Ich finde solche Threads immer wieder auch deshalb interessant, weil sie einen dazu bringen, sich selbst und seinen Standpunkt zu hinterfragen.
Ich bin überzeugt davon, dass es grundsätzlich für beide Geschlechter möglich ist, Sex von Liebe zu trennen. Zu behaupten, "Frauen könnten so etwas generell nicht", ist ein reichlich naives Vorurteil.
Selbstverständlich kann eine Frau einen One-Night-Stand, einen Clubbesuch oder einen privaten Abend zu mehreren genießen aus reinem Spaß an der Lust. Eine Frau kann ebenso rein auf ihr Vergnügen aus sein und wenig Interesse an Charakter oder Lebensgeschichte ihres Sexpartners haben. Herreh, manchmal ist sogar der Name zweitrangig.
Aber:
wenn eine Sexaffäre sich länger hinzieht und man zwangsläufig etwas mehr erfährt vom Partner, wenn man miteinander spricht und auch mal den einen oder anderen innigen Moment miteinander teilt, DANN gerät eine Frau einer Meinung nach schneller in Gefahr. Sie ist weniger willens und/oder in der Lage, ihre Hoffnungen und Träume zu kontrollieren und wenn sie Single ist, dann wird sie irgendwann anfangen, sich Dinge zu wünschen, die über reinen Sex hinausgehen. Das ist fast ein Automatismus.
Tendenziell ist es eher die Frau, die irgendwann anfängt, sich von einer reinen Sexbeziehung abgewertet zu fühlen. Vielleicht, weil das Ego einer Fau nicht so sehr aus sich selbst heraus wächst wie das eines Manes, sondern weil es sehr abhängig davon ist, wie eine Frau sich von außen wahrgenommen fühlt. Da kann sie noch so sehr meinen, sie sei eigentlich mehr wert, aber wenn der Mann nicht bereit ist, mehr als Sex zu geben (oder vielmehr, zu nehmen), wird die Frau sich irgendwann abgewertet vorkommen und benutzt. Selbst dann, wenn sie selbst Spaß am Sex hat.
Ich bin allerdings nicht der Meinung, dass Männer in länger dauernden Affären nie Gefühle entwickeln. Das tun sie. Weil es nämlich nicht nur typisch für eine Frau ist, Gefühle zu entwickeln, wenn man oft Momente voller intimer, inniger Zweisamkeit teilt. Nein, es ist typisch für einen Menschen.
Männer gehen mit der Erkenntnis, in einer Bettbeziehung Gefühle entwickelt zu haben, nur anders um. Ich kannte mal einen, der hat mir immer nur im Suff erzählt, was er wirklich fühlte. Wenn er wieder nüchtern war, hat er behauptet, er würde sich an nichts erinnern...
Männer fürchten viel mehr als Frauen den Kontrollverlust. Sie wollen Dinge klar getrennt und übersichtlich haben. Hier die Ehefrau und die Familie (=Liebe), dort die Affäre (=nur Sex, keine Liebe). Weil: selbstverständlich liebt man immer nur einen Menschen. Nicht mehr als einen. Das würde Chaos und Komplikation bedeuten und dagegen sind Männer allergisch. Weil sie das Gefühl haben, das Chaos nicht beherrschen zu können und Männer beherrschen nun einmal gern.
Selbstverständlich - das ist meine selbst gemachte Erfahrung - kann man sehr tiefe Gefühle für mehr als einen Menschen hegen. Ja, auch Liebe. Denn so viele Gesichter wie die Menschen haben, so viele Gesichter hat auch die Liebe. Ich habe an dieser Erkenntnis nicht lange und kompliziert herumgedacht, es ist einfach das, was ich empfinde.
Der Mut, das auch auszusprechen, hat mir allerdings nie viel Positives eingebracht. Die Aussage der Geliebten, sie hätte Gefühle für ihren Affärenpartner, lässt bei einem Mann sofort sämtliche Alarmglocken schrillen. "Oh Gott, sie hat das böse L-Wort gesagt! Ich muss was tun, ich muss es beenden, ich muss... ich muss weg."
Männer sind ja immer sehr handlungs- und lösungsorientiert. Was schön ist, wenn man die Garage aufgeräumt haben möchte oder das Fahrrad geflickt. Was aber etwas überflüssig ist, wenn es um Geständnisse auf der Gefühlsebene geht. Ein Gefühl darf doch einfach auch mal nur da sein. Einfach im Raum schweben, einfach ein Kompliment sein, das nicht hinterfragt werden muss. Es verlangt nicht nach sofortigen Konsequenzen. Das zu verstehen fällt Männern oft schwerer als Frauen.