Pragmatismus des Weibes
Oder: der Kluge gibt so lange nach, bis er der Dumme ist….
Meine Herren,
Mit Spannung und auch Vergnügen lese ich jetzt seit gestern bei Euren theoretischen Überlegungen bezüglich der Toleranz und ihrer Folgen mit. Allein, mir fehlt hi und da der praktische Bezug, will sagen, wie helfen mir diese Erkenntnisse und Überlegungen, den Forums Alltag zu überstehen?
Es wird die Überlegung angestellt, Toleranz sei das falsche Wort, oder der falsche Begriff, gar eine Illusion?
Tom, Du hast den Wikipedia Artikel über die Toleranz zitiert, und Dich da für die allgemeine Definition entschieden (für den Selber-nach-Gucker, das ist der Teil ganz oben)
Weiter unten findet sich noch folgendes:
Der Ausdruck Toleranz bezeichnet im ethisch-sozialen Sinne die soziale, kulturelle und religiöse Nichtverfolgung von Einzelnen oder Gruppen, deren Glaubens- und Lebensweise vom etablierten religiösen oder gesellschaftlichen System abweichen.
[…]Anders als die Masse, die gegen das Abweichende rigide vorgeht, erforderte die "Toleranz", dass andersgeartete Parteien oder Gruppen diesbezüglich leiblich wie seelisch nicht behindert werden.
Diese „Nichtverfolgung“ meiner Person, und auch anderer Leute, die vom etablierten System „Blümchensex“ abweichen ist es, die ich fordere, wenn ich um mehr Toleranz bitte. Zwar muss ich hier nicht fürchten strafrechtlich verfolgt zu werden, aber wenn ich Hassmails in meiner CM Box finde fühle ich mich doch über ein erträgliches Maß hinaus verfolgt. Ich kann ein solches Verhalten nicht tolerieren.
Ihr schlagt ein paar Alternativen vor, welche wir statt der Toleranz besser fordern sollten.
Da sei zunächst die Barmherzigkeit genannt:
Die Barmherzigkeit (Lehnübersetzung von lat. misericordia) ist eine positive Eigenschaft des menschlichen Charakters. Eine barmherzige Person öffnet ihr Herz fremder Not.
Würde ich hier Barmherzigkeit mit uns armen BDSMlern fordern wäre das doch gleichbedeutend damit, dass ich mit meiner eigenen „kranken Perversität“ nicht klar komme. Ich würde mich in der Tat auf die Stufe des Welpen stellen, der dem Schwachen gegenüber um Milde bittet: „bitte, bitte mach mich nicht an, ich habe halt krankhafte Bedürfnisse und muss diese doch irgendwie ausleben“
So auf die Spitze getrieben werdet Ihr verstehen, dass Barmherzigkeit sicher eine wünschenswerte Tugend ist, aber mir in keiner Weise genügen würde. Da verlange ich doch lieber weiterhin nach Toleranz, und zwar im ethisch-sozialen Sinne.
Stephensson schreibt:
Viel lieber sähe ich es, wenn es uns, wie den Schwulen, gelänge, in diesem Staat eine Macht zu bilden, die für die Herrschenden unumgänglich ist. Dann erübrigt sich nämlich die Frage nach der Toleranz.
Das klingt gut, was den Staat angeht mache ich da mit, wann ist das Gründungstreffen unserer Bewegung, und wie kriegen wir es hin, dass wir nicht schon am ersten Abend selber total zerstritten sind?
Macht ist die Fähigkeit von Individuen und Gruppen, das Verhalten und Denken von anderen Individuen oder Gruppen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Es handelt sich um einen grundlegenden sozialen Aspekt, welcher in praktisch allen Formen des menschlichen Zusammenlebens eine Rolle spielt. So führt das Sozialverhalten von Individuen in Gruppen und von Gruppen untereinander zur Ausbildung von Sozialstrukturen, deren Mitglieder über unterschiedliche Einflussmöglichkeiten verfügen. Die Machtausübung kann, muss aber nicht über Zwang erfolgen.
Wer hat hier im Joyclub die Macht? Die Moderatoren. Also fordere ich: „unter den Moderatoren müssen auch BDSMler sein!“ Aber Moment mal, das ist doch längst so. Schlagfertig und Blackangel sind Moderatoren. Und Blackangel hat sich auch viel Mühe gegeben, den viel zitierten „Vergewaltigungs-Thread“ zu retten und uns Kampfhähne zur Räson zu bringen. Schließlich haben die Mods ihre Macht benutzt, einige Beiträge gelöscht und den Thread geschlossen. Erreicht haben sie damit auf jeden Fall, dass nicht weiterhin auf „Leuten mit besondern Fantasien“ herum gehackt wird. Leider bedeutete das auch, dass nach 7 Seiten Schlagabtausch das eigentliche Thema nicht besprochen werden konnte. Politisch wäre das dann so was wie die Verhängung des Ausnahmezustandes und ein damit einhergehendes Versammlungs-Verbot (oder Demonstrationsverbot), um die Ordnung im Staate nicht zu gefährden.
Ich halte also fest: Gut, dass es unter den Mods BDSMler gibt, gut, dass wir damit an der Macht teilhaben, für den Alltag jedoch ist die Keule Macht viel zu stark und kommt erst zum Einsatz, wenn das Kind längst in den Brunnen gefallen ist.
Also zurückgerudert: Ich wünsche mir mehr Toleranz von den nicht-BDSMlern im Joyclub. (im ethisch-sozialen Sinne)
Ein andere Vorschlag war, nicht die Anderen müssten toleranter sondern ich souveräner sein.
Der Begriff Souveränität (v. frz.: souveraineté, aus lat.: superanus = darüber befindlich, überlegen) bezeichnet in der Rechtswissenschaft die Fähigkeit einer natürlichen oder juristischen Person zu ausschließlicher rechtlicher Selbstbestimmung. Diese Selbstbestimmungsfähigkeit wird durch Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des Rechtssubjektes gekennzeichnet und grenzt sich so vom Zustand der Fremdbestimmung ab.
Der einzig souveräne Akt, die mir einfällt, um mich vor gewissen Subjekten zu schützen ist, den Joyclub zu verlassen…denn rechtlich unabhängig bin ich hier natürlich nicht, es gibt Regeln, an die ich mich zu halten versuche und selbst wenn ich meinen eigenen Thread zu irgendeinem Thema eröffne ist der ja für alle andern zugänglich…
Also wieder bleibt mir nur um Toleranz zu bitten, im ethisch-sozialen Sinne.
Interessant fand ich auch den Hinweis auf den Asiatischen Kampfsport: „Lerne, Schläge zu erkennen bevor sie Dich treffen und abzuwehren“
Manchmal gelingt das. Wie oft schreibt jemand bei irgendeinem Statement direkt dazu: „ich weiß, ihr seid andere Meinung aber…“ oder gar „schlagt mich nicht, aber…“ Als gewitzter Mensch sieht man die Gegenargumente also kommen und zählt sie schon mal auf um sie zu entkräften. Eine gute Taktik, wenn man den „Gegner“, also den Gesprächspartner einschätzen kann und davon ausgehen kann, dass dieser die Grenzen von Anstand und Sitte wart, also höflich bleibt.
Die Höflichkeit ist eine Tugend, deren Folge eine höfliche Verhaltensweise ist, die den Respekt vor dem Gegenüber zum Ausdruck bringen soll. Ihr Gegenteil ist die "Grobheit".
Grobe Menschen lesen über so etwas einfach hinweg und schlagen trotzdem zu. Zudem erscheinen sie hier ja quasi aus dem Nichts. Eben war man noch in der Diskussion mit Gostface oder Kyto, plötzlich schreibt XYZ dazu: „Ihr habt sie ja nicht mehr alle“.
Das kann man dann wiederum ignorieren (ich bin barmherzig und gewähre diesen Leuten Welpenschutz) aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Der Schlag mag mich nur kitzeln, aber wenn ich durchgekitzelt werde bin ich auch außer Gefecht gesetzt, werde mich also zur Wehr setzen. Um es mit Ruth Cohn zu sagen:
Seitengespräche haben Vorrang. Sie stören und sind meist wichtig. Sie würden nicht geschehen, wenn sie nicht wichtig wären.
Auch wenn Seitengespräche vordergründig stören, sind sie aber meist wichtig für die tieferen Ebenen der Kommunikation. Sie können neue Anregungen bringen, Unklarheiten herausstellen, Missverständnisse verdeutlichen oder auf eine gestörte Interaktion (Beziehung) hinweisen.
Wären wir hier ein kleiner geschlossener Kreis würde das sogar funktionieren. Irgendwann hätte man auch dem Letzten erklärt, worum es eigentlich geht und könnte sich wieder genüsslich dem Thema widmen. Aber, um beim Bild des Kampfsportes zu bleiben, wir befinden uns hier nicht auf der Matte sondern im virtuellen Raum, wo jedes Mal, wenn wir einen Gegner davon überzeugt haben, unangreifbar zu sein und dass seine Schläge ins Nichts gehen plötzlich ein neuer auftauchen kann mit dem dann diese „Schattenboxerei“ von vorne beginnt….
Ich wünsche mir immer noch ein wenig mehr Toleranz (im ethisch-sozialen Sinne)
Ich schreib`s dem Weihnachtsmann mal auf meinen Wunschzettel, denn so sicher wie es ihn gibt, so sicher bin ich, dass hier eines Tages die Toleranz (im ethisch-sozialen Sinne) Einzug in allen Köpfen hält.
PS:
Sure 4, Vers 34: "Die Männer sind den Weibern überlegen wegen dessen, was Allah den einen vor den anderen gegeben hat... Diejenigen (Weiber) aber, für deren Widerspenstigkeit ihr fürchtet - warnet sie, verbannet sie in die Schlafgemächer und schlagt sie..."
Wo Du da Friedfertigkeit siehst musst Du mir auch noch mal erklären Tom.