Die Gründe im Dunkel
Es ist schlicht unerträglich, immer wieder zu hören, dass sei doch alles kein Problem. Es mag eine freundliche Geste des Schreibenden sein, es hilft aber nicht im geringsten.
Natürlich - Wut und Verzweiflung sind mir nachvollziehbar, wenn das eigene, sehr reale Problem von anderen geleugnet wird. Ich sehe die Schwanzzentriertheit selbst als ein übles Problem.
Für Frauen mag das tiefe Loch, in welches der Mann fällt, wenn ihm die Natur (oder chemieverpestete Zivilisation?) einen Teil seiner Identität nimmt, unverständlich sein.
Mir ist es nicht unverständlich, doch halte ich diese Sicht für eine ungesunde fixe Idee. Ich bin sicher - sie selbst hilft kräftig mit, die Situation zu verschärfen.
In einer früheren Beziehung hatte ich zu ihrem Beginn eine äußerst unzuverlässige Erektion. Für
sie war es ein Riesending. Ich wäre der Sache gerne gelassen begegnet, doch weil es ihr so überaus wichtig war, habe ich mich in einer urologischen Spezialklinik aufs genaueste untersuchen lassen. Dabei habe ich von den Ärzten so einiges zum Thema gelernt.
Am Ende wusste ich: Ein hormonelles Probelm war es nicht, doch ist eine von zwei Arterien angeborenerweise so sehr verengt, dass die andere die Blutzufuhr allein schaffen muss. Weil aber auch dies zuvor ja kein Problem war, gingen die Ärzte von einer psychosomatischen Reaktion aus. Und ich durfte die unterschiedlichen Viagras, Cialis und Levitras ausprobieren. Auch ohne Effekt. Erst die ärztlicherseits nicht empfohlende Überdosierung brachte einen heftigen Unterschied, die Erektion war da, der Körper konnte sich psychosomatisch nicht mehr ausdrücken.
Meine laienhafte Vermutung: Psychosomatisch bedingt hatte ich regelmäßig derart große Mengen des Enzyms PDE-5 produziert, dass nur eine große Menge Xxxnafil dagegen ankam.
Eigentlich hätte ich mir psychotherapeutische Hilfe suchen müssen, aber ich machte es mir leicht und nahm Xxxnafil in hohen Dosen, und wir hatten "kein Problem" mehr.
Im Nachhinein bin ich schlauer. Wir hatten kein Erektionsproblem, sondern ein Beziehungsproblem von Anfang an. Ich konnte es nicht sehen, so ist es ja meist, weshalb eben Psychotherapeuten so hilfreich sein können - sie können helfen, den Kopf zu wenden, bis man etwas sieht.
Gut, ich bin allein drauf gekommen, aber erst Jahre später. Es ist ganz einfach: Ich hatte ihre Machtattitüde in der Beziehung einerseits schick gefunden, aber andererseits absolut nicht gemocht, und schädlicherweise darüber hinweggesehen. Körperlich habe ich mich sozusagen mit voller Absicht verweigert, weil mein Kopf dies nicht hinbekam.
Nach der Trennung waren die Erektionen wieder ganz normal möglich. Cialis und Co. treten dem unterbewussten Wissen in die Hacken, kleben ihm den klagenden Mund zu. Es geht nicht um den Schwanz. Es geht - bei nichtkörperlichen Gründen - oft um das Erkennen eines Grundes, weshalb man den Sex verweigern möchte. Es gibt diesen Grund.
Therapien sind ... vergeudete Zeit. Therapien zeichnen sich dadurch aus, dass sie unendlich sind. Ich habe das schon einmal erlebt.
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Ein weiterer Punkt ist, und auch das habe ich selbst erlebt, das stets nach verborgenen Traumas gefahndet wird.
In einer anderen Sache habe ich eine Psychotherapie gemacht. Es war eine kognitive Verhaltenstherapie. Da wird nicht nach verborgenen Traumata gefahndet. Es werden die eigenen Mechanismen sichtbar gemacht, im Hier und Jetzt. Und es gibt handfeste Gegenstrategien. Die Wirkung der Therapie war enorm. Die Therapie war keineswegs unendlich, sondern sehr, sehr zielstrebig und erfolgsorientiert.
Aber der Hauptgrund ist tatsächlich die Zeit. Bis zu ersten Termin dürfte locker ein halbes Jahr vergehen, bis zum Erfolg, wenn überhaupt, noch mal das drei-bis Vierfache.
Keine Lösung für ein akutes Problem also.
Klar gibt es Wartezeiten. Ich verstehe die Ungeduld. Doch wenn ich wirklich das Problem lösen will, dann akzeptiere ich auch eine zeitraubende Lösung, die eben nicht instant genau jetzt zur Verfügung steht.
Immer mit dem Hintergedanken, nicht zu wissen, wie man es besser machen soll. Für einen technisch versierten menschen wie mich wiegt das doppelt schwer
Voll verständlich. Es schmerzt mich, zu sehen, dass du der Therapie keine Chance geben willst - genau das vermittelt sie nämlich: Wissen, wie man es besser machen kann.