Laktoseintoleranz
Laktoseintoleranz
Bei Laktoseintoleranz (medizinisch eine Kohlenhydratmalabsorption) (auch als Milchzuckerunverträglichkeit, Laktosemalabsorption, Laktasemangelsyndrom oder Alaktasie bezeichnet) wird der mit der Nahrung aufgenommene Milchzucker (Laktose) als Folge von fehlender oder verminderter Produktion des Verdauungsenzyms Laktase nicht richtig verdaut. Das Enzym Laktase wird von allen Säugetieren während der Stillzeit gebildet, es spaltet den Milchzucker in die für den Menschen verwertbaren Zuckerarten Galaktose und Glukose. Gelangt ungespaltener Milchzucker in den Dickdarm, wird er von Darmbakterien aufgenommen und vergoren. Die Gärungsprodukte führen u. a. zu Blähungen und osmotischer Diarrhoe (Durchfall). Das Fehlen des Enzyms geht allerdings nicht immer mit diesen Symptomen einher. In diesem Fall spricht man von Hypolaktasie oder genauer von Laktosemaldigestion (Laktose-Fehlverdauung), Abbauprodukte der Bakterien verursachen dann andere Symptome.
Die Laktoseintoleranz als Enzymmangel darf nicht mit der bei Erwachsenen selteneren Milchallergie verwechselt werden, bei der es sich um eine aktive Immunreaktion aufgrund einer echten Allergie gegen Kuhmilch-Eiweiß handelt. Bei Säuglingen kommt diese Allergie dagegen häufiger vor.
Zudem gibt es Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Kasein und Exorphinen[1]
In Asien und Afrika betrifft die Laktoseintoleranz den größten Teil der erwachsenen Bevölkerung (90% oder mehr), in Westeuropa, Australien und Nordamerika sind es 5 bis 15 % (bei den Weißen). Laktoseintoleranz gilt damit als häufigste Nahrungsmittelunverträglichkeit überhaupt.
Ähnliche Symptome bei Aufnahme von Fruchtzucker (Fruktose) zeigt die Fruktosemalabsorption. Eine Reihe von Patienten mit Symptomen des Reizdarmsyndroms leidet, ohne es zu wissen, unter Kohlenhydratmalabsorption.
Es wird angenommen, dass die Produktion des Enzyms Laktase im Erwachsenenalter im Vergleich zum Säuglingsalter generell stark reduziert wird; das gilt für den Menschen und für alle Säugetiere (und ist der Normalzustand). Nur bei Ethnien, die seit langer Zeit Milchwirtschaft betreiben, hat sich eine Mutation durchgesetzt, die dazu führt, dass auch noch im Erwachsenenalter genügend Laktase produziert wird.
Ursachen Laktasemangel kann verschiedene Ursachen haben:
Angeborener Laktasemangel (absolute Laktoseintoleranz): Aufgrund eines Gendefektes ist die Laktasebildung stark eingeschränkt, oder es kann überhaupt kein Enzym gebildet werden (so genannte Alaktasie). Die Vererbung erfolgt autosomal-rezessiv. Da dadurch die Wachstums- und Entwicklungsphase nach der Geburt stark beeinträchtigt wird, kann diese Erkrankung unbehandelt zu schwersten Gehirnschäden führen [2].
Erkrankungen des Verdauungssystems können die laktaseproduzierenden Zellen so schädigen, dass vorübergehend die Laktaseproduktion beeinträchtigt ist; in seltenen Fällen kommt es zu einer lebenslangen Laktoseintoleranz.
Physiologischer (natürlicher) Laktasemangel: Bei allen Säuglingen wird dieses Verdauungsenzym normalerweise in ausreichender Menge produziert. Nach der Entwöhnung verringert sich die erzeugte Laktasemenge jedoch je nach Weltregion unterschiedlich: Während z. B. ein Großteil der erwachsenen mittel- und südasiatischen Bevölkerung keine Milchprodukte mehr verträgt, bereitet in nördlichen Bereichen (bei den meisten Bewohnern Europas und des nahen Ostens oder Menschen europäischer/nahöstlicher Abstammung, sowie den sibirisch/mongolischen Ethnien) die Milchzuckeraufnahme meistens bis ins hohe Alter keine Probleme. Grund für das Fortbestehen der Enzymproduktion im Erwachsenenalter ist eine autosomal-dominant vererbte Mutation des LCT-Allels auf dem Chromosom 2 (GeneID 3938).
Auswirkungen, Symptome
Bei Laktoseintoleranz gelangen nach dem Konsum von Milch und Milchprodukten größere Mengen Milchzucker, die eigentlich im Dünndarm verarbeitet werden sollten, in den Dickdarm und werden dort von der Darmflora als Nährstoff fermentiert. In der Folge kommt es vor allem zu charakteristisch stinkenden Darmwinden und Blähungen, Flatulenz, Bauchdrücken bis -krämpfen, Übelkeit, Erbrechen und häufig auch zu spontanen Durchfällen. Symptome gehen parallel zur Menge konsumierter Laktose.
Bei angeborener absoluter Laktoseintoleranz sind die Symptome bedeutend schwerer als bei der 'natürlichen' mit dem Alter zunehmenden Form.
Andauernde schwere Durchfälle bedeuten eine Reizung der Darmschleimhaut und können allenfalls zu einer Störung der Aufnahme von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen führen ev. sogar zu vermehrten Infektionen. Längerfristig kann es zu einer Schädigung des Dünndarms kommen (Verkümmerung der Dünndarmzotten). Dadurch vermindert sich dann auch die Aufnahme von Nahrungsstoffen insgesamt.
Diagnose
Für die Diagnose der Laktoseintoleranz gibt es zwei leicht durchführbare Möglichkeiten:
Diättest: Eine mehrtägige konsequente Diät ohne Laktose d.h. vor allem ohne Milch, Rahm und versteckter Laktose. Treten in dieser Zeit keine Symptome mehr auf, ist eine Laktoseintoleranz wahrscheinlicher. Ein Expositionstest wird dann Klarheit schaffen. Achtung: Viele Fertigprodukte enthalten Milchzucker oder Milchbestandteile.
Expositionstest: Am besten nach einigen Tagen Laktose-Verzicht wird ein Glas Wasser mit 50 bis 100 g gelöstem Milchzucker (gibt es in Drogerien, Reformhäusern und Apotheken) getrunken. Treten danach innerhalb von einigen Stunden die typischen Symptome auf, besteht eine Laktoseintoleranz.
Häufig ist die Diagnose nicht eindeutig, weil nur eine unvollständige Intoleranz besteht. Diese nimmt bei der häufigeren Form im Verlauf des Lebens zu, nicht bei der angeborener Mutation für das Enzym.
Folgende Tests sind in Anbetracht der oben beschrieben Möglichkeiten nur selten verhältnismäßig:
H2-Atem-Test: 50 g Laktose in 0,3 l Wasser gelöst auf nüchternen Magen trinken und über einen Zeitraum von 2 h alle 30 min den Wasserstoffgehalt in der Ausatemluft bestimmen. Steigt der Wert über 20 ppm zum vorher bestimmten Ausgangswert, besteht eine Laktoseintoleranz. Allerdings führt dieser Test bei jedem 5. Laktoseintoleranten zu einem negativen Ergebnis: Diese Patienten haben in der Darmflora bestimmte (harmlose) Bakterien, die Methan erzeugen, das den entstehenden Wasserstoff neutralisiert.
Blutzucker-Test: 50 g Laktose in 0,3 l Wasser gelöst auf nüchternen Magen trinken und alle 30 min den Blutzuckerwert (Glucosekonzentration im Blut) bestimmen. Steigt der Wert binnen zwei Stunden um weniger als 20 mg/dl über den zuvor bestimmten Ausgangswert hinaus an, liegt Laktoseintoleranz vor.
Gentest: Seit kurzem kann bei Verdacht auf Laktoseintoleranz ein Gentest auf den LCT-Genotyp durchgeführt werden. Als Untersuchungsmaterial genügt ein Wangenschleimhautabstrich.
Biopsie: In sehr seltenen Fällen muss eine Gewebeprobe aus dem Dünndarm entnommen und untersucht werden.
Behandlung und Diät
Physiologischer (natürlicher) Laktasemangel und der angeborene Laktasemangel sind nicht behandelbar. Die Auswirkungen können jedoch z. B. durch Umstellung der Ernährung auf milchzuckerarme bzw. –freie Kost auf ein Minimum reduziert werden. Dazu existieren im Fachhandel zahlreiche Ratgeber, Lebensmittellisten und Kochbücher. Eine andere Möglichkeit ist die Laktasezufuhr von außen in Form von Kautabletten oder Kapseln durch entsprechende pharmazeutische Produkte aus der Drogerie oder Apotheke. Die Dosierung ist jedoch häufig schwierig abzuschätzen, da sie dem Laktosegehalt des zu verzehrenden Lebensmittel angepasst werden muss. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Produkt bereits im Magen wirksam ist.
Heute gibt es bereits immer mehr laktosereduzierte Milchprodukte auf dem Markt, unter anderem Milch, aber auch Käse, Joghurt, Sahne, Quark und mehr. Es ist zu beachten, dass Laktose vielen Produkten zugesetzt wird, wie Broten, Getreideriegel, Fertiggerichten, Würzmischungen, Wurstwaren, mariniertem Fleisch, Teigen, Bonbons und Speiseeis, Schokolade, Instantprodukte, Tütensuppen. Ein Grund für die Zugabe von Milchzucker ist das vom Food-Designer gewünschte „Mundgefühl“, das den Geschmack positiv beeinflusst.
Fermentierte Nahrungsmittel wie Joghurt, Käse, Quark enthalten z. T. auch Laktase und in unterschiedlicher Menge Laktose. Dies hängt vor allem vom Herstellungsprozess, der Menge Milchzucker abbauender Bakterien in der Milch und dem Reifungsprozess und der -dauer bei Käsesorten zusammen. Grundsätzlich kann man als Faustregel formulieren: Je länger der Reifungsprozess, desto geringer der Laktoseanteil. Deshalb wird z.B. traditionell hergestellter und ausgereifter Parmesan zum Teil vertragen, junger Gouda jedoch nicht.
Lange Reifungsprozesse können allerdings zu einem anderen Problem führen, das unter dem Namen Pseudoallergie bekannt ist (auch bei anderen proteinhaltigen Lebensmitteln). Wie der Name schon sagt, es handelt sich dabei nicht um eine Allergie. Durch Abbau von Aminosäuren kommt es vermehrt zur Bildung von sogenannten biogenen Aminen. Sie können ähnlich unangenehme physiologische Auswirkungen haben wie Histamin (ein biogenes Amin, das bei echten Allergien allein auftritt).
Das im industriellen Agrarproduktionsprozess übliche schnelle Herunterkühlen der Milch nach dem Melken behindert die Milchzucker abbauenden Bakterien zugunsten der Fäulnis bildenden Bakterien. Aus diesem Grund kann heute aus der handelsüblichen Vollmilch auch nicht mehr durch Stehenlassen der Milch bei Zimmertemperatur die früher übliche Dickmilch hergestellt werden. Deshalb kann allenfalls bei einigen wenigen Naturjoghurts davon ausgegangenen werden, dass in ihnen Milchzucker abbauende Bakterien vorhanden sind. Im Zweifelsfall sollte der Betroffene eine Nahrungsmitteltabelle konsultieren, um den Laktosegehalt von verschiedenen Käse–, Quark– und Joghurtsorten zu überprüfen und moderate Selbstversuche durchführen.
Seit dem 25. November 2005 gelten neue Vorschriften zur Kennzeichnung allergieauslösender Lebensmittelbestandteile [3]. Die Kennzeichnungspflicht umfasst auch Milch und Milchbestandteile einschließlich der Laktose.
Weiterhin ist zu beachten, dass viele Medikamente und Wellness-Produkte Laktose als Trägerstoff enthalten, ebenso die Anti-Baby-Pille. Als Ersatzstoff für Laktose eignet sich zum Beispiel mikrokristalline Cellulose.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass Laktose in hoher Dosierung als Abführmittel eingesetzt wird. Diese Anwendung beruht auf der vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeit des enzymatischen Abbaus (auch bei Menschen, die nicht an Laktoseintoleranz leiden) und osmotischen Effekten.
Wird Laktoseintoleranz durch Erkrankungen des Verdauungssystems verursacht, so verschwindet der Laktasemangel nach der Behandlung der vorangegangen Krankheit meist völlig. Nur in seltenen Fällen sind die laktaseproduzierenden Zellen so geschädigt, dass sie sich nicht mehr erholen.
Auch von psychosomatisch bedingten „Milchzuckerunverträglichkeiten“ (wahrscheinlich eher Milchunverträglichkeit) wurde schon berichtet, die mit einer entsprechenden Therapie wieder verschwanden.
Die Tante