Das Leben ist gewiss leichter, wenn man mit der Selbstgerechtigkeit durchs Leben geht, dass der andere böse ist und man selbst im Recht. Und ja klar: Man darf, nein man muss sogar stinkig sein, wenn man sich fühlt, als sein man wie der letzte Dreck behandelt worden. Das gehört zur Verarbeitung dazu. Manchmal auch der fliegende Teller und die Tränen und all das.
Aber wer auf der Stufe "Du bist böse und ich nicht" stehen bleibt, verpasst einfach ganz viel Entwicklung für sich selbst. Finde ich. Und wenn das Leiden so tief geht, dass man nicht mehr ein noch aus weiß, bleibt letztendlich nichts anderes übrig, als bei sich selbst zu gucken. Sich selbst in Frage zu stellen. Und dann irgendwann dankbar zu sein für den Entwicklungsschub, den das brachte.
Vielleicht gibt es hier Menschen, die tatsächlich von Natur aus so in sich gefestigt sind, dass sie buddhistisch darüber hinweggehen können, wenn ihnen bis aufs Mark wehgetan wurde. Ich gehöre nicht dazu. Also nahm ich die anstehende Entwicklungsarbeit an. Ich stelle auch mal mich in Frage. Meinen Anteil.
Und festgefügte Wahrheiten sind immer ausschließlich meine. Und nicht die des anderen. Deswegen versuche ich schon, auch hinter die Beweggründe des anderen zu kommen. Versuche, mich in seine Lage zu versetzen, und merke, dass meine Motive auch nicht immer die reflektiertesten waren. Aber so weit muss man erst mal kommen - und ich kann den Begriff der Dankbarkeit sehr gut nachvollziehen, kann aber auch in Wut darüber geraten, wie ich für die Zwecke des anderen benutzt wurde - und mich benutzen ließ. Ich persönlich ließ es tatsächlich zu, dass ich behandelt wurde, wie ich behandelt wurde. Klar könnte ich mich hier hinstellen und meinen Heiligenschein polieren - aber... aus meiner heutigen Sicht fände ich das total langweilig, selbst- und ungerecht.
Und so wie ich die Männer kennengelernt habe, an die ich gerade denke, ist da nicht viel Scheißegal-Mentalität bei ihnen vorhanden. Er hat es sich nicht leicht gemacht. Leicht gemacht habe es eher ich mir - indem ich mir nahm, was ich wollte. Sehr zwiespältig, das Ganze. Da darf man ruhig auch mal bei sich anfangen mit der Verarbeitung - oder eher, bei sich damit aufhören.