Von einer Phase...
grundsätzlicher Abneigung gegen Pauschalisierungen bin ich zu einem relativ moderatem Umgang übergegangen. Mittlerweile sehe ich einen deutlichen Vorteil von "Vorurteilen" und "Schubladen": Es lebt sich leichter, einfacher und schließlich hat man immer die Möglichkeit seine Meinung zu revidieren oder anzupassen.
Wenn man sich selbst den Anspruch auferlegt tolerant zu sein, permanent verständnisvoll, konstant selbstkritisch... dreht man irgendwann am Rad. Denn wer reflektieren möchte, muss dann auch so konsequent sein und zugeben, dass jede Toleranz Grenzen hat; und zwar die ganz eigenen, persönlichen.
Diejenigen die mit großartiger Toleranz prahlen, empfand ich bisher als besonders unerträglich.
Ich pauschalisiere ja schon, wenn ich in eine Gruppe von neuen Leuten komme. Ich denke vielleicht: "Ah, okay, Tussi mit zu tiefem Ausschnitt, rosa Viecher auf ihrem Top, wasserstoffblonde Haare... schlechtes Make-Up, halb magersüchtig - die ist sowieso dumm wie Brot."
Dagegen kann ich rein emotional gar nichts bewirken - dieser Gedanke entsteht in Sekundenschnelle. Eben der sogenannte erste Eindruck.
Das geht solange in Ordnung, wie ich eben bereit bin, auch wider meiner Erfahrungen diese Kategorisierung umzustülpen.
Dennoch muss ich sagen, dass sich bei Sätzen wie "Mädchen mögen Puppen, Jungs mögen Autos." mir auch der Magen umdreht.
Pauschalisierungen zeugen zwangsläufig von einer bestimmten Haltung zum Weltbild, zu Geschlechterstereotypen etc. pp.
Es mag okay sein, damit zu kokettieren, darüber Späße zu machen, aber bei vielen scheint das keine Pauschalisierung aus eigens eworbener Erfahrung zu sein, sondern schlicht das Wiederholen von Dogmen, die seit der Kindheit gepflegt werden.
So z.B. neulich im Kaufhaus ein kleiner Junge zu mir
(habe auf eine Umkleide gewartet und stand neben ihm):
Er: "Warum dauert das denn so lange?"
Ich: "Na ja, es ist ziemlich voll, da müssen wir warten."
Er: "Jaah, die Mädchen brauchen immer voll viel Zeit.
Meine Schwester hat deswegen auch schonmal den Bus zur Schule verpasst. Die steht immer 12 Stunden und so vor dem Spiegel."
In diesem Stil ging das Gespräch weiter. Und obwohl es aufgrund seines Alters sehr niedlich herüberkam, konnte ich mich nicht des Gedankens erwehren, einen jüngeren Mario Barth vor mir zu haben.