Ich finde es auch ein bisschen falsch, wenn man jemandem ungefragt etwas Liebes tut und dafür dann ungefragt von ihm eben auch bestimmte Dinge erwartet.
"Respekt", das kann ja erst mal alles und nichts bedeuten. Der normale zwischenmenschliche Respekt kann damit ja nicht gemeint sein, den kriegt ja jeder. Was also ist damit gemeint?
Es erinnert mich an eine Kollegin von mir, die ständig ungefragt die Küche aufräumt, Kollegen ihren Arbeitsplatz mal eben gleich mit wischt, Spülmaschine ein und ausräumt und jeden Morgen früher kommt, damit sie Kaffee kochen kann. Es ist mir immer latent unangenehm - denn damit "degradiert" sie sich ja quasi auf den Status einer Küchenhilfe. Und so sehr, wie ich die Arbeit der Reinigungskräfte in unserer Firma auch schätze, so gerne ich mit denen auch mal ein kleines Schwätzchen halte - die Arbeit meiner Kollegen im Büro und mit den Kunden schätze ich als anspruchsvoller ein. Davor habe ich mehr Respekt.
Soll ich also jetzt vor dieser Kollegin, die immer nur untergeordnete Arbeiten macht, mehr Respekt haben als vor den Leuten, die wirklich gute, anspruchsvolle und qualifizierte Arbeit leisten - etwas, wozu die andere Kollegin vor lauter Kücheputzen manchmal gar nicht kommt? Klar ist die lieb, und ich bin auch froh, dass sie diese Dinge tut, aber...
Respekt? Eher Mitleid.
Wirklich schlimm wird es dann bei Dingen wie "Weihnachtsfeier", bei denen die, die hart arbeiten, vielleicht gerne bestimmte Dinge machen wollen - und sie das dann mit ihrem sanften Lächeln torpediert, weil sie ja "lieb", wie sie ist, schon eine total langweilige Veranstaltung rausgeguckt und durchgerechnet hat, auf die außer ihr keiner Lust hat. Dann ein schmollend vorgeschobenes Unterlippchen, weil sie ja diejenige ist, die ständig für alle die Küche macht, also auch Ahnung vom Thema "Weihnachtsfeier" hat und dafür endlich mal "Respekt" erwartet...
Unausgesprochen der mitklingende Vorwurf, dass wir ja alle Egoisten seien, weil wir nicht alle zwei Stunden die Ablage um die Kaffeemaschine herum putzen, und schon ganz lange Egoisten gewesen seien, aber sie als guter Mensch habe das immer, immer ertragen, und möchte jetzt endlich mal etwas dafür zurückbekommen... Als Ergebnis hatten wir alle ein schlechtes Gewissen und eine langweilige Weihnachtsfeier, bei der sie ihren Willen durchgesetzt hat. Gleichzeitig fühlt sie sich auch noch ach so lieb, weil sie ja schließlich alles organisiert hat. Andere hätten trotzdem lieber einen männlichen Stripper gehabt. Aber für so was war sie ja zu lieb, und das hat sie mit ihrer hochgezogenen Augenbraue auch deutlich gemacht. Darüber wurde aber gar nicht sachlich diskutiert im Sinne von Plan A oder Plan B ist besser, sondern sie hat es stattdessen sofort auf die Beziehungsebene gezogen und angeführt, dass sie ja immer diejenige ist, die so selbstlos und lieb ist und jetzt auch ganz selbstlos und lieb den Plan A überlegt hatte ...
Das soll lieb sein? Falsch und hintenrum, so meine Einschätzung dafür. Typisch für viele Frauen, die sich selbst als "lieb" einschätzen und gar nicht merken oder sich eingestehen, dass sie in Wahrheit manipulieren und hintenrum sind, um sich selbst als "etwas besseres als die anderen" fühlen zu können, ohne es tatsächlich zu sein.
Nein, ich mag sie nicht und ich respektiere sie nicht. Ich kann auch mal damit leben, wenn die Ablage in der Küche nur alle zwei Tage statt alle zwei Stunden abgewischt wird, und ich sehe nicht ein, wie die Tatsache, dass sie den Wischlappen sogar bei sich zu Hause in der Waschmaschine wäscht, ihr mehr Mitspracherecht bei unserer Weihnachtsfeier einräumt als den Kollegen, die jeden Tag all ihre Arbeit in die eigentliche Aufgabe unserer Firma steken. Die Putzfrau, die jeden Abend kommt, hat doch bei der Weihnachtsfeier des Kollegiums auch nicht das letzte Wort, auch wenn sie jeden Tag "voll lieb" unsere Mitarbeiterklos putzt.
"lieb" heißt manchmal nämlich auch "feige und hintenrum rechthaberisch", und das ist anstrengend. Viel egoistischer als Leute, die einfach sagen, was sie wollen, und dafür auch einstehen.
Aber die "liebe" Kollegin hatte jetzt die Weihnachtsfeier, die sie wollte. Willen durchgesetzt. Gratuliere.
Ich konzentrier mich dann nächste Woche trotzdem lieber weiter auf die Firmenpolitik und meine Beförderungschancen als auf Kaffeeflecken in der Küche. Dann bin ich halt nicht lieb. Scheiß drauf. Ich habe trotzdem Freunde, die mich mögen, obwohl ich ihre Kaffeemaschine nicht putze. Vielleicht leiste ich mir bald für zu Hause eine Putzfrau, dann bin ich da auch davon entlastet.
Die Putzfrau - die darf dann ruhig lieb sein. Wenn sie möchte. Da ist mir das dann eigentlich egal. Wobei - selbst da wäre mir nett und selbstbewusst eigentlich lieber.