@*****har
Natürlich sind Ursache und Wirkung zwei verschiedene Dinge. Aber sie können zusammenhängen: Werfe ich einen Stein in einen See, der dort dann Wellen erzeugt, ist der Steinwurf nur ein Steinwurf, und die Wellen sind eben Wellen - und dennoch hat der Stein bzw. mein Werfen damit die Wellen erzeugt bzw. verursacht.
Es handelt sich hier aber um ein Naturphänomen, bei dem du es auch nur mit zwei eindeutigen Variablen zu tun hast. Das passt nicht so wirklich zu menschlichen Handlungen. Die Wellen könnten z.B. sich um eine Trauerweide herum bewegen. Daran ist aber jetzt nicht der Steinwurf schuld. Das liegt daran, dass du es hier nun mit einem weiteren Faktor zu tun hast, nämlich mit einem Baum, der die Wellen abbremst.
Und bei den Ereignissen, die einem Menschen passieren können, ist es keineswegs nur eine Ursache (eigene Handlung) und eine Wirkung (Ereignis, welches mir von Anderen widerfährt), sondern es kommen auch noch die Handlungen der Anderen als Ursache hinzu. Von daher wäre diese Situation eher mit zwei Steinwürfen zu vergleichen. Beide verursachen Wellen, die dann beim Aufeinandertreffen miteinander reagieren und sich gegenseitig abbremsen. Wer ist nun für dieses Abbremsen verantwortlich? Der eine Stein oder der andere?
Dass eine gewalttätige Handlung indirekt (!!!) von einer anderen Person als der gewalttätigen ausgelöst worden sein kann, will ich auch nicht bestreiten. Denn so 100%ig kann man die Handlungen auch nicht isolieren, sondern sie befinden sich ständig in Interaktion miteinander. Aber gerade deshalb kann man a priori nicht bestimmen, wer nun an einem ihm widerfahrenden Ereignis mit die Schuld trägt oder ob es sich um 100%ige Fremdverantwortung handelt. Das lässt sich nur von Fall zu Fall klären. Wenn eine Person von einer anderen körperlich angegriffen wird und sie wehrt sich gewaltsam, ist der Angreifer indirekt verantwortlich für die Reaktion des Verteidigers.
An dieser Konstellation ändert sich auch nichts, wenn der oder die Angegriffene sich passiv verhält, sich schlagen lässt und hinterher darüber jammert. Der Angreifer und Gewaltsame bleibt eher die Ursache für das Jammern des Opfers, aber nicht umgekehrt. Die Passivität des Opfers führt nicht zu den Gewalttaten des Anderen.
Ansonsten stimme ich mit dem Rest, was du geschrieben hast, überein:
Deshalb ist aber noch lange nicht jede Handlung fremdinduziert, aber möglicherweise eben doch.
Eben! Möglicherweise!!! Aber gerade diese Möglichkeit lässt sich nicht von vorneherein festlegen. Ein Arbeitsloser kann sich selbst durch Missverhalten arbeitslos gemacht haben (Eigenverantwortung), er kann aber auch alles richtig gemacht haben und trotzdem, wegen allgemeiner Konjunkturflaute oder systembedingt, entlassen worden sein.
Ein Opfer einer Gewalttat kann die Gewalt durch eigene Gewalt verursacht haben, sie kann aber auch einfach nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen sein, an dem sich eine gewaltfreudige Bande befand.
Das muss im Einzelfall geklärt und abgewogen werden.
Eben.
Und ich stimme Dir zu: Wenn eine Gang von Hooligans über mich herfällt, ohne dass ich ihnen etwas getan habe, dann bin ich daran sehr wahrscheinlich zu 100% unschuldig. Aber es geht ja auch nicht um die Frage von Schuld und Unschuld, sondern von Ursache und Wirkung.
Nein, es ging eben um die Frage von Schuld und Unschuld, um Verantwortung und Nichtverantwortung für das, was einem zustößt durch die Gesellschaft. Aber das hier gesagt gilt auch für Ursache und Wirkung.
Und da könnte ich immerhin einwenden: Wäre ich ausgerechnet an diesem Tag nicht dummerweise durch die einsame Straße in dieser üblen Gegend gelaufen, wäre ich auch nicht überfallen worden.
Das würde ich aber nicht als Ursache der Gewalttat bezeichnen. Das Verhältnis von Ursache und Wirkung verstehe ich so, dass ein Ereignis tatsächlich ein Anderes auslöst. Und das Spazierengehen in einem bestimmten Stadtteil löst keine Gewalt aus, kann also nicht einmal annähernd eine Teilursache der Gewalt sein. Wäre ich nicht in diesem Stadtteil spazieren gegangen, hätten die Gewalttäter sich jemand anders gesucht, wenn sie denn wirklich Lust auf Gewalt gehabt hätten. Das Opfer dieser Gewalttäter hätte noch nicht einmal ein Spaziergänger sein können. Vielleicht wären sie danach einfach auf eine Person, die dort wohnt, losgegangen etc..
Nichts desto trotz bleibt es zynisch, dem Spaziergänger auch nur einen geringen Teil an Mitschuld für die Gewalt an ihm zu geben.
Aber beides ist verantwortlich dafür, dass sie nicht sieht oder spürt, wen sie sich da wieder mal geangelt hat. Mit etwas weniger "Bildheit" hätte sie rasch gemerkt, dass es der falsche Partner für sie ist, sie wieder nach dem immer gleichen Muster oder "Beuteschema" handelt und wieder auf den gleichen Typ von Mann hereinfällt.
Vollkommen richtig. Nur das gilt ja für jeden Partner, den sie sich geangelt hätte, ob gewalttätig oder nicht. Und ich würde hier nicht von Schuld sprechen, sondern von falscher Reaktion. Denn ob es der falsche Mann ist oder nicht, kann sie erst dann merken, wenn er sich falsch verhält. Und die Frage ist dann nicht, ob sie schuldig daran ist, dass er sich falsch verhält, sondern wie sie auf seine falschen Handlungen reagiert. Wenn eine Frau beispielsweise schon wieder an einen gewalttätigen Typen geraten ist oder an einen, der sie ständig betrügt, dann ist sie nicht der Adressat für die Schuld- oder Ursachenfrage, sondern für die Reaktion auf das Missverhalten des Partners.
Wenn eine Frau also sich nicht von einem gewaltsamen oder fremdgängerischen Mann trennt, dann ist sie nicht mitschuldig an seinem Missverhalten, sondern umgekehrt: sie reagiert falsch. Und
deshalb braucht sie sich nicht zu wundern, wenn sie dann weiter leidet.
Es wäre eine Situation denkbar, in welcher eine Frau einen Mann solange übel provoziert, bis er zuschlägt. Dann haben wir Folgendes: Eine vielleicht unnötige, aber vielleicht verständliche Provokation - für die allein sie verantwortlich ist. Und ein ebenso unnötiges, aber vielleicht verständliches Zuschlagen - für das allein er verantwortlich ist. Das ist unstrittig, wie ich finde. Aber wir haben auch einen Zusammenhang: Hätte sie einfach mal "ihr Maul gehalten", hätte er nicht zugeschlagen.
Das würde ich so nicht sagen. Denn das Gleiche würde ja für jede seiner Reaktionen gelten. Hätte sie ihn nicht provoziert, wäre er nicht fremdgegangen, abgehauen, ins Bett gegangen etc.. Sie ist insofern mitverantwortlich für die Handlung des Partners, als dass sie überhaupt eine Reaktion provoziert hat. Aber das gilt für jede unserer Handlungen.
Ich würde auch sagen, dass Menschen stets miteinander interagieren. Aber ob dieses Prinzip Jammern verbietet?