@ evian
wenn du in deinem Leben in der Liebe und dem Zusammensein mit anderen gut zurecht kommst, so hast du eben ein gutes Fundament für das Leben im Allgemeinen.
Es ist keineswegs so, liebe Evian, dasss ich mit allem gut zurechtkomme. Und ich bezweifle, dass ich ein gutes Fundament fürs Leben habe - dagegen spricht schon mal meine alles andere als rosige Kindheit voller schwerer Verletzungen.
Aber ich hab mit der Zeit etwas ganz Entscheidendes gelernt: nämlich Halt in mir selbst zu finden (man kann es auch Selbstachtung nennen). Ich hab mit der Zeit gelernt, mein Selbstwertgefühl nicht mehr ausschließlich über andere zu definieren. Ich hab begriffen, dass ich kein bißchen weniger wert bin, wenn ich verletzt werde, ebenso wie ich kein bißchen mehr wert bin, wenn ich anerkannt und geliebt werde. Ich bin einfach nur ich - egal, was da von außen kommt.
Ich stehe wie ein Baum im Wind, werde mal nach links und mal nach recht geweht, aber ich werde nicht gleich von jedem Sturm entwurzelt - weil ich meine Wurzeln in der Erde habe und nicht in anderen Bäumen bzw. Menschen. Ich bin kein kleines Kind mehr, das von seiner Mama gehalten werden muss, damit es überleben kann.
Tritt mir also einer gegen das Schienbein (symbolisch gemeint), dann tut das verdammt weh. Aber es wirft mich nicht gleich total aus der Bahn. Weil ich nicht davon abhängig mache, ob ich gemocht oder abgelehnt, geliebt oder verletzt werde. Ich bin keineswegs frei von Schmerzen und hab auch keinen dicken Panzer um mich herum, mir tut immer noch vieles verdammt weh - aber ich mache mich schon lange nicht mehr abhängig von anderen.
Nur, die wir das nun nicht haben und bemüht sind zu lernen mit negativ gemachten Erfahrungen mit Verletzungen umzugehen, sollen wir uns nun alle auf die Psychocouch legen?
Für manche wäre das vielleicht sogar sehr hilfreich. Ob es notwendig ist? Wenn der Körper nicht wirklich gesund ist, geht man ja auch zum Arzt ...
Aber es würde nach meiner Meinung völlig genügen, liebe Evian, einfach nur zu begreifen, dass keiner von uns davon abhängig sein muss, was andere mit ihm machen oder über ihn denken. Dass jeder - Du ebenso wie ich - auch dann noch etwas wert und vor allem liebenswert ist, wenn er verletzt oder gerade mal nicht geliebt wird. Dass wir alle trotzdem wertvoll sind, auch wenn uns gerade ein anderer niederzumachen versucht oder uns kränkt und verletzt, dass davon die Welt nicht gleich untergeht (auch wenn es sich manchmal so anfühlt), dass wir alle Halt in uns selbst finden müssen und uns nicht nur an andere klammern sollten.
Wer Halt in sich selbst findet, wer sich selbst achtet und akzeptiert (oder meinetwegen auch sich selbst "liebt", dann aber bitte nicht mit Narzissmus bzw. Selbstverliebtheit verwechseln!), dem tut es natürlich auch sehr weh, wenn er verletzt wird. Aber es haut ihn nicht gleich total um.
Solange wir in dieser Welt aber vor lauter Angst, selbst verletzt zu werden, unsere Herzen immer mehr verschließen oder sogar zur Sicherheit erstmal andere verletzen, bevor sie uns weh tun können, solange wird diese Welt niemals Frieden finden und solange werden Menschen sich gegenseitig das Leben schwerer machen, als es das ohnehin schon ist ...
Und das macht mich sehr traurig.
(Der Antaghar)