Egal, ob man verlassen hat oder verlassen wurde - bevor man etwas loslassen kann, muss man etwas festhalten.
Was für schöne Vorstellungen, Wünsche und Träume hatte man! Ideen vom gemeinsamen Glück, von der Liebe, von einer miteinander gestalteten Zukunft. Gemeinsamkeiten und Ideale, die das Leben bisher strukturiert und zusammengehalten haben.
Wieder alleine und auf mich gestellt und furchtbar traurig, las ich so oft - und bekam es auch ständig gesagt: lass los. Was habe ich diesen Ausspruch gehasst!! Lass los - hey, habt ihr sie noch alle? Ich habe diesen Mann GELIEBT, er war mein Ein und Alles, mein Leben. Ich will ihn zurückhaben und behalten, nicht loslassen.
Und WIE soll das gehen, loslassen, verdammt noch mal? Er ist schließlich kein Gegenstand, den ich fallen lassen kann und gehen. So funktioniert das nicht. Nie.
Nach Wochen und Monaten der Beschäftigung mit ausschließlich diesem Thema war ich es so leid.
Die “Sucht” war so heftig, dass ich das Gefühl hat, ohne diesen Mann nie wieder glücklich werden zu können. Ständig musste ich an ihn denken.
Also begann ich mir mal Gedanken zu machen, WAS GENAU ich an ihm so höllisch vermisse.
Dabei stellte ich etwas Erstaunliches fest. Es ging mir so mies, weil ich das Drama vermisste. Die Beschäftigung mit diesem Mann, das Kümmern um ihn und die Bemühungen, so zu sein, wie er mich haben wollte. Die Auseinandersetzungen und Versöhnungen, Aufregungen und kurze Beruhigungen, Himmel und Hölle direkt nebeneinander. Die Seelenschmerzen, die damit verbunden waren.
Auf einmal war da eine innere Leere, die mich fast wahnsinnig machte.
Aber irgendwann merkte ich - es war gar keine Leere, sondern Ruhe und Frieden, die ich aber garnicht mehr empfinden konnte, weil ich sie garnicht mehr kannte.
Und ich habe mich danach noch eine ganz lange Zeit gegen diese Gefühle gesträubt, dachte, ich kann doch nicht leben ohne diese Anspannung, diesen täglichen Kampf, mit dem ich lange gelebt hatte. Und ohne diesen Menschen, der die Ursache und Auslöser war - ich muss mich doch kümmern ...
Heute, nach 1 1/2 Jahren, genieße ich genau das - ich habe meinen inneren Frieden zurück, meine Mitte, meinen Mut und meine Lebensfreude. Es kostet sehr viel Kraft, die neuen Aufgaben, die man nun hat, anzugehen, denn eigentlich MÖCHTE man ja garnicht ... man will das Alte, Vertraute zurück ... aber wenn man einmal begonnen hat, seinen EIGENEN Weg zu gehen, die ersten Steine beiseite zu räumen und merkt, wie stark und kraftvoll man sein kann ... ja, dann geht es voran.
Nicht sofort in Riesenschritten, nein. Aber kontinuierlich, Schritt für Schritt.
Aber bevor das Eintreten kann, bevor das Gestorbene dem Feuer übergeben werden kann, muss ich verstanden haben, was der Andere und die gemeinsame Welt, alle Träume, Ziele und Gewünschtes und nicht Gelebtes mir bedeuten. Nur in der Auseinandersetzung mit mir und durch meinen ganz persönlichen schwierigen und anstrengenden Weg durch die Traurigkeit hindurch erlange ich meine Freiheit zurück.
Festhalten ist wichtig, bevor mal loslassen kann. Ich habe viele Kladden vollgeschrieben in den 1 1/2 Jahren, in denen ich damit beschäftigt war, meinen Expartner loszulassen.
Jetzt habe ich mein Leben zurück, lebe meinen bunten Alltag mit meinem Beruf, Freunden, Hobbies, Interessen und Leidenschaften. Die Erinnerungen sind natürlich noch da, und manchmal fließt auch immer noch ein Tränchen. Aber das belastet mich nicht mehr. Es darf jetzt gut sein. Es war schön, es war traurig. That's life.