Danke, Vulkanino! Flo scheint geläutert..
Mir schwirren schon einige Gedanken zu diesem Thema im Kopf und Herzen herum. Da paßt Vinzenz von Paul recht gut:
Die empfangene Ungerechtigkeit zu verzeihen bedeutet,
sich selbst die Wunde seines Herzen heilen.
Natürlich denkt man unwillkürlich an einen "eigenen" Anlass. Ich schiess meine Gedanken hier mal raus (auch etwas lebensphilosophisch versunken und nicht ganz ausgegoren, nicht in Gänze zuende gedacht.) Ich hoffe, ich finde hierzu "Spiel-Partner".
Wichtig: Bei meinen Überlegungen habe ich Straftaten im Sinne des Gesetzes ausgelassen. Hier geht es um zwischenmenschliche Beziehungen, hier geht es ja um „alltägliche“ Schuld, die verziehen werden kann, darf, sollte, muß, müsste, könnte, und darum, OB oder NICHT.
Wie immer: Wovon reden wir hier überhaupt? Verzeihen. Was ist das? Der stete Kampf zwischen dem, was GUT ist und dem, was NICHT GUT ist? Also zwischen Gut (Liebe, Veränderung, Verbesserung, Weiterentwicklung) und Böse (Stagnation, zwanghaftes Festhalten an einmal eingeschlagene Wege, Unentrinnbarkeit)? Häufig wird bei all diesen Empfindungen die wichtigste übersehen: Die Liebe, und was sie vermag. Die zum anderen, die zu sich selbst.
Verzeihen... das ist so eine Sache. Was gilt es denn zu verzeihen. Was ist Verzeihen, was ist Schuld (die es zu verzeihen gilt), ist es überhaupt Schuld? (.. an was? Unterscheiden zwischen arglistiger Täuschung mit niederträchtiger Motivation und etwas, was "geschieht", was aber nichts "Böses" wollte, aber leider sehr schmerzte.)
OK. Das Resultat aus was? Einer Untat, einem wirklichen Unrecht, welches wissentlich und willentlich verübt wurde, nicht nur ein subjektiv empfundenes, quasi eine eingebildete Kränkung oder Verletzung.
Bevor ich mich der Frage des Verzeihens zuwandte, habe ich mich monatelang beschäftigt mit "SEINER SCHULD", drauf rumgekaut, die Tiefe seiner Schuld beleuchtet, mein gelegentlich aufkeimendes Verständnis, mein Mitgefühl für ihn mit negativen Gedanken geradezu niedergekämpft, mich mit inbrünstiger Überzeugung in die Beleuchtung seiner Schuld und ihrer Auswirkung auf mich, uns beschäftigt. Kurz: ICH HABE MICH MIT DEM PROBLEM AUSEINANDER GESETZT, HABE ES VERARBEITET. (Dachte ich. Ich tat es lediglich aus MEINER SICHT. Eigentlich war ich irgendwann auf einem Kreuzzug. Und Scheisse, mir ging´s immer schlechter, auch als ich immer mehr "um mich schlug" - übrigens: Ich hätte lehrbuchmäßig in Cathys(?) "6 Phasen des Verzeihens" gepaßt!).
Es ging doch schließlich um MICH!! ICH war belogen worden! Es geht garnicht nicht, jemandem alles nachzusehen (das tue ich allenfalls mit meinen Kindern)!
Nichts, was der andere tun kann, um diesen Schmerz zu lindern. Man ist damit tatsächlich zunächst einmal allein. Sicherlich wird man sagen: Wenn du ……. In Zukunft nicht mehr machen wirst, dann kann ich …… und dir verzeihen. Ist natürlich Kokolores!
Beim Verzeihen geht es doch einerseits darum, ob man loslassen kann und dem anderen und sich selbst eine zweite Chance einräumt, andererseits um das „loslassen“ können, um unbeschwert in die eigene (eigenverantwortliche) Zukunft gehen zu können, zusammen oder allein. Im wahrsten Sinne praktisch gesehen: Einen NEUEN Weg einzuschlagen, unter neuen, "überarbeiteten" Voraussetzungen. ABER EBEN NICHT MEHR ALT, nicht mehr auf dem GESTERN basierend (... der sprichwörtliche Schnee hat hier gefälligst zu schmelzen!)
Die Erfahrung soll ja nicht misstrauischer machen, sondern einen fähiger machen, Dinge so zu sehen, WIE SIE SIND, ohne Täuschung.. Damit MEHR Vertrauen in sich und die eigene Wahrnehmung zu bekommen, Ängste und Abhängigkeiten abzubauen. (Hört sich nach einer ziemlichen Forderung nach Nächstenliebe, Eigenliebe an… bin ja auch bekennender Anhänger Erich Fromms)
Ent-Täuschung. Die grosse Entrüstung, die scheinbar unendlich große und nie enden wollende Verletzung, die Kränkung darüber, dass man angelogen, betrogen, hintergangen worden ist, vielleicht sogar Ent-Täuschung über nicht erfüllte Träume, Wünsche, Hoffnungen. Das kann mitunter genauso wirken, wie eine wahre Untat.
Heißt nichts anderes, dass ich vorher von falschen Tatsachen, Voraussetzungen ausgegangen bin, dass ich falsche Schlüsse gezogen habe. Täuschung, Illusion. Worin liegt die Täuschung und damit der Schmerz, den wir empfinden? Ist man nun getäuscht worden oder hat man sich täuschen lassen, hat man sich getäuscht.
Ich denke, es ist genau das: Nicht das Wahrhaftige, die Wirklichkeit gesehen, erkannt zu haben. (Ob man es nun hätte „besser wissen“ müssen, oder wirklich arglistigst und auf gemeinste, hinterhältigste Weise getäuscht worden ist, ist zunächst für das sich einstellende Schmerzgefühl egal.)
Was schmerzt? Es ist die Ent-Täuschung, das Abschied-nehmen-müssen (ist es nicht eher eine Chance es zu dürfen, zu können?) von einer Vorstellung, die für uns Realität, manchmal sogar Grundlage für einen Lebensplan, eines Lebensgefühls war? Ent-Täuschung in Bezug auf eine Erwartungshaltung. Auch natürlich der Schmerz, den wir haben, weil wir MEINEN, ent-täuscht worden zu sein.
So, erst mal der erste Versuch in Kladde. Ich hoffe, dieser Thread bleibt recht lange aktiv. Gerade hier im JC scheint es viel zu geben, was man gedanklich mit Worten verknüpft, assoziiert wie Liebe, ..aus Liebe.., weil er/sie nicht...., unbefriedigt...., brauche Hilfe...
Sobald ein Schmerz empfunden wird, taucht die Frage nach der "Schuld" der Ursache auf. Und schon dreht sich das Karussell.
Florestine
(An dieser Stelle einen von Herzen kommender Gruß an die Antaghars, Huffi und an Micha_Tina. Manchmal die ist Überraschung riesengroß, wenn man feststellt, dass die Wahrheit und die Möglichkeiten, die hinter der Ent-Täuschung warten, viel schöner sind, als das, was man befürchtete!)