nachdem ich nun gestern schon alle beiträge gelesen habe und mich mit dem thema schon vor längerem auseinandergesetzt habe, denke ich daß wir uns oft gar nicht bewusst sind welche wunden wir aus der kindheit mit uns herumtragen. damit wir diese verletzungen heilen
können, sollten wir ihnen mutig entgegentreten und sie annehmen.
als erwachsene haben wir die kraft dazu...und können unsere
flügel ausbreiten und losfliegen...
traumata, verletzungen, wut und schockzustände kommen in unseren
leben leider vor. wir können ihnen nicht gänzlich aus dem weg gehen.
schon unsere geburt ist ein traumatisches erlebnis. der erste atem-
zug ist schmerzvoll, unsere lungen füllen sich zum ersten mal mit
sauerstoff, die nabelschnur wird durchtrennt und auf einmal spüren
wir die erdanziehungskraft - und beginnen zu weinen. in dieser situa-tion gilt der spruch einfach nicht - ein indianer kennt keinen schmerz-
wir alle haben geweint oder besser gesagt: geschrien.
beim erwachsenwerden erleben wir kleine oder große schicksals-
schläge. jedes mal wenn unsere eltern unsere wünsche und bedürf-
nisse nicht befriedigen konnten , mussten wir selbst etwas unterneh-
men - oder uns damit abfinden, daß wir das, was wir wollten, nicht
bekommen würden.
so lernten wir mit der zeit, daß die erde kein paradies ist in dem all
unsere wünsche einfach so in erfüllung gehen. auch wenn es sehr
schmerzt wenn wir enttäuscht werden, diese erfahrungen sind für uns wichtig. denn wenn wir uns nicht auf andere verlassen können
verlassen wir uns mehr auf uns selbst. diejenigen, die keine oder nur
leichte enttäuschungen erlebt haben , konnten nur ganz langsam und
schrittweise lernen, auf ihre eigenen kräfte und fähigkeiten zu ver-
trauen. für die entwicklung einer stabilen persönlichkeit ist das aber sehr wichtig. das problem ist nur, daß schicksalsschläge nicht all-
mählich oder planbar eintreffen, sondern überraschend. aber nicht nur unsere eltern enttäuschen und verletzen uns ohne es zu wollen.
die welt um uns herun tut es auch. der verlust der eltern, krankheit,
psychische gewalt, sexueller mißbrauch, angst vor krieg ....all dies
sind situationen, die sowohl kinder als auch erwachsene schockieren.
für kinder sind so einschneidende erlebnisse doppelt schlimm, denn
sie können damit noch nicht umgehen, sind viel verletzlicher. ein
schockierendes ereignis wirft immer fragen auf. warum mir? warum
gerade jetzt? warum musste das passieren? es fällt uns schwer, das
geschehene zu akzeptieren und wir wollen uns mit der situation
nicht abfinden. wir können nicht mehr mit der welt kommunizieren.
diesen ersten schockzustand fühlen kinder genauso wie erwachsene.
aber nicht, weil zu wenig emotionen da sind, sondern gerade weil ZU VIELE da sind! wir sehen rot, wir reagieren über oder verfallen in eine schockstarre, ziehen uns ganz in unser inneres zurück. diese ausnahmesituation ist eine reine schutzfunktion des körpers. wenn wir uns nicht mehr fühlen können, können wir auch den schmerz
nicht mehr spüren.
die redewendung" was uns nicht umbringt macht uns nur stärker"
stimmt natürlich nicht. viele die als kind etwas schlimmes erlebt haben verstecken sich später als erwachsene hinter einer maske aus
stärke oder macht. hinter ihr befindet sich aber weiterhin das verletz-
te kind, das sich mitgefühl, trost und verständnis wünscht. die ver-
letzungen lassen sich nicht einfach wegleugnen. je verletzter wir sind,
umso stärker schützen wir uns auch. und je größer unser schutzbe-
dürfnis ist, umso mehr "überleben" wir, anstatt richtig zu leben.
jede verletzung ist persönlich, intim und auf ihre art und weise
wichtig. für manche ist es ein schock, wenn sie ein jüngeres geschwi-
sterchen bekommen, einige erleben ihn, wenn sie vom partner betro-
gen werden und andere, wenn sie das erste mal ernsthaft streit mit
den eltern haben.
alle situationen, die uns verletzt haben und in denen wir nicht rea-
gieren konnten, hinterlassen spuren. doch wir leben alle in unseren
eigenen körper und können nicht in jemand anderen hineinsehen.
denkt nur einmal an eure eigenen emotionalen erfahrungen ( egal wie
lächerlich, irrational oder überflüssig sie für andere auch sein mögen)
sie haben eine immense bedeutung.
ich denke diese erkenntnis gibt uns das recht auf unseren eigenen
gefühle zurück. wir können uns selbst wieder erleben, in uns selbst
sein und nicht nur in den augen der anderen leben. einer der gründe,
warum die meisten sich selbst lieber von außen betrachten und be-
werten ist , dass sich selbst zu fühlen auch bedeudet, seinen schmerz
zu fühlen.
oft lesen oder hören wir zu dem thema....wieder zu sich selbst finden.
es wird als etwas heilendes, erkenntnisreiches und angenehmes em-
pfunden. aber auf den ehrlichen weg zum eigenen authentischen
selbst werden wir aber ganz sicher auch auf den schmerz treffen. wenn das geschieht, ist es am besten, die situation anzunehmen.
das bedeutet nicht, daß wir zulassen sollen, daß uns eine depress-
ion auf den grund eines tiefen, schwarzen lochs zieht oder dass wir
uns mit dem schmerz identifizieren müssen. es heißt einfach, die ge-
fühle ( welche auch immer das sind) willkommen zu heißen. sie sind
sowieso da. schmerzen verursachen sie nur, weil wir sie von uns weg-
schieben und uns wünschen, es gäbe sie nicht. wenn wir uns jedoch
zeit & raum geben, das verletzte ich zu fühlen, beginnt der heilungs-
prozess. das dauer ich weiß das aus erfahrung und die krusten der wunden brechen öfters wieder auf.
was auch immer uns verletzt hat, es ist teil der vergangenheit und es gibt keine zeitmaschine, die uns zurückbringt, damit wir etwas ändern
können. aber auch wenn sie der vergangenheit angehören, finden verletzungen immer einen weg, uns in der gegenwart aufzuwühlen.
wenn wir im alltag schmerz verspüren sollten wir die chance ergreifen
und unsere verletzbarkeit annehmen. übersprungshandlungen wie
shoppen, putzen, ausgehen ect. sind definitiv die schlechtere lösung.
wenn wir aber beginnen, unsere verletzbarbeit zu entdecken und zu
akzeptieren, werden wir auch unsere guten seiten, unsere empfind-
samkeit und unsere sensibilität kennenlernen.
und wenn wir auch die unerwünschten gefühle in uns zulassen, wer-
den sie nicht mehr um unsere aufmerksamkeit kämpfen. sie werden nicht mehr über alltagssituationen mit uns sprechen.
ein wichtiger schritt in diesem prozess ist das verbalisieren. das kann ein gespräch mit einem freund, familienangehöriger oder partner sein, hauptsache jemand der unser vertrauen genießt. sind die gedanken einmal ausgesprochen liegen sie uns nicht mehr so schwer auf der seele.
ein tagebuch zu führen oder mit sich selbst zu sprechen ist auch keine schlechte möglichkeit. indem wir unsere verletzung in worte fassen befreien wir unsere gefühle aus der isolation, wir erklären sie uns selbst und geben ihnen eine form, mit der wir umgehen können.
wenn eine verletzung ausgesprochen ist, hört sie auf, irgendetwas zu sein und wird zu einem teil unseres lebens.
die verletzungen in uns sehnen sich nach kommunikation, akzeptanz
und verständnis. eine person unseres vertrauens kann uns sehr hel-
fen, aber der einzige mensch, der verletzungen wirklich heilen kann,
sind wir selbst!