Ohne Worte
Ohne WorteDa sitzen sie. Immer zwei und zwei. Schön dicht beieinander. Es finden leise Unterhaltungen statt. Fast schon andächtig. Leise Musik läuft im Hintergrund. Ein einzelner Herr geht gemächlich an der Bar vorbei und lässt seinen Blick durch den Raum schweifen. Von den Zweiergrüppchen wird er nahezu ganz ignoriert. Ihre Blicke sind mehrheitlich auf Ihre Begleitung gerichtet. Aber zwischendurch kann man immer wieder beobachten, wie die Blicke den eigenen Bereich verlassen und zu einem anderen Grüppchen wandern. Verträumt, sehnsüchtig wirken dabei die einen, andere schon fast eine Spur gierig.
Aber nie zu lange darf so ein Blickkontakt dauern. Fast als bestünde ein klares Regelwerk. Das Geschehen hält nun schon eine ganze Weile an. Hin und wieder verlässt ein Paar den Raum. Das ist der Moment, wo es auf einen Schlag alle Blicke der Anwesenden auf sich vereint. Ein anderes Paar setzt sich auf den freigewordenen Platz und übernimmt nahtlos die Rolle der Vorgänger.
Ein Paar bricht mit dem Ritual. Kurz nach dem Betreten des Raumes geht es direkt auf ein anderes Pärchen zu und spricht es an. Endlich! Aber nein, es scheint, die vier kennen sich schon länger. Sicher vom Bowling- oder Skatclub. Immer weniger scheint die Vorstellung möglich zu sein, dass sich hier auch jemand kennen lernt.
Die Unterhaltungen in den Grüppchen gehen weiter. Die Blicke schweifen umher. Plötzlich, nach einem kurzen Augenblick der Unaufmerksamkeit ist der Raum wie leer gefegt. Nur ein paar halbvolle Gläser zeugen davon, dass eben noch zwanzig Gäste hier sassen. Ein Gong, der zum Essen rief, war nicht zu hören und ein Blick auf die Uhr macht schnell klar, dass das nicht der Grund sein konnte.
Ein paar Räume weiter lüftet sich das Geheimnis. Die Szenerie ist kaum anders als zuvor. Die Grüppchen sind unverändert. An einer mit Löchern durchsiebten Wand stehen sie jetzt dicht an dicht zusammen. Blicke wandern kaum mehr. Dafür ist es zu dunkel. Sie wurden durch Hände ersetzt die hier und dort ausbrechen, um ein anderes Paar auch mit anderen Sinnen wahrzunehmen.
Nach und nach wechselt ein Paar, manchmal auch ein Vierergrüppchen auf die anderen Seite der Wand und die Szenerie wird zu einer ganz Anderen. Worte werden von leisen Seufzern abgelöst. Aus den kleinen Grüppchen ist eine geworden. Wer eben noch mit wem an der Bar sass, ist nicht mehr so genau zu eruieren.
Wenig später suchen eine Frau und ein Mann nach den wenigen Kleidern, die Sie beim betreten des Raums noch an sich trugen und verschwinden leise aus der grossen Gruppe. Ein Paar nach dem anderen verlässt den Raum wieder. Fast als wäre die Reihenfolge irgendwo festgeschrieben. Auch die Vierergrüppchen haben sich wieder getrennt und schlendern mit ein paar wenigen Textilien in Richtung der Duschen.
Bald darauf ist alles wieder wie beim alten. Schön ordentlich sitzt jedes Paar auf Ihren vorherigen Plätzen. Es wird der Durst gelöscht, leise geplaudert und die Blicke haben ihre Wanderschaft wieder aufgenommen. Nur etwas klarer fokussiert als zuvor.
Später, als sich das ganze Szenario noch mehrfach wiederholt hatte, verlassen wir den Club. Zufrieden und müde machen wir uns auf den Heimweg. Das eine Paar war schon sehr ansprechend. Er war so zärtlich und aufmerksam, ergänzt sie. Ja, aufregend! Wir hätten ihnen unsere Nummer bestimmt gegeben. Wenn Sie uns nur danach gefragt hätten!