Vielleicht ist das "Abholen" in bestimmten Fällen ein unglücklich gewählter Begriff.
Das vermute ich auch ...
Und danke für Deine Gedanken, Erläuterungen und Anmerkungen dazu, die wie immer lesenswert und bereichernd sind!
Ich bin dennoch sehr energisch dafür, die Verantwortung bei jedem selbst zu lassen, auch dafür, auf welcher Ebene oder in welchem Lebensabschnitt er sich gerade befindet oder in welchem Tempo er sich entwickelt.. Wer bin ich, jemanden in der Weise zu "bevormunden", dass ich ihn sozusagen ab und zu mir hole?
Dagegen freue ich mich, wenn sich jemand Mühe gibt, auf "meine Ebene" zu kommen, wenn er das möchte. Ich werde mich aber nicht auf seine Ebene begeben. Und so handhabe ich das auch in meiner Arbeit, auch mit körperlich oder geistig behinderten Menschen. Und stets zu ihrem Wohle, wie mir immer wieder bestätigt wird und wie ich ja auch selbst beobachten kann.
Ich bin nicht dafür verantwortlich, jemanden zu mir zu holen; er ist dafür verantwortlich, zu mir zu kommen. Wenn jemand zu mir will, soll er sich Mühe geben und notfalls einiges dazulernen. (Übrigens ist das auch eine übliche und erfolgreiche Methode von zahlreichen Lehrern und Weisen im buddhistischen Bereich ...)
Um es an einem alltäglichen und jedem bekannten Beispiel zu verdeutlichen, was ich meine (und was sehr gut in dem genialen Buch
"Auf der Suche nach dem verlorenen Glück" von J. Liedloff beschrieben ist):
Als mein Sohn das Laufen lernte, hat er es nicht dadurch gelernt, dass ich ihn immer "abgeholt", also an die Hand genommen oder ihn gar zu mir getragen habe, sondern dass ich ein paar Meter entfernt von ihm meine Arme ausgebreitet habe (wie es wohl die meisten Eltern machen), um ihn zu mir zu locken. Er ist dabei einige Male auf die Schnauze gefallen, meistens konnte ich ihn gerade noch auffangen - aber nach und nach hat er es geschafft, von sich aus zu mir zu "wackeln". Und so hat er das Laufen in eigener Verantwortung gelernt: am nächsten Tag noch zwei Schritte mehr, am übernächsten noch mehr und so weiter - bis er eben ganz allein laufen konnte.
Es gibt Eltern, die ihre Kinder in diesem Alter aus Angst oder aus Überbehütung das niemals so lernen lassen würden. Und sich wundern, warum ihr Kind das Laufen nicht so richtig lernen mag. Aus meiner persönlichen und beruflichen Sicht ist das ein verständlicher, aber eben auch ein falscher Weg. Ich lasse die Verantwortung für sein Leben und Handeln stets beim anderen, so wie ich auch für mich jegliche Verantwortung für meine eigenes Tun und Sein übernehme.
(Der Antaghar)