Die Ons und die Offs
Was mich ein bisschen stört an der Diskussion, ist der Begriff an sich. Spreche ich von der gleichen Sache, egal ob ich das ONS-Wort schon vor einer Aktion oder erst hinterher anwende?
Graciella unterscheidet ja zwischen den "freiwilligen" und den "unfreiwilligen" Einmal-Ficks. Die Freiwilligen, Gezielten, Geplanten und dann auch tatsächlich untereinander Abgesprochenen sind ja die einzigen, die sich auch schon VORHER so nennen können. One Night, und nicht mehr. So wollen wir das und so machen wir das auch.
Ich habe ehrlich gesagt nur sehr selten Menschen getroffen, die das überzeugt und regelmäßig durchziehen, im Sinne: "Sex und Liebe funktionieren beide besser, wenn man sie unabhängig voneinander behandelt" (O-Ton einer Ex-Mitbewohnerin) Das ist eine Sichtweise, die sicher manche Leute teilen, aber die wenigsten meinen es wirklich in letzter Konsequenz ernst. Und diese konsequenten und sehr respektwürdigen Überzeugungstäter haben das Problem, dass es auch für sie schwer ist, die wenigen anderen echten Überzeugungstäter zum Mitspielen ausfindig zu machen. Dann will der andere unverhofft doch plötzlich mehr, und sie müssen ihn im Morgengrauen rausschmeißen, was auch keinen Spaß macht auf die Dauer. Und gerade wenn sie dann einen finden, dann ist da eine Seelenverwandschaft und prompt macht es Klick. Dann wird es ein paar Mal oder oft. Das könnte man dann im Sinne der Zielführung wirklich als missglückten One Night Stand bezeichnen. Es war nämlich gar keiner.
Aber die Probleme der "freiwilligen ONS" scheinen hier ja für die wenigsten im Mittelpunkt zu stehen, interessanterweise, trotz ihres Übergewichtes in der Statistik.
Ob die halb freiwilligen Aktionen, die einfach so plötzlich passieren, eben ohne viel Platz für ausführliche Absprache, wirklich ONS sind, nur ein mal gevögelt, das weiß man zu dem Zeitpunkt ja oft gar nicht. Zumindest nicht vorher. Wie bei den Unfreiwilligen.
Die Unfreiwilligen bekommen ihren Namen nämlich auch erst HINTERHER: Entgegen der ursprünglichen Planung gab es kein zweites Mal. Und warum gibt es kein zweites Mal? Meist, weil es zumindest für einen der Beteiligten nicht wirklich gut war. Weil das Ekstatische bei der Vereinigung ausblieb, weil das Ergebnis nicht der Erwartung gerecht wurde. Fehleinschätzung, man passt halt nicht zusammen, "die Chemie ist nicht da", es zeigen sich Seiten, die der andere in bewussteren Zuständen verbergen konnte. Enttäuschend. Und wenn man mehr wollte, Längerfristiges im Sinne hatte, oder im Nachhinein merkt, dass man mal wieder in akuter Hormon-Blindheit die mahnende Stimme der Erfahrung ausgeknockt hatte, dann ist das auch Demütigend. Man fühlt sich als Opfer, eines anderen oder seiner selbst.
Insofern irgendwie logisch, dass die meisten das Wort vom One Night Stand nicht so positiv belegen. Es steht eben für "hat nicht geklappt".
Was aber die in Profilen so beliebte Ansage, man stehe nicht auf ONS, recht dünne erscheinen lässt. Mir scheint, da werden immer die Freiwilligen, seriell Geplanten unterstellt. Aber die Abneigung kommt von den Unfreiwilligen, Ungeplanten. Das ist eine emotionale Verwirrung.
Es ist so wie zu sagen: Ich mag keine Unfälle. Vermeidet das Unfälle?
Es geht hier um Risiko. Um emotionale Risikobereitschaft.
Wie sicher kann ich gehen, bevor ich mich auf etwas einlasse? Wenn ich alle Regeln beachte (erst lange Gespräche, Sehen, Körpersprache studieren, Gewohnheiten kennenlernen, nach Macken forschen, kein Sex beim ersten Mal etc.), wie sehr kann ich dann die Anzahl der Unfälle reduzieren? Und wieviele Chancen verpasse ich? Denn Risiko besteht immer aus zwei Anteilen: Gefahr und Chance. Da muss jeder sein ganz eigenes Maß finden.
Um jetzt von mir persönlich zu sprechen: Auch wenn ich kein Fan der Gefahr bin, ich mag Chancen. Ich habe noch nie gewusst, ob eine Beziehung ernsthaft sein könnte, BEVOR Sex im Spiel war. All die Versuche, den Gegenüber vor der emotionalen Öffnung möglichst tiefgehend kennenzulernen, können für mich doch schwer vor der intuitiven, vielleicht (pher-)hormonellen Erkenntnis bestehen, die beim Sex (und direkt danach) stattfindet. Unsere echten Motivationen sind nicht rational.
Die geistigen, ästhetischen, charakterlichen Aspekte eines Menschen können wir beim Trockenschwimmen ganz passabel kennenlernen, immer bewusst, dass unser Gegenüber sich genau wie wir selbst unwillkürlich eher von der Schokoladenseite her zeigen will. Aber, das ist meine Erfahrung, das wirkliche Kennenlernen ist ein Warmes, Feuchtes, im Idealfall ein sehr sehr Nasses.
Und wenn es dann doch eher kühl und trocken blieb -Shit happens- dann war es eben ein ONS.