Geschafft... sorry, etwas länger
Vielen Dank für Eure Meinungen und teilweise sehr ausführlichen Antworten. Hat mich schön überrascht, daß das Thema auf so ein Interesse gestoßen ist.
Vor allem hat mich überrascht, daß einige schon hautnahe Erfahrungen mit Erkrankten sammeln konnten. Normalerweise ist das ja ein Thema, bei dem viele denken – betrifft andere, nicht mich. AIDS findet irgendwo in Afrika statt. Das liegt u.a. auch daran, daß wir in der „glücklichen Lage“ sind, unsere Kranken in Hospitälern unterzubringen. Aus den Augen, aus dem Sinn - Genau deshalb ist es auch in Deutschland eben wieder auf dem Vormarsch.
Genau deshalb marschier ich grad durch Schulen und mach ne Aufklärungsstunde. Am Ende können die Kiddies anonym Fragen auf Zettel schreiben, die sie geklärt haben möchten, sich aber nirgendwo zu fragen trauen. Dagegen ist der Joyclub manchmal noch ein Brave-Töchter-Internat...
Aber
@****ad:
AIDS ist ein Syndrom (Acquired Immune Deficiancy Syndrome = Erworbenes Immundefekt-Syndrom). Das bedeutet, es ist einfach nur eine zusammenfassende Beschreibung verschiedener typischer Symptome, di entstehen, wenn das HI-Virus (HIV) die Immunzellen kaputtmacht.
Das HI-Virus kann man heutzutage (noch) nicht aus dem Körper treiben oder im Körper abtöten.
HIV (bzw. AIDS als der Krankheitsausbruch) sind also NICHT heilbar. Egal, was der eine oder andere mal gehört oder gelesen haben mag. Wer HIV-infiziert ist, wird (wenn nichts anderes zuvorkommt) auch an HIV sterben!
Man infiziert sich und hat erstmal die Zeichen der akuten HIV-Infektion: Man fühlt sich schlecht, vielleicht ein wenig Fieber, Gliederschmerz, Kopfschmerz... ganz unspezifisch, wie jeder normale Virusinfekt. Klingt von selber nach einigen Tagen bis Wochen ab. Wird auch meist für nen grippalen Infekt gehalten und nicht weiter beachtet.
Dann ist man HIV-positiv (HIV-infiziert), kann andere anstecken und fühlt sich ansonsten pudelwohl – und es gibt kein Anzeichen, an dem man einen HIV-positiven erkennt.
Irgendwann, evtl erst nach ein paar Jahren vermehren sich die Viren in vor allem genau den Abwehrzellen (T-Helferzellen), welche die Körperabwehr koordinieren und auch in den Körperabwehrzellen. Das ist so, als würde ein Geiselnehmer die Leitstelle und das Geisel-Sondereinsatzkommando als Geiseln nehmen. Da steht die Körperabwehr ganz schön blöd und hilflos da. Und dabei gehen die Abwehrzellen kaputt.
Und wenn die Körperabwehr schwach genug ist, kommen die ganzen anderen Erkrankungen und nutzen diese Chance. Dann kommen Krankheitserreger zur Geltung, die einem gesunden sonst nichts anhaben können: Pilze wachsen in der Lunge, Bakterien wandern ins Gehirn, eine einfache Blasenentzündung lässt einen gleich Blut pinkeln, ein Schnupfen bleibt kein Schnupfen sondern wird zur Lungenentzündung, bis der Eiter in den Bronchien steht und man gar nicht so viel abhusten kann, weil alle Schleimhäute bereits entzündet und offen sind, weil es nicht bei Halsschmerzen bleibt, sondern gleich alles zuschwillt eine Angina ein Witz dagegen ist, .... außerdem fällt auch die Kontrollfunktion des Immunsystems beim Zellbau aus: Weil die Immunzellen fehlerhaft geteilte Zellen nicht mehr abtöten, fangen Tumore an zu wuchern. Auf der Haut kennt man die sogenannten Kaposi-Sarkome (die Flecken, die Tom Hanks in Philadelphia im Gesicht bekam). Aber solche Dinger wachsen überall im Körper. Im Darm können sie zu verschlüssen führen, bis man operiert wird oder platzt, in den Knochen und Gelenken können sie zu spontanen Brüchen führen, in der Leber können sie die Funktion einschränken, daß man gelb wird und sich an den eigenen Körperabfällen vergiftet,... all diese Krankheiten gelten als AIDS-definierend. Und wenn sie auftreten, ist aus HIV-positiv AIDS-krank geworden. Natürlich treten nicht alle Erscheinungen ein. Manche sind häufiger und manche (wenige) sind seltener. Sämtlich aber entziehen die Erkrankungen dem Körper Energie („konsumierende Erkrankungen“), man wird unaufhaltsam schwächer, daß jede Bewegung schmerzt, daß durchs bloße Liegen die Haut aufscheuert, weil man sich nicht mehr wenden kann und daß sogar jeder Atemzug zur quälenden Arbeit wird. Was ich aber sagen will ist: Mit AIDS bekommt man keinen kleinen Schnupfen, Fieber, fällt nach drei Tagen ins Delir und wacht nicht mehr auf.
Man stirbt nicht plötzlich an einem kleinen Schnupfen. Der kleine Schnupfen ist nur der Anfang, der sich massiv bis hin zu Eiterabszessen in der Lunge auswächst. Mit AIDS stirbt man langsam, leidend, schmerzvoll und grausam siechend über Tage, meist aber Monate und manchmal auch über Jahre.
Moderne Medikamente zielen darauf ab, die Zeit zwischen HIV-Infektion und Ausbruch von AIDS-definierenden Erkrankungen zu maximieren. Dabei versucht man, die Virenanzahl im Körper zu drosseln, bzw. die Zahl der T-Helferzellen oben zu halten. Die Therapie funktioniert nach dem Schema: Wirkstoff verabreichen, bis das Virus resistent ist, dann zum nächsten Wirkstoff wechseln usw.. Weil es wirksamer ist, kombiniert man mehrere Wirkstoffe gleichzeitig miteinander. Das wurde früher Highly Active Anti-Retroviral Therapy (HAART) genannt, heutzutage sagt man eher combined Anti-Retroviral Therapy (cART) – das ist neutraler, korrekter und „hochaktiv“ klingt vielleicht zu hoffnungsweckend? Jedenfalls kann man auf diese Weise durchaus 20-30 Jahre überbrücken ehe einem die Wirkstoffe ausgehen. Aber irgendwann ist das Arsenal leer und die Krankheit kann dann irgendwann mal ausbrechen.
Ein normales Leben ist mit HIV kaum oder gar nicht möglich. Bis vor kurzem musste man streng nach Stundenplan ca 20 Tabletten über den Tag verteilt schlucken. Die richtige Tablette zur richtigen Zeit, damit es wirken kann. Auch nachts musste man mehrfach zur Einnahme aufwachen. Das hat sich ein wenig gebessert. Die meisten cART-Medikamente werden aktuell in ein paar Mittagstabletten eingenommen. Und demnächst soll auch einen einmaltägliche Tablette kommen. Ein normales Leben ist das aber immer noch nicht. Man ist abhängig von regelmäßigen Arztbesuchen und auch von seinen Medikamenten. Einfach so spontan in den Urlaub fahren ist nicht mehr – da sollte schon geplant und der entsprechende Medikamentenvorrat vorgesorgt werden. Und die Therapie ist auch nebenwirkungsbehaftet. Und je weiter man in der Therapie vorrücken muß, desto schwerere Nebenwirkungen nimmt man in Kauf: unkontrollierbarer Durchfall, Übelkeit und Kopfschmerzen. Außerdem kommt es zu einer typischen eigentümlichen Fettverteilungsstörung: die Wangen fallen ein, der Bauch wird dick. Ähnlich wie bei einer Leberzirrhose –
daran und an den typischen Hauttumoren (Kaposisarkome) erkennt man dann einen AIDS-Kranken. HIV kann man keinem ansehen. Wer aber lange mit bestimmten HIV-Medikamenten behandelt wird, der wird relativ typisch stigmatisiert.
Außerdem sollte man die psychische Komponente nicht vergessen: Das Bewusstsein, seinen Tod zu kennen. Jedes Mal Sorge zu haben, wenn man am Körper was bemerkt. Man wird täglich durch die Medikamente an seine Krankheit erinnert, kann sie nicht verdrängen und darf nicht mal so eben die Tabletten vergessen, um dann wie bei der Pille – verdammter Mist – den Rest des Monats halt Kondome zu verwenden.
Und das Soziale: Die Vorurteile, die Ausgrenzung, der nicht mehr unbefangene Umgang mit anderen. Im Sportverein – wer weiß denn schon, daß man sich über Körperschweiß nicht anstecken kann? Wer will sich freiwillig sorgenfrei beim Basketball am Schweiß eines HIV-positiven reiben? Wer lässt einen HIV-positiven auf der Feier ohne nachzudenken von seinem Cocktail probieren, ob er sich denselben bestellt?
Ich hoffe, daß ich damit die Fragen beantwortet habe: „AIDS-Kranke siechen meist langsam dahin und sind im späteren Stadium daher einfach zu erkennen.“ Wäre meine Antwort gewesen, aber „alle obigen Aussagen sind falsch“ würde ich zur Not auch noch gelten lassen...
Ich will nicht alles verderben oder schlecht machen. Ich will auch keine Panik schüren. Es geht darum:
HIV und AIDS kann man nicht heilen. Der einzige Weg, den AIDS-Tod zu vermeiden ist, sich nicht zu infizieren. Sich zu schützen!
Und Schutz ist effektiv möglich: Sperma und Blut meiden, Kondome benutzen! SaferSex praktizieren (darunter fällt z.B. auch Oralverkehr ohne Sperma
).
Keine Panik, aber Vorsicht!