Orgasmus(s)
Der Orgasmus... erstrebenswert, ultimativ oder nice-to-have? Warum klammert sich alle Welt so sehr daran, dass ein ausgedehntes Liebesspiel, welches diesen Endpunkt nicht zufolge hat, nicht mehr wirklich zu zählen scheint? Selbst ich als Mann überschreite nach gewisser Zeit und Reizung eine Schwelle, nach der es mir sehr schwerfällt bis unmöglich ist, noch kommen zu können. Aber deshalb empfinde ich das gemeinsame Spiel nicht als unnütz, sondern genieße jeden Moment. Die Jagd nach dem Orgasmus scheint stumpf irgendeine überflüssige Tradition zu sein, so wie einem eingeredet wird, ein Haus zu bauen oder brav alles zu befolgen, was Nachbarn, Chef, etc. von einem erwarten.
Vielleicht sollte man(n) den Höhepunkt auch in Orgas
muss umbenennen...?
Ich will die Schönheit des Moment ja gar nicht bestreiten - egal ob ich ihn habe oder ich merke, wie meine Partnerin anfängt zu beben und ihr Blick bricht. Nur bringt das krampfhafte Erstreben eher Leid als Freud. Mir bricht kein Zacken aus der Krone, wenn einer von beiden nicht kommt (diese Einstellung hätte in meiner damaligen Ehe Mord und Totschlag gegeben). Als dominanter Part sehe ich den Orgasmus aus zweierlei, zur Vanilla-Welt differenzierter Sicht: Erstens ist er ein wunderschönes Mittel, meine Macht über meine Partnerin zu zeigen, sprich: sich einfach das zu nehmen, was ICH in diesem Moment brauche und will (oder ihr als Aufgabe zu geben, entsprechende handwerkliche Fähigkeiten ihrerseits bei mir zielführend einzusetzen). Zweitens ist das Spiel mit der Erregung meiner Partnerin sehr interessant wenn ich ihr ihren Höhepunkt durch Aussetzen der Stimulation einen kurzen Moment vorher entsage (das s. g. Tease&Denial). Natürlich sind in diesem Fall entsprechende Vorkehrungen zu treffen - im Klartext funktioniert das nur sehr gut, wenn meine Partnerin gefesselt ist und sich nicht selbst berühren kann, um ihrer "Qual" ein Ende zu bereiten. Und ich muss dabei einen wirklich sicheren Weg zu ihrem Orgasmus kennen...
... Womit ich eigentlich auch schon (har har!) an dem Punkt bin, meine Beobachtung in puncto Orgasmusproblemen anzubringen: Meiner Erfahrung nach kann das Spiel mit einem definierten Sinnesentzug sehr förderlich sein. Vorweg: Das ist sicherlich kein Allheilmittel, sondern nur ein Tipp. Gefesselt werden Berührungen viel stärker empfunden, vergleichbar mit einem Blinden, dessen Gehör viel besser arbeitet als bei einem Sehenden.
Über die Zeit hinweg sammelte ich die Feedbacks meiner Bondage-Partnerinnen. Sich hinterher über die Gefühle, Empfindungen etc. auszutauschen sehe ich als Pflicht an, zusätzlich interessiert es mich persönlich, was in meinem Gegenüber abging. Eine meiner Bondage-Partnerinnen kam bei unserer ersten Session recht schnell, was für sie sehr überraschend war. Ich hatte ihre Arme auf dem Rücken gefesselt, dazu ihre Oberarme sowie ihre Beine. Sie lag in meinen Armen und meine Hände fuhren über ihren Körper. An ihren empfindlichsten Stellen reichten dann Minutenbruchteile. In unserem Gespräch danach war sie sehr überrascht, weil sie ihren eigenen Angaben nach für gewöhnlich erst bei einem vierten oder fünften Treffen sexueller Art überhaupt die Chance verspürt, einen Orgasmus haben zu können.
Das Schöne am Sinnesentzug, zu dem auch zusätzlich noch die Einschränkung des Sehens (Augenbinde), des Hörens (Geräuschschützer bzw. "Micky-Mäuse") sowie des Sprechens (Knebel) gehören können, ist, dass für den passiven Part die sexuelle Stimulation als deutlich intensiver empfunden wird und die eigene Unsicherheit minimiert wird, weil die Kontrolle in den Händen des aktiven Parts liegt. Wobei der dominante, führende Part ein gewisses Standing einfach vermitteln muss, um glaubwürdig zu wirken und dem passiven Part damit signalisiert wird, sich jetzt einfach fallenlassen zu
müssen, weil es sowieso keinen anderen Ausweg gibt. Sehr unterstützend wirken dabei ebenfalls Worte, mit denen ich Situationen im Kopf meiner Partnerin erzeuge. Nicht vergessen: Der Kopf bzw. das Gehirn ist das größte und effektivste Geschlechtsorgan!
Bei all diesen Varianten darf natürlich die Sicherheit nicht außer acht gelassen werden - gefesselt, geknebelt, mit Augenbinde und Gehörschutz sind Rückmeldungen nicht ganz einfach an seinen Partner abzusetzen. Denn ein "Mmmmmpfh!" kann heißen "Hör jetzt bloß nicht auf und mach gefälligst weiter!", "Wenn Du A....loch nochmal aufhörst mich zu streicheln, haue ich dir eine rein wenn ich mich wieder bewegen kann!" oder auch "Meine Hände sind kalt und taub, Hilfe!". Das gilt es durch individuell vereinbarte Signale abzufangen, z. B. durch einen kleinen Ball, den der/die Passive in der Hand hält und fallenlässt, um das Spiel zu stoppen.
Die Wurzeln dieses Spiels liegen im BDSM-Bereich, aber werden durch Shades Of Grey und ähnliche Publikationen und Berichte heutzutage gottseidank in den für Nichtinvolvierte "sauberen" Bereich überführt. Da bin ich diesem SM-Kitsch-Roman tatsächlich recht dankbar.
Ich hoffe, dass das jetzt nicht "6, setzen, am Thema vorbei" ist, sondern dass der/die eine oder andere Inspirationen für ein paar ekstatische Momente herausfiltern konnte. Würde mich über ein Feedback freuen.