Darf ich auch? (zum ersten Mal im Forum posten hat schon was...)
Jeder Mensch wird von seinen Erfahrungen geprägt, schon in der Kindheit. Beispielsweise: verlässt Papa die Mama (jetzt aus meiner weiblichen Sicht), so lebt man fortan mit der Angst, dass es einem auch so ergeht, weil man schon aus nächster Nähe erlebt hat, dass es ganz, ganz SCHLIMM ist. Womöglich verlässt man dann selber, bevor die Situation eintrifft. Somit gibt man die eigenen schlechten Erfahrungen an den Anderen weiter.
Doch das Leben hat so eine Art uns immer wieder an Situationen zu führen, in denen wir mit unseren Urängsten konfrontiert werden. Und jeder halbwegs intelligenter Mensch ist in der Lage, die eigenen vermeintlichen seelischen Wunden zu erkennen, begreifen, akzeptieren und verarbeiten. Im günstigsten Fall sogar zu heilen. Und für mich führt dieser Weg über eine Verwandlung vom "Verletzten" zum "Heiler". (Natürlich ist hier von normalen schmerzlichen Erfahrungen und nicht von ernsten Traumas die Rede) .
Mir ist, en gros und schon ne Weile her, genau die oben beschriebene Situation widerfahren, und es hat mich völlig aus der Bahn geworfen. Und dann hatte ich das große Glück, eine andere Person auf die Art und Weise beizustehen die ich mir zu dem Zeitpunkt meines persönlichen Debakels gewünscht hätte, und das hat mir mehr geholfen als 2 Jahren Therapie, durchheulte Nächte (
Selbstmitleid!), Ausschweifungen jeglicher Art (
Flucht!) und misstrauisches Verhalten gegenüber anderen (
Aggression ist ja die beste Verteidigung!) , genau das war meine persönliche Heilung. Also doch nicht nur das "was du nicht willst dass man dir tu, das füge doch keinem anderen zu" sondern das positivere "Was ihr von anderen erwartet, das tut ebenso auch ihnen"
Wir leben in einer Zeit wo wir allerlei Halbwahrheiten als allgemein gültig annehmen, weil das Gegenteil naiv, dümmlich, kindisch, schlichtweg "uncool" ist. Zu diesen gehören z.B. "Beziehungen sind nicht für die Ewigkeit gemacht", "es gibt keine Täter und keine Opfer (bzw kein Gut/Böse, oder schwarz/weiß)", und "ob wir etwas als Verletzung empfinden hängt von unserem Selbstwertgefühl ab" Ich sage Halbwahrheiten weil sie vielleicht der Realität aber nicht unserer Wahrnehmung derselben entsprechen. Aus meiner Sicht ist das Selbstwertgefühl durchaus von den Handlungen derjenigen die uns nahe stehen beeinflussbar, es gibt durchaus Opfer und Täter (und kaum jemand wählt freiwillig die Opferrolle, aber um nicht zum Täter zu werden muss man stets verdammt gut aufpassen) und mit dem Leitmotiv dass Beziehungen / Liebe/ etc zeitlich begrenzt sind, sind wir schon a priori darauf eingestellt, möglichst wenig in solchen zu investieren, d.h., niemand wirklich an uns heran zu lassen. Und verarmen innerlich.
Zusammengefasst: fühle ich mich verletzt, so muss ich diese vermeintliche Verletzung definieren. Mir selbst erklären können, warum sie so schmerzhaft war oder ist. Mir die nötige Zeit geben. Und dann bewusst so agieren dass ich sie nicht an den Nächstmöglichen weitergebe. Mit Verdrängung, Kaschieren, Verneinung, Verbitterung oder vorschnellen Rückzug vor anscheinend bedrohlichen Situationen tu ich mir weder selbst noch meinen Mitmenschen ein Gefallen.
Leichter gesagt als getan und dennoch machbar.