Ich bin eine sehr liebe Frau :). Ich sorge finanziell für meinen Mann, falls er arbeitslos wird, ich manipuliere ihn subtil, damit er seine Lebensträume genau wie ich verwirklicht, ich bin sehr sanft und freundlich, wenn ich sage, dass ich von der Arbeit zu erschöpft bin, um meinen Anteil am Abwasch zu machen, und ich bin treu und flirte auch (fast) nie in der Gegend herum.
Außerdem gebe ich gleichermaßen Nestwärme und Freiraum und bin bei Männerabenden nie eifersüchtig, und aufgrund von irgendwelchen seltsamen Eigenschaften namens Empathie und Intelligenz war ich bisher immer in der Lage, mit ihm gemeinsam gut funktionierende Kompromisse für das Beziehungsmiteinander zu entwickeln, die in beiden das Gefühl hervorrufen, geliebt, geschätzt und respektiert zu werden.
Als "Macho-Frau" würde ich mich daher definitiv nicht bezeichnen. Ich liebe ein harmonisches, konfliktarmes Miteinander, und ich bin sehr froh, dass ich ein genau solches in meiner Beziehung habe. In Konflikten gebe ich sehr oft erst mal nach, lasse die Sache ein wenig sacken - und wenn es mir wirklich wichtig ist, spreche ich es noch mal in einer ruhigen Minute an, ohne zu zicken, ohne Kampf, einfach nur mit Hinblick auf eine gemeinsam funktionierende Lösung.
Und trotz dieser ganzen lieben Eigenschaften habe ich einen Mann abgekriegt, mit dem ich sehr glücklich bin. Kann also nicht nur am lieb sein liegen, wenn es nicht klappt.
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Wenn ich umgekehrt einem Mann sage, er sei "zu lieb", dann heißt das nicht, dass das lieb sein das Problem ist - sondern dass er langweilig ist und mich trotz seines "lieb seins" nicht zu fesseln und faszinieren vermag.
Das ist wie mit dem Chef, der einem für den Betrieb nicht geeigneten Mitarbeiter kündigt. Er schreibt ins Zeugnis "er war immer pünktlich", und jeder weiß auch ohne Worte, dass also andere Sachen nicht gestimmt haben. Schließlich hätte dieser Mann seine Stelle nicht behalten, wenn er nur öfter mal zu spät gekommen wäre!
"Zu lieb" heißt also oft einfach auch: "Lieb sein alleine reicht nicht, ich will noch mehr, aber ich bin höflich und sage nicht, dass dir andere wichtige Sachen fehlen."