@rueckenwind
Eigene Unzulänglichkeiten, eigene Probleme, eigene Überforderung. Alles Dinge, die ich bei mir auch feststellen kann, wenn ich ehrlich bin. Sie zeigen sich nur an anderer Stelle.
Und genau das ist der Punkt! Diese Dinge äußern sich bei Dir nicht, indem Du jemand anderen einfach fallen lässt weil Du merkst dass das falsch ist.
Jeder kennt doch gerade zum Ende einer Beziehung hin solche Gefühle von Überforderung und Entnervtheit und den Gedanken: "Ok, wie komme ich jetzt aus der Nummer raus ohne dass es eine Katastrophe gibt...?"
Aber diese eigenen Probleme gehören einem nun mal nicht allein, wenn da noch jemand ist, der damit unmittelbar verknüpft ist!
Belastung, Überforderung, alles gut und schön und nachvollziehbar. Aber leider absolut kein Grund dafür, mit jemandem nicht ordentlich Schluss zu machen.
Und zum Thema, Du könntest es Dir nicht vorstellen, vielleicht kurz etwas aus meinem Nähkästchen:
ich war jung und bin der Liebe wegen ins Ausland. Die meiste Zeit von drei Jahren dort gelebt, gearbeitet, eine feste Beziehung geführt. Bestens in die Familie eingeführt, akzeptiert von Schwiegereltern, Verwandten und Freunden. Nur ab und zu mal für wenige Tage nach Deutschland zurück um die eigene Familie zu sehen.
Und nun kommt's: ich komme nach so einem Aufenthalt in Deutschland auf dem Flughafen in xy an (die Beziehung lief zu diesem Zeitpunkt weit über zwei Jahre), rufe ihn an, damit er mich vom Flughafen abholt. Erreiche ihn nicht. Geht nicht ans Telefon. Ich ewig lange auf dem Flughafen gehockt, schließlich entnervt ein Taxi genommen. Komme dort an, wo wir die ganze Zeit über gemeinsam gewohnt und gearbeitet haben und... er ignoriert mich. Schaut einfach durch mich durch. Lässt sich andere Schichten zuteilen damit er mir nicht begegnet, wohnt plötzlich woanders. Lässt sich verleugnen. Keine Chance für mich, auch nur heranzukommen an ihn.
Schließlich nach Wochen haut unser Chef auf den Tisch, duldet mein verheultes Gesicht vor der Kundschaft nicht mehr, zwingt ihn, sich mit mir an einen Tisch zu setzen. Das Gespräch: überflüssig wie nur was. Keine Antworten, er windet sich wie ein Aal, steht dann einfach auf und geht. Auch von Freunden und Familie keine Antworten, nur Schulterzucken.
Ich war selten so verzweifelt wie in dieser Zeit. Ich wollte doch nur wissen was geschehen war! Wir hatten Zukunftspläne gemacht!
Irgendwann später erfuhr ich von irgendwem, der Druck von außen wäre wohl zu groß gewesen, keine "Fremde" zu heiraten.
Damals war ich 22. Letztes Jahr kontaktierte dieser Mann mich über Facebook. Sehr herzlich, sehr überschwenglich. Es täte ihm unglaublich leid, wie er sich damals verhalten hätte, er würde heute noch daran denken und es würde ihn belasten. Er würde mich gern auch persönlich um Verzeihung bitten, ich solle doch mal wieder nach xy kommen.
Nun bin ich nach all der Zeit natürlich nicht mehr verletzt oder verärgert. Und doch habe ich gemerkt, wie sich seine Entschuldigung wie ein Pflaster über eine alte Wunde legte.
Natürlich war auch er damals jung und ganz bestimmt überfordert. Das sagt er heute auch selbst. Aber mal ehrlich: hat das SO sein müssen? Auf diese Weise? Nein, hat es nicht. Ganz sicher nicht. Es hätte nur einfach viel mehr Mut gebraucht, vernünftig Schluss zu machen, als er aufbrachte.