ich glaube
nicht, dass es hier darum geht, anderen ungefragt und vor allem ungebeten etwas aufs Auge zu drücken. oder doch?
nun ja, es ist sicher so - in keinem Umfeld wird so viel gelogen wie beim Sex.
Und selbstverständlich prägen all diese Äußerungen, die ungebetenen, die ungefragten, die gelogenen, die übertriebenen wie auch die ehrlichen letztlich das Bild, das wir von anderen haben. Und viele dieser Einzelbilder geben eben ein gesellschaftliches Bild; Vieles wird einfach unwidersprochen und ohne zu hinterfragen übernommen, Vieles bleibt als Vorurteil in Stein gemeißelt für Generationen monolithisch bestehen.
Obwohl sich die gesellschaftlichen Umstände, die das Einhalten bestimmter Verhaltensweisen (u.a. eben der sexuellen...) inzwischen dramatisch verändert haben. Obwohl wir so viel hinter uns haben: Sufragetten, Frauen an Unis, Frauen in Männerberufen, Frauenwahlrecht, Pille, 2. Welle der Emanzipation, Väterurlaub, Madonna, Lady Gaga etc pp - was eine
anständige Frau zu sein hat und wie sie sich vor allem zu verhalten hat, das ist ein Kodex, der immer noch aus dem vorletzten Jahrhundert zu stammen scheint.
Warum das so ist? Nein, besser: warum das für weite Teile der hiesigen Gesellschaft noch so ist (- denn ja, es gibt Ausnahmen, Menschen, die sich ein eigenes Männer- und Frauenbild erarbeitet haben und die Begriffe Beziehung, Gleichberechtigung, sexuelle Freiheit mit eigenem Leben - selbstbestimmt! - gefüllt haben)?
Einfach zu sagen, der Mensch an sich ist in Traditionen eingebunden und fühlt sich darin am wohlsten. Einfach zu sagen, das war so und bleibt so.
Schwierig wird es halt, wenn man nach dem Warum fragt. Warum sich diese Vorurteile so lange halten können?
Und ja, ich sehe da auch uns Frauen in der Hauptpflicht: denn gerade die sind es, die am lautesten schreien, wenn eine andere Frau sich nicht regel-konform verhält, sprich sexuell enthaltsam oder wenigstens stillscheigend sexuell. Denn
die Andere soll nicht haben, was frau sich selbst versagt. (sich versagt, weil sie will ja nicht von 'der Gesellschaft' scheel angesehen oder gar ausgegrenzt werden). Etwas mehr Frauensolidarität täte da wirklich not.
Gleichzeitig ist natürlich auch auf Männerseite nicht alles in Butter, wie auch der Verlauf dieser Diskussion zeigt: die promiske Frau ist
gut genug für den ONS, weil ihr - fälschlicherweise, wie ich meine - aufgrund der hohen Quantität ihrer sexuellen Kontakte unbesehen hohe Qualität zugeschrieben wird. Und eine
Granate im Bett, will mann ja schließlich schon mal haben - und sei es nur, um damit beim nächsten Thekengespräch angeben zu können.
Die Frau, die die Mutter der eigenen Kinder sein soll, die hat keusch zu leben, darf gnädigerweise schon ein bisschen sexuelle Erfahrung haben, nur nicht zu viel - wer weiß schon, was sie sonst für Ansprüche stellen könnte?
Dumm nur, wenn sich diese heilige Kindesmutter spätestens zweiten Geburt als Sexspielverderberin erweist - dann geht mann halt wieder mit einer dieser Schlampen fremd, gell?
Es ist also mE diese Doppelmoral, die Frauen, die eine selbstbestimmte Sexualität leben, nach wie vor klein hält.
Warum? Wer hat Angst vor ihnen?
Die Männer, weil sie mit Frauen konfrontiert würden, die auch im Bett wissen, was sie wollen und Ansprüche stellen?
Die Frauen, weil sie mit Geschlechtsgenossinnen konfrontiert würden, die ihnen vorleben, dass Sex zu einem erfüllten Erwachsenenleben gehört und wie befreiend es ist, zu sich und seinen Bedürfnissen zu stehen?
Ist es also Angst, die das Bild der 'Schlampe' am Leben hält?