Pure Freude
in vorweihnachtlicher Zeit, wenn ich sehe, mit welchem Interesse und welcher "Leidenschaft" über juristische Themen diskutiert wird. Bevor einige insoweit den puren Sarkasmus vermuten, dass ist mir durchaus Ernst gemeint.Ich hatte meine Sicht der Dinge zum Fall Ackermann/Esser zu bereits geschildert, wenn man die Diskussionen in der Fachliteratur verfolgt hat, konnte die Einstellung eigentlich nicht so wirklich verwundern, weil die Meinungen einfach zu sehr auseinandergingen, ob sich speziell Ackermann - bei Esser kann man sicherlich anderer Meinung sein - überhaupt strafbar gemacht hat. Ich denke, dass zwei unjuristische Aspekte sicherlich eine Rolle gespielt haben:
1. Ackermann hat die Abfingung zugunsten von Esser abgenickt, sich ergo insoweit nicht selbst bereicht.
2. Das Ausland hat den Prozeß aufmerksam verfolgt und insbesondere die Inverstoren aus dem anglo-amerikanischen Raum haben hier Befürchtungen gehabt, dass das, was bei Ihnen seit Jahren Gang und Gebe ist, also die extreme Kopplung der Vergütung an den Erfolg, gekippt wird.
Zumindest hat der Prozeß den angenehmen Nebeneffekt, dass die Tagessatzhöhen voraussichhtlich steigen werden. Im übrigen kann ich mich nicht erinnern, dass in Deutschland die Steuerhinterziehung Boris Beckers mit dem offensichtlichen Deal Seitens der Staatsanwaltsschaft auf solchen Widerspruch in der Öffentlichkeit gestoßen ist. Ebensowenig wie die abstruse Urteilsbegründung zugunsten des Ein-Noten-Wunders Dieter Bohlen, es sei bekannt das "Dieddddder" duzen würde, also keine Strafbarkeit begründet sei, wenn die Sonnenbankleiche einen Polizisten duzt. So einen Freispruch wird niemand in einem vergleichbaren Fall ernten.
Ich wage zu behaupten, dass es keine "gerechten" Urteile geben wird. Das nicht nur deshalb, weil Richter Menschen sind und den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum unterschiedlich anwenden, sondern weil ein und der gleiche Sachverhalt ganz einfach von jedem unterschiedlich beurteilt wird. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein 23-jähriger hat als Heranwachsender mehrere "kleinere" Diebstähle, Körperverletzungen, Raub etc. begangen, Jugendsünden halt, die leider immer häufiger werden. Die Urteile? Erst Verwarnung, Sozialstunden, Arrest, Freiheitsstrafe mit Bewährung. Dann braucht seine Familie Geld, er überfällt mit einer Spielzuegpistole eine Bank und wird geschnappt. Urteil? 3,5 Jahre ohne Bewährung. Er bricht in Tränen aus, weil er jetzt zum ersten Mal realisiert (er muss sich zum ersten Mal "Setzen"), dass er auf einem falschen Weg geht. Zurück bleiben draußen Frau und ein 1-jähriges Kind. Eine Gefährdung der Bankangestellten hat zu keinem Zeitpunkt bestanden. Ist das Urteil gerecht?
Für diejenigen, die mit nein antworten: Ich habe einen Mandanten, der als Schalterbeamter zwei Mal mit Waffen überfallen wurde, einmal dabei zusammengeschlagen wurde. Er ist seit dem berufsunfähig, wenn man ihn heute von hinten antippt, bekommt er jedesmal eine kleinen Zusammenbruch. Wie soll er eine erneute Bewährungsstrafe verstehen können?