Ich schon wieder
Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt!
Forrest Gump
Es gab eine Zeit in meinen Leben in der ich sehr intensiv übers Internet kommuniziert habe. Es war eine sehr schöne Zeit, die ich nicht erfahren hätte, wenn es nicht Frauen gegeben hätte, die mir die Schönheit der Internetkommunikation gezeigt hätten. Ich kann zwar nicht bestätigen, dass Frauen kommunikativer als Männer sind, aber sie sind auf alle Fälle die sozialer eingestellten Menschen. Bei den Männer geht es oftmals latent um Besser, Höher, Schneller, Erfolgreicher, etc.. Bei Frauen hat man dagegen oftmals das Gefühl von menschlicher Wärme. Das erzeugt bei mir eine Sehnsucht die durchaus weit vom sexuellen Verlangen entfernt sein kann. Es ist als würden sich zwei Sterne anblinken. Sie sind zu weit voneinander entfernt, um sich gegenseitig wärmen zu können, aber ihr Licht erreicht den andren und sag diesen: Hallo, du bist nicht alleine, ich bin wie du.
Wie hoch ein Vogel auch fliegt, er muss immer wieder zur Erde zurück. Wie hoch eine Welle auch ist, am Strand läuft sie sich tot. Und so ging auch diese schöne Zeit für mich abrupt zu Ende. Die Welle brach, als die Sehnsucht am höchsten war und das sich Bewusst werden des „nicht wärmen können“ um so schwerer wog.
Ich habe nun seit langer Zeit kein Messenger mehr installiert, auch kein Telefoniesoftware und führe auch keine Mitgliedschaft in einer Community. Wenn man einmal etwas einzigartiges Erlebt hat, fehlt ein der Glaube daran, dass es sich noch einmal wiederholen könnte. Allerdings reift in mir das Verlangen eines Neuversuches. Seit damals hat sich das Internet rasant verändert, alles was einst sehr gut funktioniert hat, gibt es heute nicht mehr. Als ich JC durch Zufall fand, keimte in mir die Hoffnung auf ein Neubeginn auf. Das erste was ich erkennen musste war, dass das Internet in der Zwischenzeit kommerzieller geworden ist. Eine so stark eingeschränkte Basismitgliedschaft habe ich bisher noch nirgends erlebt. Die Internetdienstleister haben aus den Platzen der Internetblase gelernt.
In JC irritiert mich, dass die meisten Menschen – Nicht nur die Männer! - ein ganz anderes Verständnis von „sexueller Offenheit“ haben als ich. Ich verstehe unter sexueller Offenheit das man sich Menschen sexuell öffnet, von dem man bereits annehmen kann, dass die Gemeinsamkeiten nicht reichen werden um eine dauerhafte Beziehung eingehen zu können. Hier habe ich den Eindruck, viele Menschen glauben sexuelle Offenheit bestünde darin, sich nicht mehr um den Anderen bemühen zu müssen. So als wäre es nicht mehr wichtig den Anderen zu erkennen. Man hat Sex und das wars. Aber diese Art von befreiten Sex ist eine Verarmung. Sie macht den Sex nicht nur beliebiger, sondern beraubt einen um den tieferen Genuß. Unser Alltag ist so mit sexuellen Reizen überflutet, das es den Anschein erweckt, Sex wäre eine Dienstleistung die man erbringt muss und in Anspruch nehmen kann. Dabei wird vergessen, das ein sexuelles Erlebnis erst dadurch wertvoll wird, das man jemand gefunden hat der einen begehrt, nachdem er oder sie näher hingeschaut hat. Man kann sich beliebig viele erotische Bilder und Videos downloaden, mit Darstellern die so sexy sind, das kaum ein realer Mensch da mithalten könnte. Aber was immer wir zu sehen bekommen, es sind keine Menschen, sondern nur deren Abbilder. Nur indem wir uns um einen Menschen bemühen und ihn damit für uns begehrlich machen, können wir Sex haben, der weit weg von der üblichen Selbstbefriedigung ist.
Was an, zwar zeitlich begrenzter, aber trotzdem tief empfundener Zuneigung möglich ist, würde ich gerne anhand einer meiner sexuellen Erfahrungen zeigen, aber ich glaube das kommt hier nicht so gut an. Ich möchte den geneigten Leser deshalb, mitten im Frühling eine Weihnachtsgeschichte erzählen. Zum Bild der blinkenden Sterne passt das ganz gut. Wer nicht erkennt, was diese völlig unerotische Geschichte mit JC zu tun hat, braucht sich keine weiteren Gedanken darüber machen, denn es liegt einfach daran, dass wir zu verschieden sind, um uns verstehen zu können.
Otto war ein von Anfang an schwieriger Kommunikationspartner. Die einzelnen Sätze tröpfelten sehr langsam herein. Man wusste nie ob die Verbindung abgebrochen war oder ob er noch Zeit zum Schreiben brauchte. Was ankam waren nicht wirklich Sätze und bedurfte schon fast die Kunst der Hieroglyphen Entzifferung. Trotz intensiver Bemühung musste ich vieles nachfragen. Wenn man weiß, das die nächste Antwort mehr als eine Minute dauern und mehr Fragen aufwerfen als beantworten wird, dann ist das schon eine sehr nerviges Geduldspiel. Warum er dann auch noch ziemlich schnell um ein Bildtausch bat, war mir ein weiteres Rätsel.
Ich hatte ein Bild von mir parat liegen, weil auch jede Frau sehr schnell danach fragt. Es war eins der wenigen Bilder auf den ich mich akzeptabel abgebildet fand. Als sein Bild bei mir ankam verschlug es mir dem Atem. Er war nicht nur hässlich, er war regelrecht gruselig! Vom grellen Blitzlicht in einen dunklen Raum getroffen, stand da eine Gestalt die allen Grund haben könnte das Tageslicht zu scheuen. Ein fast kahler Schädel eines alten Mannes, der auch zu einer Mumie gehören könnte. Seine dürre Gestalt, halb seitlich der Kamera zugewandt, war von einen riesigen Buckel verunziert, der bis auf Schulterhöhe reichte. Er trug eine einfache ländliche Kleidung, die wohl schon vor 100 Jahren in seiner Heimatgegend üblich war. Ich fragte mich warum er mir dieses Bild unbedingt zeigen wollte. Der einzige Grund der mir einfiel war, dass er wollte, dass ich weiß wie er aussieht. Er wollte sich nicht mit jemanden anfreunden, auch nicht übers Internet, der damit nicht klar kommt. Sicher wurde er in seinem Leben schon sehr oft wegen seinen Aussehen gedemütigt.
Er war nicht alleine abgebildet. In seinen Armen hielt er einen kleinen Jungen, der laut seiner Beschreibung sein zwei Jahre alter Neffe war. Das Kind war ihn zugewandt und lachte ihn ins Gesicht. Für das Kind war er nicht hässlich und wenn doch, dann störte es sich offensichtlich nicht daran. Warum können wir Erwachsenen nicht ein bisschen mehr wie Kinder sein? Ich konnte nichts nettes über sein aussehen zurückschreiben, es wäre zu offensichtlich eine Lüge gewesen. Ich schrieb deshalb etwas nettes über den kleinen Jungen.
Otto blieb mir treu. So nach und nach erfuhr ich immer mehr von ihn. Er lebte auf einem Bauerngehöft, irgendwo in der schönen Berglandschaft der Schweiz. Er arbeitete in einen Museum als Aufseher. Unser Chat muss ein großen Platz in seiner Gedankenwelt eingenommen haben, denn wenn er sich am nächsten Abend wieder bei mir meldete, dann so als hätten wir unser Gespräch nie unterbrochen, als wären wir zwei die einzigen Menschen ohne Kontakt zu anderen. Für mich traf das nicht zu. Wenn der Messenger mir anzeigte, dass meine Favoritin Online gegangen war, dann richteten sich alle Sinne nur noch auf sie. Wir Männer sind ja bekannt dafür, dass wir schlecht mehrere Sachen gleichzeitig machen können. Ich glaube wenn wir Männer eine Frau umwerben, dann trifft das besonders zu. Selbst der quälend langsam verlaufende Chat mit Otto störte mich bei meinen Bemühen um sie. Als er eine kompliziert zu beantwortende Frage zur PC-Administration stellte, fertigte ich ihn mit einer Vertröstung auf spätere Beantwortung ab. Er verabschiedete sich, wie ich fand, sehr traurig.
Um es wieder gut zu machen, nahm ich mir mehrere Stunden Zeit seine Frage zu beantworten. Wie erwartet konnte er meine Beschreibung nicht umsetzen. Er konnte sich nicht in die Bedienung eine Software hineindenken. Der auf ein Minimum reduzierte Umgang mit den Messenger war das höchste was er erreichte, so sehr ich mich auch bemühte. Dazu kam, das er immer wieder nachfragte ob er mich auch nicht störe. Das Wissen, dass ich nicht so einsam war wie er, machte ihn sichtbar zu schaffen. Er meldete sich seit diesem Tag immer spärlicher.
Die Zeit ging dahin und es kam der 24. Dezember. Im Leben eines Alleinstehenden ist das kein schöner Tag. Es sei den die 40 scheint noch weit entfernt. Egal wie sehr man das freie und ungebundene Leben liebt, um so älter man wird, um so unerbittlicher wird man Jahr für Jahr daran erinnert, dass man einen Preis dafür zu zahlen hat. Es ist das Fest der Liebe. Man ist voller Liebe, aber es ist keiner da der sie haben will. Keine Kinder die zu ihren Papa aufschauen. Keine Frau die sich ein in die Arme legt. Als ich meinen Computer einschaltete, zeigte der Messenger mir dem Empfang einer Nachricht. Es war Otto, aber so wie ich ihn noch nicht kennen gelernt hatte. Er schrieb mir einen langen Brief den man ansah, das er jedes Wort mit Bedacht und Sorgfalt niedergeschrieben hatte. Beim Lesen begriff ich, dass keine meiner Fragen an ihn verloren gegangen war. Er war nur zu langsam um sie über den Chat beantworten zu können. In diesen Brief holte er das nach. Was ich las ließ mir das Herz aufgehen. Es war die Geschichte eines einfachen, alten Mannes, der sein Land, die Natur und die drin lebenden Menschen liebt. Er hat wahrscheinlich jeden einzelnen Buchstaben auf der Tastatur zusammengesucht, beseelt von den Gedanken, sich eine Menschen da draußen mitteilen zu können. Das ich derjenige war, hat mich tief berührt. Er beendete seinen Brief mit einer genauen Beschreibung des Weihnachtsfestes. Was es zu Essen geben wird. Wie die Tafel gedeckt sein wird. Wie die Menschen sich in ihre Trachten kleiden. Wie die Laternen im Dunklen weit sichtbar leuchten, wenn die Menschen über den Berghang zur Kirche ziehen. Wie sie mit Orgelmusik und Gesang die Geburt Christi feiern. Es war als könnte ich es mit seinen Augen sehen, als wäre ich dabei. Die Bilder erfüllten mich mit ein Gefühl von Frieden. Es war als hätte sich Milliarden glitzernde Eiskristalle lautlos hernieder gesenkt und all meine Sorgen und Traurigkeit zugedeckt.
Um abschließend endlich den Bogen zum Thread-Thema zu spannen: Frauen haben es in jeder Hinsicht leichter die 1. Email zu schreiben. Die Anonymität schützt sie vor zu starker Zudringlichkeit und da alle wissen warum wir in einem Forum der „stilvollen Erotik“ sind, braucht sie sich am Anfang auch nicht zu weit herauslehnen. Worauf sie aber keinesfalls verzichten sollte, ist das sie sich mit den Mann ihrer Wahl gleich stellt. Wer Achtung, Respekt und Bemühen einfordert muss dies auch bieten können.
Hier noch schnell ein wahrhaft ekstatischer Song: MyV.de/watch/1252470. Schaut euch den unerwiderten Kuss am Ende des Videos an. Findet ihr nicht auch - Ein Versuch ist es allemal Wert!