Die Sinne einschränken, um "als Sehender zu lernen"?...
Endlich mal wieder eine interessante Frage als thread...
Ich finde es spannend, diese Diskussion weiterzuverfolgen, finde jedoch, dass bisher ein Punkt noch nicht wirklich mit Gewicht zur Sprache gekommen ist:
Kann es wirklich funktionieren, wenn Du als "Sehender" von heute auf morgen auf einen Deiner Sinne verzichtest, und so erhoffst, dass Deine anderen Sinne quasi "über nacht geschärft werden, sich nicht nur Dein ganzes Wahrnehmungs- sondern insbesondere AUCH Dein Urteilsvermögen ändert? Ich bin da skeptisch...
Als Mann wirft man mir wahrscheinlich sowieso vor den Kopf, dass ich ein sehr visuell geprägter Mensch sei; wenigstens in Teilen will ich das bestätigen- bei Frauen achte ich schon sehr auf ihr Gesicht, und wer da in irgendeiner Weise nett ausschaut, zieht auch automatisch den einen oder anderen Blick von mir auf sich. Wenigstens Seitenblicke...
Interessanterweise gibt es ein paar meiner Exfreundinnen, zu denen ich entweder in der Kennenlernphase oder gar noch VOR dem ersten Sehen sehr lange telefonisch Kontakt hatte, bis es später einmal gefunkt hat. Und ich erinnere mich noch sehr genau an die Stimme meiner allerersten Freundin (Fernbeziehung, ergo auch eine "telefonisch geprägte"...) am Telefon, bin mir fast sicher, dass ich sie auch jetzt an ihrer Stimme wiedererkennen würde, wäre sie mit einer ganzen Partymenge an Leuten in einem völlig abgedunkelten Raum. Verbunden mit einer Menge schönen Erfahrungen durch sie glaube ich beispielsweise auch, dass manche Frauen mit ähnlicher Tonlage UND Timbre es wesentlich leichter haben, mich anzuziehen, als andere. Fakt ist, dass so die Stimme einer Frau für mich nicht unerheblich ist für ihre allererste Attraktivität.
(Im Gegensatz zu Körperbau, Konto und Karriere...)
Würde sich dies bei mir nun ändern oder gar verstärken, wenn ich echte "Blind Dates" hätte? Was passiert, wenn man sich eine Weile nur übers Telefon kennenlernt? Wäre gar eine Fixierung auf Stimme und Haptik denkbar?
Auch da kann ich nur über mich als "Testperson"
sprechen, rückblickend.
Denn ich denke schon, dass mir für mehr Vertrauen, Sicherheit und Einschätzungs- UND Einfühlungsvermögen auch der optische Reiz fehlt.
Damit meine ich nicht, wenigstens zum großen Teil nicht irgendwelche sexy Aufmachungen von "Ihr", figurbetonende Klamotten, sondern vor allem Mimik und Gestik UND den Blick in die Augen, ein Ausweichen oder Standhalten meiner fragenden oder interessierten Blicke.
Ich bin mir mittlerweile ziemlich sicher und bewusst, dass es trotz einer gewissen Entspanntheit von mir beim Kennenlernen übers Telefon vor allem dieser wesentliche Teil ist, der MIR fehlt.
Vor allem, um entscheiden zu können, wie wohl oder unwohl sie sich in meiner Gegenwart fühlt, und dann später vielleicht noch, um zu spüren, ob Dir da jemand gegenüber sitzt, der (die...) mehr von Dir will und erwartet, als nur ein gutes Gespräch und ein gutes erstes Gefühl.
Und ich denke auch, dass ich mich mindestens in Teilen auch unbewusst anders verhalte, unsicherer, unentspannter, wenn sich der Kontakt zu einer Frau über mehrere Wochen nur telefonisch anbahnt und es mit dem Treffen dauert. Abgesehen davon, dass ich zu zweifeln beginnen würde, ob und was sie von mir eigentlich will oder sucht (so bereits geschehen nach sechs Wochen (!) "Anbahnungsgesprächen" mit meiner Exfreundin...),
es ist einfach der oft nicht direkt wahrgenommene Teil von Mimik- und Gestikreaktionen und ganz sicher auch ihr Verhalten in unmittelbarer Nähe von mir, der fehlt und der mir und meinem Bauch dann die letzte Rückmeldung geben könnte, ob sie sich in meiner Nähe (sehr) wohl fühlt, oder nicht.
Würde ich von heute auf morgen nicht mehr sehend durch die Welt laufen, wäre ich mir äussert sicher, dass mir dieser Sinn AUCH beim Kennenlernen von anderen Frauen, aber auch vom Einschätzen und Beurteilen anderer Männer (also "geschlechts- und beziehungsneutral") wesentlich fehlen würde.
Ich wills nicht wirklich wissen, aber es wäre spannend, herauszufinden, wie lange man bräuchte, um dieses Gefühl der Unsicherheit zu verarbeiten und nach und nach abzubauen, falls dies je gelänge.
Ich denke, dies wäre auch wesentlich abhängig vom Alter, den eigenen Lebenserfahrungen und der eigenen Offenheit und Fähigkeit, auf andere eingehen zu können und zu wollen...
Ich bin übrigens auch der Auffassung, dass Augen einer unserer "größten Irreführer" beim Kennenlernen sind/ es sein können, wenn man nicht auch ein recht großes Vertrauen in sein Bauchgefühl und seine anderen Sinne hat. Und versuche, mich nicht allzu sehr und oft auf sie zu verlassen...
(als absoluter Musik- und Stimmenfan fällt mir das aber auch etwas leichter...
Bin gespannt, welche weiteren Ansichten und Facetten dieses Thema noch bringt...
LG, T.