Spannend.....
Eine sehr interessante Diskussion, die HaPe da anstößt.
Obwohl man darüber vermutlich Stunden über Stunden diskutieren könnte oder ganze Bücher füllen könnte, beteilige ich mich gern daran.
Dem Wesen eines Internetforums folgend, versuche ich mich mal kurz zu fassen, obwohl ich das bestimmt nicht schaffe.
Meine Gedanken dazu beziehen sich nicht auf die kommerzielle Auftragsfotografie in den jeweiligen Sparten, denn hier sind Zeit, Ergebnis, Qualitätskontrolle und Kosten zu priorisieren.
Mir geht es in meinen Ausführungen um die experimentelle oder auch Projektfotografie.
Mir gefällt sehr gut, wie HaPe seinen Weg beschreibt und aber auch nach dem Sinn in der Arbeitsweise des anderen fragt.
In einigen Punkten seiner Ausführungen stimme ich HaPe voll zu, aber dann unterscheiden sich unsere Auffassungen doch erheblich.
An HaPes Fragestellung zeigt sich auch das Dilemma, das der Fotografie und der Malerei innewohnt.
Die Frage wann eine Fotografie gut oder schlecht, richtig oder falsch ist?
Andreas Feininger führte dazu in den sechziger Jahren aus, dass seiner Auffassung nach ein Foto nur dann gut ist, wenn es eine emotionale (egal ob positive oder negative) Reaktion hervorruft.
Bleibt diese Reaktion aus, ist es lediglich ein möglicherweise "schönes Foto", das aber belanglos ist und zehn Minuten später vergessen ist.
Aber was löst in der Personenfotografie eine emotionale Reaktion beim Betrachter aus?
Sind es die "stereotypen Zerrbilder" der Glamour / Beauty Fotografie?
Für mich sind diese Bilder mittlerweile - etwas satirisch angemerkt -, die moderne surrealistische Fotografie, denn sie hat nichts mit der Realität zu tun.
Gleichwohl sind sie für die abgebildete Person schön und beruhigend, denn sie entsprechen ihrem Wunschdenken davon wie sie gern einmal aussehen würde. Insofern erfüllen sie ihren Zweck und haben natürlich ebenso ihre Berechtigung wie alle anderen Formen der Fotografie.
Ich selbst mag Glamour / Beauty als Sparte der Personenfotografie nicht wirklich, denn für mich entspricht sie oft der langweiligen Trivialität des Strebens nach Schönheit und Vollkommenheit an der Oberfläche mit ihren perfekt bearbeiteten und fotografisch genauestens ausgearbeiteten Bildern.
Auffallend dabei ist,
• lieber HaPe damit meine ich jetzt nicht Dich und bitte verstehe das nicht als Angriff gegen Dich –
dass insbesondere viele Glamour / Beauty Fotografen den anderen Personenfotografen immer wieder erzählen wollen, was ein gutes Bild ist.
Und nur allzu oft verweisen sie dann auf ihre retuschierten stereotypen Fotografien in denen dann alles aber auch alles „richtig toll“ ist.
Von der Durchzeichnung der Schatten und Haare und dem Nichtvorhandensein jeglicher Glanzstellen und so weiter.
Zumeist ist dann auf den Fotografien eine Person zu sehen, die eine Standardpose imitierend maskenhaft verkrampft in die Kamera starrt und oft „zwei Kilo Softfilter“ über dem Gesicht hat.
Und dann erzählen sie einem alles über ihre Technik, die Aufnahmesituation, Beleuchtungsset und wie perfekt das doch alles ist.
Ich freue mich dann auch immer wieder für sie, wundere mich aber gleichzeitig darüber, wie die meisten dann unisono behaupten, dass das der richtige Weg in der Personenfotografie ist.
Und alles andere – wie Lochkamerafotografie – falsch ist, weil technisch unvollkommen.
Diese Absolutheit grenzt für mich schon immer an Intoleranz.
Ich denke, dass diese Absolutheit aus einer etwas einseitigen Beschäftigung mit der Fotografie kommt.
Einer Beschäftigung in der die Technik die primäre Bedeutung hat.
Ausdruck, Emotionalität und Experimente spielen eine eher sekundäre Rolle.
Für mich waren zu diesen Themen die Texte von z. B. Andreas Feininger, Susan Sontag und Roland Barthes richtungsweisend.
Feininger beschreibt es in seinem Buch „Farbfotolehre“ am griffigsten.
Sinngemäß schreibt er, dass die Technik naturgemäß fotografisch wichtig ist, aber der Fotograf nur das fotografieren soll, was ihn interessiert. Das wofür er brennt und dabei soll er auch neue oder ungewöhnliche Wege ausprobieren.
Sehend schöpferisch tätig sein. Nicht andere imitieren und ihre Fotografien nachahmen wollen. Sondern selbst interpretieren.
Dabei ist es für ihn unwichtig, welche Mittel eingesetzt werden, solange sie nicht plakativ sind.
Der Absicht und dem Zweck des Bildes folgend soll es ausdrucksstark sein.
Aber was ist nun der Ausdruck, den er von den Fotografen einfordert.
Roland Barthes schrieb dazu sinngemäß in seinem Buch "Die helle Kammer"
„Der Ausdruck ist dieses Unerhörte, das vom Körper zur Seele führt. Auf einem ausdrucksstarken Foto scheint die Person nicht von sich selbst getrennt, Sie scheint eins mit sich selbst zu sein."
Und um das zu erreichen, ist es egal welche Kamera und welches Objektiv benutzt wird.
Problematisch ist es dann später, wenn es um die Veröffentlichung oder Ausstellung geht, bei der größere Abzüge oder Ausdrucke entstehen sollen.
Da stimme ich HaPe zum Thema Qualitätssicherung wiederum zu.
Wenn das Ausgangsmaterial qualitativ nicht wirklich gut ist, sind da die Grenzen gesetzt.
Wie gesagt, ein Thema über das man stundenlang in seinen ganzen Facetten diskutieren könnte.
Vielleicht kann man es kurz auf einen Nenner bringen, indem man es im Sinne von Feininger sagt.
Fotografie soll primär Freude bereiten und darauf kommt es an.
Auch wenn man mit seinen Fotografien in einer der vielen Sparten nicht den Geschmack aller oder auch nur weniger trifft, ist das kein Anzeichen für „Richtig oder Falsch“.
Entscheidend darin ist, dass man Bock darauf hatte. Spaß auch am Experiment hat.
Und man kann sich sicher sein dass es andere gibt, die diese Form von Fotografien mögen.
Ich denke die Freude an der Fotografie, das Finden eines eigenen Stils und die Erschaffung eigener Bilderwelten ist die Essenz der Beschäftigung mit der experimentellen und projektorientierten Fotografie.
Es gibt kein Richtig oder Falsch, vielmehr ein „Gefällt mir“, „Gefällt mir nicht“, „Ist für mich ausdrucksstark“ oder „Für mich nicht ausdrucksstark“.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Arbeit von Edward Steichen, der in seiner Zeit bei Conde de Nast sowohl von Alfred Stieglitz, als Vertreter der damaligen künstlerischen Fotografie, und auch von den damaligen Vertretern der „Neuen Sachlichkeit“ ob seiner für die Vogue und Vanitiy Fair entwickelten Bildersprache angegriffen und kritisiert wurde.
Beide Lager meinten aus ihrer Sicht, dass seine Bilder nicht richtig oder auch falsch sind, da sie einerseits zu kommerziell seien andererseits u. a. Schatten in den Gesichtern der Modelle zu sehen sind.
Keines der beiden Lager hatte recht, denn Millionen von Lesern fanden Steichens Fotografien über Jahrzehnte gut und haben sie geliebt.
Wie gesagt, es gibt in der Fotografie kein richtig oder falsch.
Zumindest nicht absolut!
@**Pe: danke dass Du diese Diskussion angestoßen hast. Es macht Spaß sich wiedermal damit auseinander zu setzen.
Viele Grüße
Alex