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Die systemische Therapie z.B. geht davon aus, dass jeder Mensch zu jeder Zeit sein Bestes gibt. Nicht das Beste nach einer moralischen Norm, sondern das, was demjenigen zu diesem Zeitpunkt überhaupt möglich ist.
Das muss man sich mal wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Und drüber nachdenken. Und wenn man es dann im Bauch spürt, nimmt es einem ganz viel Zorn, Wut, Verletztheit, Ohnmacht, Hilflosigkeit.
Stimmt. Und das wird ersetzt durch Mitgefühl, Trauer und gibt damit die Möglichkeit, es loszulassen. Immerhin geht es nicht darum, dem anderen noch eins auszuwischen, sondern selbst mit der Situation fertig zu werden und abschließen zu können.
Aber die oben zitierten Gefühle wie Zorn, Wut, Verletztheit, Ohnmacht und Hilflosigkeit gehören zum Loslassen können schon auch dazu... niemand ist so edel, therapiert, buddhagleich (oder auch gleichgültig oder selbstverachtend), dass er gleich zum Mitgefühl übergehen kann, wenn er so sehr verletzt wurde. Und auch die ewige Frage nach dem "Was triggert mich denn daran so sehr, welchen Mangel spüre ich, dass mich das so mitnimmt", kann man irgendwann mal ruhen lassen. Das Leben ist so. Nicht immer fair, nicht immer gerecht, manchmal schön, meistens spannend. Es hat Aufgaben bereit, und die sind anzunehmen - und bestenfalls zu lösen.
Was ich seit geraumer Zeit überlege, ist, ob mit dem "plötzlichen Kontaktabbruch" jetzt wirklich der Gang zum Zigarettenautomaten und das gleichzeitige Verschwinden aus einer intakten Beziehung mit Kind, Hund und Haus gemeint ist (was ja nur den wenigstens von uns passiert sein dürfte), oder ob schlicht und einfach nur der Wunsch nach Erklärung, weshalb wieso und warum, nicht erfüllt wurde / werden konnte. Ob wir hier im Grunde nicht einfach über mangelnde Kommunikation schreiben. Der geschilderte Fall mit der Beziehung mit Mutter und Tochter zum Beispiel, als sich die Mutter kommentarlos zurückzog - das ist für mich kein Kontaktabbruch, sondern Konsequenz. Und der andere Fall, als nach dreimaligem Fehlversuch die Koffer gepackt wurden: Das war dann ja auch abzusehen. Und ich denke, dass die Schreiberin auch hier dem Verlassenen vorher deutlich zeigte, dass etwas nicht passt, aber sich nicht anders zu helfen wusste.