ist die Hyposensibilisierungstherapie oft lebensrettend.
• Die fein (kleinere Konzentrationen des allergieauslösenden Stoffes) in einer meist wässrigen Lösung verteilten hochgereinigten Allergene werden vorsichtig unter die der Haut "subcutan" gespritzt. (subcutane Hyposensibilisierung).
• Als Tropfen oder in Tabletten kann das Medikament über die Schleimhäute im Mund, besonders unter der Zunge aufgenommen werden. (orale Hyposensibilisierung) Dies wird zunehmend als SLIT bezeichnet, bezüglich der Gräserpollen wird häufig von einer "Grastablette" gesprochen, die erst sein wenigen Jahren auf dem Markt ist. Dazu bestehen aber noch keine eindeutigen Aussagen oder praktische Forschungsergebnisse.
• Die SIT wird sowohl in der Humanmedizin als auch in der Veterinärmedizin (u.a. Katze, Hund, Pferd) angewandt.
Unter "hochgereinigt" ist zu verstehen, dass nicht der komplette - beispielsweise Graspollen – Extrakt (Auszug) verwendet wird, sondern nur die allergieauslösenden Anteile (besondere Proteine = Eiweisbaustoffe des Körpers)) verabreicht werden.
Als Goldstandard (Das Mittel der Wahl) ist bisher (2006) die subkutane Hyposensibilisierung gelistet.
Angenommener Wirkungsmechanismus
Zahlreiche Studien zur klinischen Wirksamkeit bei allergischer Rhinokonjunktivitis (allergischer Schnupfen mit Beteiligung der Augen) zeigen eine Reduktion der Beschwerden bzw. des Medikamtenverbrauchs um 45%. Die Mehrheit der Studien wurde mit Erwachsenen durchgeführt, wobei davon auszugehen ist, dass bei Kindern die Erfolgsaussichten eher höher als niedriger sind.
Risiken
Die Hyposensibilisierung birgt prinzipiell ein Behandlungsrisiko, wie JEDER medizinische Eingriff (!), da die Behandlung darin besteht, den Patienten bewusst der allergieauslösenden Substanz auszusetzen. Manchmal ist eine heftige Lokalreaktion möglich, die sich durch wenige Tage währendes (starkes) Anschwellen der weiteren Injektionsregion und die Bildung von sog. Quaddeln (wassergefüllt Bläschen – ähnlich „Brandblasen“) äußert. Beide Reaktionen sind jedoch weniger gefährlich und können durch Gabe entzündungshemmender Substanzen oder Antihistaminika abgeschwächt werden. Selten ist der gefährliche allergische Schock. Bei einer falschen Dosierung, mangelhafter Injektionstechnik oder - selten - ohne erkennbaren Grund besteht die Gefahr eines allergischen Schocks. Um dieser Gefahr begegnen zu können, erfolgt die ambulante Hyposensibilisierung in der Weise, dass der Patient nach der Injektion des Allergens für mindestens 30 Minuten unter ärztlicher Aufsicht verbleibt. Im Falle eines allergischen Schocks können dann vom speziell ausgebildeten Arzt rettende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.
Bei der sublingualen (unter der Zunge) Hyposensibilisierung (z.B. durch Tabletten) hingegen sind bisher keine gefährlichen Komplikationen aufgetreten. Nebenwirkungen können z.B. brennende Lippe o.ä. sein. Leider ist auch die Erfolgsrate noch nicht gesichert.
Im Falle einer vorliegenden Histaminose (Unverträglichkeit gegenüber der Reaktion des Körpers) darf eine Hyposensibilisierung nicht durchgeführt werden, da die Gefahr besteht, daß sich das Krankheitsbild verschlechtert, und die Erfolgsaussichten der Hyposensibilisierung gering sind! Die Einnahme mancher Medikamente zusätzlich kann gefährlich sein.
Behandlungsdauer
Da die Dosis des bei der Hyposensibilisierung verabreichten Allergens aus Sicherheitsgründen nur sehr langsam gesteigert werden darf, handelt es sich immer um eine Behandlung, die über einen längeren Zeitraum erfolgt. Bei Pollenallergien geht man in der Regel von drei Behandlungsjahren aus. Ist nach dieser Zeit keine Besserung eingetreten, wird die Behandlung normalerweise nicht mehr weitergeführt, da erfahrungsgemäß mit einem später einsetzenden Ansprechen auf die Therapie nicht gerechnet werden kann.
Die Beschwerden bessern sich bereits nach einem Jahr der Behandlung. In der Regel sollte die Hyposensibilisierung aber mindestens drei Jahre durchgeführt werden. Bei schweren allergischen Reaktionen auf Bienen- oder Wespengift sollte für mindestens fünf Jahre behandelt werden.
Die Hyposensibilisierung kann bereits ab dem sechsten Lebensjahr durchgeführt werden.
Behandlungszeitraum
Eine Hyposensibilisierung wird begonnen, wenn die natürliche Belastung durch das Allergen möglichst niedrig ist. Im Falle von Pollenallergien bedeutet dies beispielsweise, dass die Behandlungszyklen der Hyposensibilisierung in den Sommer (bei Frühblüherallergien) bzw. Herbst und Winter (bei Gräserpollenallergien) gelegt werden, da in dieser Zeit kein Pollenflug stattfindet (= präsaisonaler Therapiebeginn). Heutzutage wird auch in der Zeit des Pollenfluges weiter hyposensibilisert (jedoch in dieser Zeit mit verringerter Dosis), da somit die Erfolgsraten deutlich gesteigert werden, ohne dass sich das Behandlungsrisiko erhöht.
Alternativen
Falls die Durchführung einer Hyposensibilisierung nicht möglich ist (z.B. wegen individuell vorliegendem, nicht zu tolerierendem erhöhtem Risiko eines allergischen Schocks), verbleiben im Wesentlichen folgende Möglichkeiten:
• Symptomdämpfende Behandlung mit Antihistaminika, die in Zeiten starker Allergenbelastung vom Patienten dauerhaft eingenommen werden können.
• Die Behandlung mit Cortison (Glucokortikosteroiden) stellt die effektivste Pharmakotherapie dar, die derzeit verfügbar ist. Die nasale Obstruktion (vor allem bei der Hausstaubmilbenallergie) ist in der Thearapie mit Kortikoiden besser beeinflußbar als mit Antihistaminika. Zuerst sind die topischen Kortikoide (Cortison) zu nennen; sie wirken nur auf die Nasen- bzw. Bronchialschleimhaut. Systemische Effekte der topischen Kortikoide, d.h. den ganzen Körper betreffende Effekte, sind extrem selten. Ältere topische Kortikoide wie Budesonid und Flunisolid weisen bereits eine hohe Sicherheit auf, wobei auf die ganz alten topischen Kortikoide vor allem bei Kindern verzichtet werden sollte, wie zb. Beclometason. Neue topische Kortikoide wie Fluticason und Mometason weisen eine höhere Wirksamkeit bei gleizeitiger geringerer Bioverfügbarkeit (ganzer Körper vor allem Nebennierenrinde betreffend) auf.
• Systemisch wirkende Glucokortikoide sind manchmal zu Beginn einer Therapie sinnvoll, wobei die orale Gabe wegen der besseren Dosiskontrolle der Depotspritze Cortison in den Muskel (intramuskulär) vorzuziehen ist. Des Weiteren bietet die intramuskuläre Spritze das Risiko des Muskelschwunds (Athropie). Vorallem bei längerer Behandlung weisen sie ein deutliches Nebenwirkungsprofil auf! Deswegen ist eine Behandlung mit einem systemischen Glucokortikoid begrenzt und besonders genau zu beobachten, während die topische nasale wie auch bronchiale Behandlung mit Kortikoiden nebenwirkungsarm und sicher ist. Zur intramuskulären Injektion von Glucokortikoiden: Vorteile dieser Behandlung: Der Patient hat weniger oder keine Beschwerden während der stärksten Belastung bei einer Allergie, die nur in bestimmten Zeiträumen auftritt (z.B. Pollenallergie). Manchmal sind keine weiteren Medikamente notwendig, da es eine Depotfunktion besitzt und vom Körper langsam aufgenommen wird. Eine Injektion zu Beginn der Allergiebelastung kann ausreichen. Allerdings gibt es auch Nachteile von Cortison. Durch eine extrem hohe Dosierung durch die Injektion des Medikamentes werden viele Körperfunktionen beeinträchtigt. Beispielsweise Wasseransammlungen im Körper oder das sogenannte „Mondgesicht“ zählen zu den Nebenwirkungen. Diese sind aber extremst selten.
• Sicherlich ist nur selten der Umzug in eine Region, die eine andere Flora und damit ein anderes Pollenspektrum oder gar ein ganz anderes Klima aufweist. (Wohnort über 1200 m, südliche, trockene Gegenden, so z.B. in Bergregionen oder Steppen-, Wüsten-, Eisregionen. Doch Vorsicht. Es können auch Allergien gegen Moose, Kräuter und Kleinstgräser existieren.
• Falls man das Allergen überhaupt meiden kann: Veränderung der Lebensumstände mit dem Ziel, dem Allergen nach Möglichkeit auszuweichen. Eine solche Veränderung kann z.B. in einem Berufswechsel bestehen (z.B. im Falle von Bäckern mit Mehlstauballergie)
Liebeslust oder -frust
Da die Hyposensibilisierung ein "massiver Eingriff" in die Körperreaktionen darstellt (darstellen kann) reagiert jeder Mensch anderst. Vielfach sind während dieser Phase einfach eine vermehrte Abgeschlagenheit, Müdigkeit und allgemeine Unlust zu verspüren, was aber jedoch wieder verschwindet. Sofern man sich vorstellt, man hat die Symptome einer "herannahenden Erkältung oder eines grippalen Infektes", so beschriebt dieser Umstand das "wirkliche Lustgefühl zu diesem Zeitpunkt". Doch ist die Hyposensibilisierung abgeschlossen, dass liegt keine Beeinträchtigung der Lust an sich sowie der Libido vor.
... doch sei noch darauf hingewiesen. Was ist für einen besser - Liebeslust in abgeschwächter Form, da man(n)/frau schlecht Luft dabei bekommt, die Nase ständig läuft und die Gefahr eines evtl. Anstrengungsasthmas besteht (Hausstaubmilbe meist in Betten; Schimmelpilze der Wohnungen, Feinstäube durch Umweltbelastungen, wie z.B. Straßenverkehr)
• oder aber eine fast "reizwirkungsfreie Lust" ausgelebt werden kann durch die vorherige Hyposensibilisierung ...
... das mag nun jeder selbst entscheiden.
Persönliche Anmerkung
Meine Frau und ich sind beide Allergiker. Beide Hyposensibilisiert und uns geht es sehr gut dabei. ABER - daran mussten wir uns erst mal gewöhnen. In greifbarer Nähe all unserer Aktivitäten haben wir immer unser "Notfallset" mit dabei. Dieses besteht aus einem Cortisonspray und einem Bronchenerweiterer. Das muss leider sein - einfach nur zur Sicherheit. Egal ob wir Sport machen, Tanzen gehen, Spazieren ...
Vorher ist auch eine Peakflow-messung anzuraten. Dort kann man durch den Ausatemstoß feststellen, wie eng die kleinen Luftwege (Bronchen) gerade gestellt sind. Wenn eng - dann einen Hub des Bronchialerweiterungssprays und schon kann es los gehen ...
... etwas Umständlich zwar, aber geschickt im Liebesspiel eingebaut kann dieses genauso wichtig sein und ein Schutz für sich selbst und den Partner, wie ein Kondom (blöder Vergleich - aber im Endeffekt die gleiche Wirkung)
... viel Spaß weiterhin und keine Frust aufkommen lassen, auch wenn mal die Lust auf die Lust etwas gemindert sein mag ...