Noch ein Moment...
Da fällt mir noch ein Moment ein...
Ich war im Urlaub, mit dem Postschiff an der norwegischen Küste unterwegs.
Es war kurz nach meinem 20. Geburtstag und ich hatte einen großen Freiheitsdrang in mir, vermutlich im Zuge des Erwachsenwerdens.
Bin einfach mit dem Auto losgefahren, in Kiel aufs Schiff, von dort aus nach Oslo und gleich weiter auf das nächste Schiff.
In diesen Tagen hatte ich viel Zeit zum Nachdenken, hab die Schären gesehen und die Lofoten. Es war einfach eine gute, tiefe Zeit.
In Oslo fuhr ich dann mit dem Auto wieder in die Colorline, die mich über Nacht zurück nach Kiel bringen sollte.
Am diesem Abend lernte ich einen Norweger kennen, der das gleiche tat wie ich: Flüchten vor dem Alltag. Er wollte nach Deutschland übersetzen um dann mit dem Auto bis ins Allgäu zu fahren. Er wollte sich wohl selbst finden, so wie ich mich Tage zuvor in Norwegen.
Er sprach nur schlechtes Englisch, aber Mimik und Gestik erlaubten Gespräche. Oft lachten wir. Vielleicht -oder sicherlich- war er gar nicht mein Typ, zu alt vielleicht, zu vergerbt, vielleicht auch ein wenig verlebt. Ein Bootsmann irgendwie.
Es tat gut, einen Vertrauten zu haben in dieser Fremde nach all der Einsamkeit.
Als die Schiffsbar schloss, standen wir ratlos an der Reling, bis er meine Hand griff und wir in seine Kabine gingen.
Wir haben nicht miteinander geschlafen Irgendwie wussten wir wohl beide, das durch ein hilfloses Herumnesteln an einer Kondomverpackung irgendwie der Zauber verloren gegangen wäre.
Wir küssten uns stundenlang, ich vor allem seinen Hals und seinen Nacken. Manchmal lagen wir auch einfach nur, dann berührten wir uns wieder. Wir kamen beide mehrfach, meist sehr leise.
Eigentlich war es nicht ein einziger kleiner Moment, der so besonders war, sondern diese ganze Nacht. Dieses Gefühl, in dieser Schiffskabine einen neuen Kosmos gebildet zu haben, in dem man unter einer Kuppel einander gibt, wonach man verlangt.
Wir schliefen miteinander ein und morgens ging ich zu meiner Kabine. Wir beide reisten ab an diesem Tag und beim Ausboarden sah ich ihn hinter mir in der Autoschlange. Sein Auto passte zu ihm. Ich sah ihn im Rückspiegel und er erkannte mich anhand meiner Augen im Spiegel. Er lächelte, ich lächelte.
Beim Ausfädeln winkte ich ihm, er machte Lichthupe.
Dann trennten sich unsere Wege.
Jahre später fand er mich bei Facebook. Er schrieb nur einen Satz: "It war great". Ich antwortete: "Yes, it was."
Das war alles. Mehr gab es nicht zu sagen. Alles andere hätte es zerstört.