wirrwarr
Ich habe im Laufe des gestrigen Tages Deine Antwort, Stephensson mindestens 5 mal gelesen und habe mich dann immer wieder bewusst anderen Dingen gewidmet statt zu antworten, um sie weiter sacken zu lassen.Du hast mich dabei ertappt, dass ich eine Frage hinter der Frage hatte, wobei du mit der Annahme sie würde lauten: „darf man Sadist sein?“ noch nicht des Pudels Kern getroffen hast, denn die Antwort auf diese Frage lautete für mich persönlich „Ja“, da brauche ich keine Bestätigung aus der Gemeinde. Meine Eigentliche Frage ist (oder war): „Warum gibt es Menschen in der BDSM Community, die finden, dass man es nicht sein dürfte?“
Und diese Frage hast Du mir wunderbar beantwortet.
Es gibt Leute die, obwohl sie sich in BDSM Kreisen bewegen, die medizinische Definition vor Augen haben, Leute die versuchen trotz BDSM gesellschaftskonform zu sein und Leute die vor sich selber einen Rechtfertigungsgrund brauchen. Jetzt muss ich mir nur noch überlegen, wie ich damit umgehe. Da ich diese Überlegungen schon im aktuellen Dominanz Thread angestellt habe, langweile ich Euch jetzt nicht noch mal damit.
Aber jetzt wird es doch erst spannend. Haben wir die Leute hinter uns gelassen, die noch in der „Verdrängung“ stecken geblieben sind, bleiben die, die sich eingestehen Sadisten zu sein und irgendwie tragen die ja doch die Frage mit sich herum: „darf man das?“. Auch der meine, der will nach einer „Session“ und manchmal sogar während dessen auch immer mal wieder von mir hören: „klar darfst Du!“. Und diese Antwort kann auch nur ich ihm geben, nicht die Gesellschaft und nicht die Community.
Ich bin ihm gestern mit viel lautem Denken auf die Nerven gegangen und habe ihm natürlich auch diese Frage vorgelegt:
hätte ich wirklich eine sexuelle Befriedigung, wenn mir, nach einer Zeitreise ins 16 Jahrhundert, der inquisitorische Folterknecht das Gluteisen in die Hand drücken würde, um die wimmernde Wehrlose damit zum Geständnis ihrer Hexerei zu pressen?
Und seine Antwort war: „Es macht mich nur im sexuellen Kontext an. Ein Folterkeller wäre für mich kein Ort, um eine Erektion zu kriegen. Ich quäle mit dem Ziel vor Augen, mit der Frau dich ich quäle auch zu schlafen, irgendeine Frau die ich nicht kenne und von der ich vielleicht denken muss, sie sei eine „Verbrecherin“, interessieren mich ja nicht“
Oder überspitzt: „ich mag nur quälen, wen ich auch liebe“
Irgendwann kam dann Sukkubus Antwort dazu und hat mich an eine weiters Puzzleteil erinnert, dass ich schon länger herum liegen hatte, ohne dass es so recht irgendwo hin gepasst hätte: Lange bevor BDSM ein Thema für uns war hatte ich meinen Mann schon gefragt, warum er beim Sex nicht loslassen kann, sich nicht ganz der Leidenschaft „hingeben“ kann, und er sagte, dass ihn das nicht interessiere, dass da kein Reitz für ihn sei, dass er gerne die Kontrolle behalte, selbst wenn er auf dem Rücken liegt muss er den „Takt“ geben können. Meine Erklärung dafür seit der Entdeckung des BDSM: „Er ist halt dominant“ jetzt frage ich mich ist da irgendwo vielleicht nicht doch Angst vor Kontrollverlust?
Ich kenne diese Angst gut, ich habe sehr früh in meiner sexuellen Kariere gelernt, besser wach und kontrolliert zu bleiben, denn wenn mir solche Sätze wie: “ kneif mich in die Brustwarzen“ rausrutschten im Eifer des Gefechts, waren meine damaligen Vanilla-Partner eher entsetzt als angeturnt. Weil ich jetzt wieder lerne loszulassen, habe ich irgendwie das Gefühl, dass es für meinen Mann doch auch so sein müsste, dass er loslassen muss, um wirklich zu genießen, aber vielleicht vergleichen wir da Äpfel mit Birnen liebe Sukkubus? Ich weiß es nicht. Aber zumindest hat er nicht beim Sex erlernt sich kontrollieren zu müssen, das hat er sich entweder schon vorher irgendwo „weggeholt“ oder es ist tatsächlich so, dass er den „Rausch„ nicht braucht und nicht danach verlangt. Nur die Zeit wird es zeigen.
Und dann kam der Beitrag von Lilim, Sub von Schlagfertig.
Über den musste ich erst mal schlafen.
Von außen betrachtet erinnert Dein Verhalten an diese Frauen, die mit einem Alkoholiker zusammen sind, der sie immer wieder krankenhausreif schlägt, zu dem sie aber immer wieder zurück gehen, weil sie ihn lieben und glauben, dass er sie ja auch liebe und dass sie ihn retten könnten, das „bad Boy“-Syndrom. Dass Dir bei dieser Konstellation wohlmeinende Menschen die Adresse des nächsten Frauenhauses raussuchen, kann ich mir lebhaft vorstellen.
Wenn ich die Innenansicht richtig verstehe ist der große Unterschied, dass Dein Mann weiß, was Du ihm da schenkst. Beim ersten Lesen dachte ich, dass mir Dein Erleben unendlich fremd sei, Du sozusagen bestimmt am ganz anderen Ende der „Subskala“ sein musst, als ich. Gut dass ich darüber geschlafen habe.
Ich, von mir aus, habe immer nach zwei Dingen gesucht in der Lust: Einengung, also Bondage und festgehalten werden in allen RegenbogenFarben und Schmerz durch Kneifen oder Abschnürung. Schläge sind in meinen Fantasien niemals vorgekommen.
Wann immer mein Mann früher versucht hat, mich beim Sex auf den Hintern zu hauen habe ich ihm das SOFORT verboten. Klapse auf meinen Hintern in nicht sexbezogenen Situationen (Küche etc.) habe ich ihm irgendwann erlaubt, nach dem wir lange darüber geredet haben, dass es ihm einfach Spass macht und er mich damit bestimmt nicht herabwürdigen wolle. Das war ein wichtiger erster Schritt, so im Nachhinein betrachtet.
Als wir anfingen BDSM zu entdecken habe ich ihn irgendwann gefragt, ob er eigentlich die Fantasie habe, mich zu verhauen und ob diese Versuche immer mal wieder, mir einen Klaps auf den Hintern zu geben daher rührten. Als er das bejaht habe ich ihm also erlaubt, es mal auszuprobieren. Das war ein spannendes Erlebnis für uns beide, dieses „erste mal“.
„Schlagschmerzen“ sagen mir nach wie vor nicht so viel wie „Klemmschmerzen“, aber ich möchte sie auch auf keinen Fall mehr missen, denn es macht mich an, dass es ihn anmacht. Er hat mir da ein Stück aus seiner Fantasie geschenkt, das ich der meinen hinzufügen konnte. Inzwischen finde ich sogar Spanking Szenen in Videos erotisch, über die ich früher immer schnell hinweggespult habe.
Und hier schließt sich der Kreis zu Dir, liebe Angelika, die Du mich fragtest, was mich sicher sein ließe, mehr masochistisch als devot zu sein. Im Moment würde ich sagen ich fang mal von vorne an mit meiner Positions-Bestimmung, denn dank Lilim habe ich wieder ein kleines Stückchen besser verstanden, was devot sein eigentlich heißt, weil sie mir diesen ganzen Wald aus „Erziehung und Bestrafung und Aushalten“ aus dem Weg geräumt hat, damit ich meinen Devotheitsbaum betrachten kann.
Für mich bedeutet es Hingabe, Demut, ein riesiges Zeichen an Liebe ihm gegenüber. Ihm, der bekennender "Sadist" ist.
Da ich halt auch Masochistin bin ist es für mich schwieriger, den eigenen „Genuss am Schmerz“ vom „Aushalten ihm zuliebe“ zu trennen, aber ja, es ist da.Die Buchstaben BDSM sind wohl doch zurecht total ineinander verknäuelt und jeder Versuch, dieses Knäuel zu entwirren hat immer zur Folge, dass man plötzlich mehr Enden in der Hand hat, als man vorher gesehen hat, und die man dann auch noch aufwickeln müsste um weiter zu kommen.
Liebe Grüße von Alre mit einem riesigen Gedanken Wirrwarr im Kopf