Das Kreuz der kulturellen Prägung
Nur wenige Leute schaffen es, eine kritische Distanz von ihrer eigenen kulturellen Prägung zu gewinnen und solche anerzogenen Reaktionen nicht als naturgegeben hinzunehmen:
Schon von Kindesbeinen an wird uns eingebläut, dass Monogamie die einzige Form des Zusammenlebens sei, und dass ein neuer Partner grundsätzlich das Ende der eigenen Beziehung darstelle, da immer nur eine Person zur selben Zeit geliebt werden könne.
Von den frühesten Märchen, die uns im Kleinkinderalter erzählt werden, bis hin zu Kinofilmen und Serien, die wir als Erwachsene anschauen wird diese Botschaft immer und immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt.
Dabei ist die Monogamie keinesfalls die naturgegebene oder auch nur am weitesten verbreitete Form der Beziehung: weniger als 20% aller Kulturen praktizieren tatsächlich strikte Monogamie, und selbst in diesen Kreisen finden jenseits des gesellschaftlich akzeptierten Rahmens Übertretungen statt. Darüber hinaus sind die historischen Wurzeln der Ehe auch keinesfalls so romantisch, wie wir uns das heute meist vorstellen: über weite Teile der Geschichte hinweg wurden Frauen im Kontext der Ehe wie eine Ware gehandelt, die vom Besitz des Vaters (oder eines noch lebenden männlichen Familienmitglieds) direkt in jenen des Ehemannes überging.
Eifersucht ist letzten Endes Verlustangst - und in Anbetracht der Tatsache, dass die meisten Menschen tatsächlich glauben, sie könnten nur eine Person gleichzeitig lieben, bzw. müssten einen Partner erst "erobern" und zur Trennung bringen, um eine "richtige" Beziehung haben zu können, leider auch nicht ganz unberechtigt.
Aber Fakt ist: es muss nicht so sein.
Liebe ist kein Mangelgut, das man nur einer einzigen Person gleichzeitig entgegenbringen kann. Monogamie ist kein Naturgesetz, sondern eine gesellschaftliche Norm, die noch tief im patriarchalen Denken des Agrarzeitalters verwurzelt ist.
Wir sollten alle an uns arbeiten, um diesen kulturgeschichtlichen Ballast lostzuwerden - selbst dann, wenn wir dann letztendlich doch eine "traditionelle" Zweierbeziehung führen: denn das Schreckgespenst der Eifersucht abzulegen, und sich die eigenen Gefühle grundsätzlich eingestehen zu können, kann so manche Tragödie verhindern.
Denn was das klassische "Fremdgehen" so fatal macht, ist ja keinesfalls das Vorhandensein eines anderen Partners, sondern der Betrug, das Untergraben des Vertrauens, der stille Verrat an den Gefühlen des anderen.