Ich habe mich aus gegebenem Anlass auch gerade gefragt, ob es falsch ist, zu schnell Sex zu haben.
Ehrlich gesagt: ich weiß es nicht. Wenn ich nur davon ausgehe, wie ich es empfinde, dann ist es nicht falsch. Es ist dann nicht falsch, wenn ich Lust darauf habe.
Wenn jemand mir am ersten Abend einer Begegnung so gut gefällt, dass es sich ganz selbstverständlich anfühlt, sich näher zu kommen, warum sollte man es nicht tun? Warum sollte man da künstlich eine Grenze ziehen, die man in diesem Moment nicht empfindet?
Dafür gibt es doch nur den einen Grund: die Befürchtung, das Gegenüber könnte sofort das Interesse an einem verlieren, wenn man zu schnell aufs Ganze geht...
Oft ist das leider auch so. Für mich persönlich war es noch nie so. Im Gegenteil. Wenn ich mit jemandem eine tolle Zeit hatte, inklusive schönem Sex, dann habe ich eigentlich grundsätzlich das Bedürfnis, es nicht bei einer Begegnung zu belassen.
Ich finde es schwierig, für jemanden gerade genug zu empfinden, um Spaß an einer einzigen Nummer zu haben. Für einmal reicht die Neugier, die Lust, der Spaß, aber für öfter nicht? Wie geht das? Das bedeutet doch, dass alles im Grunde nur so mitteltoll war. Und wenn ich jemanden nur so mitteltoll finde, dann mach ich mich gar nicht erst nackig.
Ich stelle aber fest, dass das nicht viele Menschen so sehen. Vor allem sehen ganz offenbar viele Männer das nicht so. Das beweist für mich, dass Männer und Frauen doch irgendwo eine unterschiedliche Sichtweise auf und Herangegensweise an Sex haben.
Ich schlafe nur mit jemandem, den ich toll finde. Und wenn ich jemanden toll finde, möchte ich dringend mehr über ihn wissen und öfter mit ihm zusammen sein. Das geht für mich Hand in Hand. Und wenn ich jemanden toll finde, dann habe ich auch kein Problem damit, ihm das gleich am ersten Abend Haut an Haut zu beweisen. Ich persönlich fühle mich dadurch nicht abgewertet.
Dieses Spielchen á la "Wer am ersten Abend in die Kiste geht, der meint es nicht ernst, der ist sich nichts wert, der will nur die schnelle Freude" finde ich für mich nicht schlüssig. Sexuelle Anziehungskraft hat immer eine gewisse Dynamik. Und wenn zwei Leute sich am ersten Abend gegenüberstehen und es passt, wieso soll man es nicht tun? Und vor allem: wieso soll man es nicht tun OHNE dabei dann schon klar zu machen, dass außer einem schnellen Abschuss nix weiter sein wird?
Ich bin so vermessen, zu sagen, dass Sex mit mir ein Geschenk ist. Ein Geschenk, dass Menschen vorbehalten ist, die ich für etwas Besonderes halte. Und wen ich besonders finde, den finde ich auch am nächsten Morgen noch besonders. Und am Tag danach und in der Woche danach.
Ich hatte auch schon One-Night-Stands und ich mochte das Gefühl danach nie. Es ist so... schal. Selbst wenn der Sex an sich gut war... wenn jemand danach keine Lust hat, ihn jemals zu wiederholen, dann war die ganze Nummer nichts wert. Einmal drüber und abspritzen... man hat sich entblöst, man hat sich nackt gesehen, man hat sich berührt auf eine Weise, die ungeheuer intim ist, man ist für ein paar Stunden ineinander versunken. Das ist für mich... es ist alles mögliche, aber kein Konsumgut und schon gar keine Fast-Food-Veranstaltung. Wenn ich Sex habe, dann ist daran grundsätzlich nicht nur mein Unterleib beteiligt. Der Kopf und das Herz müssen auch zustimmen. Es muss eine Verbindung da sein. Es muss der dringende Wunsch da sein, jemandem so nah wie möglich kommen zu wollen.
Und das verschwindet nicht einfach so mit einem großen "Puff", nur weil am nächsten Morgen die Sonne wieder aufgeht.
Warum ich das alles schreibe?
Weil es mir Angst macht, wie ein Burger konsumiert zu werden. Und weil es mir irgendwie ans Herz und ans Gefühl geht, wenn jemand hier schreibt - so wie die TE - dass sie beschlossen hat, für "schnellen Sex" nicht mehr zur Verfügung zu stehen, weil sie jetzt "echte Liebe" möchte.
Wieso sind das Gegensätze? Wenn ich Sex habe, ist es natürlich nicht immer gleich echte Liebe. Echte Liebe fußt auf sehr viel mehr Dingen als auf Sex allein.
Aber was ist "schneller Sex"? Ist der so schnell, dass er "Zapp" an einem vorbeirauscht, ohne dass da Zeit war, eine Verbindung zueinander zu spüren? Ist dass nur die spontane Reibung zweier Geschlechtsteile aneinander? Bonobos haben schnellen Sex. Mal gesehen im Fernsehen? Der Bonobomann packt sich seine Bonobofrau, schmeißt sie unvermittelt auf dem Rücken, hoppelt ein wenig auf ihr herum und das war's. Ist das schneller Sex?
Sex als Konsumgut, ist das schneller Sex? Sich treffen, pro forma ein wenig Konversation, dann ab ins Hotelzimmer, danach ein verschämtes "Ja, war schön, mach's gut", Sachen zusammensuchen, wieder raus in die Wirklichkeit?
Puh.
Nein, das will ich so auch nicht. Und das sage ich, obwohl ich NICHT mehr auf der Suche bin nach der echten Liebe. Ich bin in dieser Hinsicht gut versorgt, aber weil ich offen lebe, habe ich eben auch manchmal Sex mit anderen Menschen als meinem Partner. Aber auch in diesen Situationen binde ich mich stets und aus Überzeugung jedes Mal über den puren Konsum hinaus. Wenn ich jemanden so nah kommen lasse, dann immer weil ich in diesem jemand mehr sehe als eine schnell konsumierte Bulette zwischen zwei Brötchenhälften.
Ob Sex Konsumgut ist, wie "schnell" und wie unbedeutend Sex ist, das entscheidet man selbst, glaube ich. Ich sehe Sex auch außerhalb meiner festen Beziehung nicht als Konsumgut, ich benutze Menschen nicht, um mich an ihnen abzureagieren oder mein Ego zu pflegen. Wenn das bedeutet, dass ich immer auch ein wenig mein Herz in den Ring werfe, immer ein wenig zulasse, mich zumindest spontan zu verknallen, dann ist das so. Ich konsumiere nicht, ich schenke mich. Ich feiere den Moment und ich will, dass der Moment sich wiederholt. Ich will tief in Menschen dringen, nicht nur körperlich. Und weil das so ist und grundsätzlich so ist, gibt es für mich keinen "schnellen Sex". Selbst dann, wenn er am ersten Abend stattfindet, ist er für mich nie oberflächlich.
Ich wünsche der TE, dass sie zu einer Einstellung kommt, die keinen tiefen Graben sieht zwischen "schnellem Sex" und "wahrer Liebe". Auch wahre Liebe begann irgendwann einmal mit Sex. Sex ist, wenn zwei Menschen sich berühren. Man sollte nicht aufhören, das wertzuschätzen. Man sollte es nicht hinunterschlingen wie schlecht zubereitetes Industrieessen. Man sollte sich nicht verschwenden. Man sollte sich verschenken. Jedes Mal.