Rückblende.....
Was bisher geschah:
... die sich mir in den Hals bohrten, wie kalter Stahl tief in meinen Hals eindrangen und sich in mir einen lähmende Grabeskälte ausbreitete. Völlig bewegungslos und unfähig zu handeln konnte ich nur in erstarrtem Zustand mitverfolgen, wie sie all mein Blut aus mir heraussaugte und dafür eisige Leere und Verdammnis hinterlies.
Ewige Finsternis schwante mir, auf immer und ewig gefangen in den Reichen der Untoten, auf immer entsagend den irdischen Genüssen, der Wärme, der Freude, dem Licht und der Zuversicht.
-x-
Doch halt, ganz so widerstandslos wollte ich mein noch junges Leben
nicht hergeben, mich noch nicht, in mein so unausweichlich scheinendes
Schicksal ergeben.
Noch einmal wollte ich all meine Kräfte zusammennehmen, die mit jedem
Tropfen meines Blutes, der ihre Kehle hinab rann, mehr und mehr schwanden.
Unter unglaublichen Mühen schlug ich die Augen auf. Nur schemenhaft
konnte ich das Zimmer, in dem wir uns befanden, wahrnehmen. Meine
Augenlider schienen aus Blei zu sein und ich musste schon meinen ganzen
Willen aufbieten, sie geöffnet zu halten - wie sollte ich in diesem Zustand
nur um mein Leben kämpfen?
Langsam kam meine Sehkraft zurück. Der erste Schock, der mich geradezu
gelähmt hat, wich einer Neugier - was passierte hier eigentlich mit mir?
Und je klarer mein Verstand wurde, desto klarer überblickte ich auch die
Situation in der ich mich befand. Eine bizarre - zweifellos!
Ich befand mich also in dieser Absteige am Haumichwech-Platz, in einem
Zimmer, das schon bessere Tage erlebt hat und, vom Zahn der Zeit nicht
verschont, seinen "rustikalen" Scharm versprühte. Ich war mit einer Frau
hierher gekommen, die ich nur flüchtig kannte. Dabei ist es normalerweise
gar nicht meine Art, mit solchen Zufallsbekanntschaften gleich im Bett
zu landen, aber irgendetwas hatte sie an sich, das auf mich einfach
unwiderstehlich wirkte. War es ihr durchdringender, fast hypnotischer
Blick, der mich sofort gefangen nahm? Ich kann das heute nicht mehr
so genau sagen, aber auf alle Fälle fand ich Gefallen daran, dass eine so
attraktive Frau, so eindeutig und unmissverständlich, Interesse an mir
zeigte und so kamen wir uns schnell näher. Dass ihr Interesse allerdings
meinen "inneren" Werten galt, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar.....
Mein Blut! Das war es, worauf sie es abgesehen hatte.
Ich drehte den Kopf ein wenig und da sah ich sie - halb lag sie, halb
kniete sie auf mir - und sie hatte noch immer dieses rote "Nichts" an,
das mehr entblößte, als es wirklich verdeckte. Ein wirklich hübscher
Anblick, der mich sofort wieder erregt hätte, wären da nicht die
Schmerzen in meinem Hals gewesen, weil sie einige Sekunden zuvor
ihre Eckzähne darin vergraben hatte.
Ganz damit beschäftigt, mein Blut gierig in sich aufzunehmen, bemerkte
sie gar nicht, dass ich wieder zu mir gekommen war.
Sie war von zierlicher Statur und offenbar leicht wie eine Feder, denn
obwohl sie auf mir war, konnte ich ihr Gewicht kaum wahrnehmen.
Mit einem Ruck setzte ich mich auf! Ich war weniger über die Tatsache
erstaunt, dass sie im hohen Bogen von mir flog und auf dem Boden landete,
als über den Umstand, dass ich in meinem Zustand zu einer so kraftvollen
Bewegung überhaupt noch fähig war.
Ihre Überraschung war nur von kurzer Dauer, schnell war sie wieder auf
den Beinen und kam fauchend, wie eine Wildkatze auf mich zu. Ihr
Gesicht war zu einer Fratze geworden, in der sich die Gier nach meinem
Blut widerspiegelte. Eines wurde mir in diesem Moment klar - sie oder ich,
nur einer von uns würde dieses Zimmer lebend verlassen!
Mit einem Hechtsprung flog sie in meine Richtung und nur indem ich
mich mit einer schnellen Bewegung zur Seite rollte, entging ich ihrem
wütenden Angriff. Krachend schlug sie mit dem Kopf gegen die Wand,
an der das Bett stand. Nein, das konnte kein menschliches Wesen sein.
Jeder, der mit solcher Wucht gegen eine massive Wand kracht, wäre
zumindest kurz bewusstlos geworden - sie aber nicht. In Panik sprang
ich aus dem Bett und drückte mich schutzsuchend in eine Ecke.
Ich war in der Falle! Hinter mir die kalten Wände des Zimmers und
zwischen mir und der rettenden Türe, eine Furie mit übermenschlichen
Kräften, die nach meinem Leben trachtet.
Wieder setzte sie zum Sprung an, doch diesmal würde ich ihrem Angriff
nicht ausweichen können. In Todesangst griff ich zu dem einzigen
Gegenstand, der sich in meiner Reichweite befand - einem Schirm.
Als ich schon fast ihren heißen Atem spüren konnte, riss ich ihn hoch
und hielt ihn wie einen Speer, an der Wand hinter mir abstützend, in
ihre Richtung.
Zu spät erkannte sie, in ihrer unbändigen Gier nach Blut, das
Hindernis, welches sich jetzt zwischen uns befand. Mit voller Wucht
stieß sie gegen die Spitze des Schirmes, der abgestützt durch die Wand
keinen Zentimeter nachgab. Mit einem dumpfen Aufschrei des
Erstaunens begleitet, spießte sie sich selber auf. Sekundenlang stand sie
so da, ehe sie mit weit aufgerissenen Augen, steif nach hinten kippte
und regungslos am Boden liegen blieb.....
Kein Zweifel, sie war tot! Der Schirm steckte genau in ihrem Herzen,
kein Mensch überlebt das - und auch kein Vampir.
-x-
Niemand würde mir diese Geschichte je abnehmen. Und so beschloss
ich, nachdem ich mich unbemerkt aus dem Hotel schleichen konnte, die
Stadt umgehend zu verlassen - weg von dem Ort, an dem so unheimliche
Gestalten ihr Unwesen treiben. Auf dem Weg zum Bahnhof schwirren
mir dann tausend Fragen durch den Kopf, doch im Grunde beherrscht mich
nur ein Gedanke: Welch Glück ich doch hatte - "Ich habe überlebt!"
-x-
Es ist dunkel. Kalt. Ich stehe seit Stunden am Bahnhof, starre auf die Gleise. Trotzdem spüre ich die Kälte nicht, die mich immerfort einzunehmen versucht. Zuviel ist passiert. Ich bin glücklich. Fragend. Irritiert. Glücklich! Und trotzdem frage ich mich: wie konnte es zu all dem kommen?
Womit wir wieder beim Anfang wären.....
(Nachzulesen auf Seite 1)
lg raider