Verspielte Message bei langer Story
Der smarte Bankräuber, der sich als Mann, mit großen Gefühlen entpuppt, von dem Jill schon lange träumte. Inhaltlich ist die Geschichte sehr schön gebaut.
Nur ist sie für eine Kurzgeschichte im eigentlichen Sinne zu lang. Die Rolle des Jakob Munch wird durch die Erwähnungen zwar erzählt, verschleiert sich aber gerade in der Bank relativ weitläufig im Unbekannten. Zudem sind bei ihm einige Handlungen so nicht vollständig nachvollziehbar. Dies zeigt sich vor allem in der Drohung Jakobs "[...] unseren Freund hier bitten [zu] müssen, auf Sie ganz besonders aufzupassen.", die sich schließlich in den Berührungen am Telefon verlieren, die in dem Zusammenhang kryptisch bleiben, wahrscheinlich aber bleiben sollen. Im Zusammenhang mit dem Motto der erotischen Geschichte liegt kurz die Angst im Raum, dass die Entführung durchaus brutaler verläuft - und wirft ein Bild auf Jakob, das er, gerade wegen des letzten Teils, nicht verdient hat. Die Spannung, er könnte Jill etwas antun, ist nach dem letzten Gespräch in der Bank und dem Kuss beim Abschied aus dem Wagen ohnehin weg. (Dass sich Jill im Motiv von Bonnie und Clyde gefällt, lässt das Ende absehen.)
Stressy erhält im ersten Teil viel zu viel Raum, im Gegensatz zum Bankangestellten und viel mehr zu Ede. Unterstützt wird die Verteilung durch die enorm lange und von einer heroischen Jill dominierten Bankszene, die passagenweise surreal wirkt und vergleichbar elegant dem Telefongespräch hätte verlaufen können.
Ebenso verschieben sich die Prioritäten Jills für ihre Handlungen im Laufe der Geiselnahme extrem; zuerst verteidigt die bedrohte Mutter das Wohl ihres Sohnes, später rückt dessen Schicksal völlig in den Hintergrund, während die Gefühle zu Jakob die Überhand gewinnen. Daraus lässt sich in großem Maße ein Stockholm-Syndrom ableiten, das aber aus den Aussagen, besonders des letzten, romantischer anmutenden Absatzes also solches nicht beabsichtigt scheint. Die Gefühle und Fragen Tommys nach dem Erlebnis werden völlig außen vor gelassen. Das kommt zwar dem Genre einer Kurzgeschichte entgegen, schließt aber die gefühlsmäßige Bindung zwischen Jill, Jakob und Tommy aus - es lässt daher offen, ob die Zukunft so rosig beschieden ist, wie sie am Ende der Geschichte scheint. Eine Katastrophe der Situation ist daher immer noch denkbar, und das stört die Romantik des Endes.
Eine wunderbare Story des derb wirkenden Raubs mit romantischer Wendung und tiefen Gefühlen wird hier für eine Kurzgeschichte leider zu lang und abschnittlich zu ausführlich dargelegt. Eine ihr Kind verteidigende Mutter wandelt sich zu großen Verehrerin eines Räubers, der schließlich ihren Wunsch nach Nähe und Geborgenheit erfüllt.
Ein zweiter Teil, verspielter Teil in Rio mit der stillen Bedrohung der Ermittler und Familienglück, vielleicht auch zusammen mit einem Kind Jakobs, könnte eine tolle Fortsetzung sein...