Ich habe vor kurzem eine Geschichte gehört. Sie spielt im Orient zu seiner Blütezeit. Ein Mensch hat etwas sehr schlechtes getan. Vor dem Kadi erhält er den Richtspruch, dass er deswegen nicht getötet wird, sondern mit seinem Gewissen weiter leben muss.
"Verzeihen ist die beste Rache." - Sprichwort
Man kann es auch von der anderen Seite sehen: Aus einem Interview mit Verena Kast, die ein Buch zum Thema geschrieben hat:
Grüße
Jürgen
"Verzeihen ist die beste Rache." - Sprichwort
Man kann es auch von der anderen Seite sehen: Aus einem Interview mit Verena Kast, die ein Buch zum Thema geschrieben hat:
In Ihrem aktuellen Buch "Wenn wir uns versöhnen" sprechen Sie nicht von "vergeben", sondern von "verzeihen". Was ist für Sie persönlich der Unterschied?
Verzeihen heißt für mich, die Ansprüche auf Rache, auf Genugtuung aufzugeben. Das ist das, was ich als Person anbieten kann. Vergeben ist für mich ein eher religiös geprägter Begriff und bezieht sich mehr auf den anderen Menschen und die Missetat.
Warum ist es wichtig, verzeihen zu können?
Indem wir verzeihen, befreien wir uns aus der Opferrolle und geben dadurch dem anderen Menschen auch nicht mehr den Status eines Angreifers. Durch diese Selbstermächtigung fühlen wir uns frei und haben wieder Energien, das Leben miteinander zu gestalten. Wir fühlen uns dann auch nicht mehr latent bedroht, sondern erfahren, dass wir Einfluss auf das Leben nehmen können, was allerdings schwieriger ist, als passiv zu sein.
Ziehen viele Menschen deshalb die Opferrolle der Freiheit vor?
In der Opferrolle kann man sich so herrlich ungerecht behandelt fühlen, die Welt ist so schlecht und man selbst zwar der Leidtragende aber moralisch wunderbar überlegen. Dass man dabei unfrei ist, andere über sich entscheiden lässt, auch über seine Gefühle, fällt einem in diesem Zustand der Selbstgerechtigkeit nicht auf.
Fällt es leichter, anderen zu verzeihen als sich selbst?
Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und hängt von vielen Faktoren ab: davon, wie wichtig die Beziehung zum anderen ist, aber auch davon, ob wir gelernt haben und stark genug dafür sind, die Eigenschaften, die wir an uns nicht gern sehen, zu akzeptieren.
Inwiefern ist Selbstakzeptanz wichtig, um verzeihen zu können?
Wir Menschen präsentieren uns gern ein wenig besser, als wir sind. Das bedeutet, dass wir immer auch Seiten haben, die wir nicht zeigen und auch selbst nicht wahrhaben wollen. C. G. Jung hat diese Seiten "Schattenanteile" genannt. Reagieren wir "schattenhaft" und nehmen es wahr, ist es uns unangenehm, lästig, peinlich. In der Regel aber wehren wir den Schatten ab und projizieren ihn auf unsere Mitmenschen. Diese sind dann lieblos oder neidisch oder wütend wir doch nicht! Wir reklamieren Veränderung, wo wir uns selbst verändern müssten. Gelingt es uns, unsere eigenen Schattenseiten zu akzeptieren, fällt uns das auch bei unseren Mitmenschen leichter. Dann ist es einfacher, sich selbst und anderen zu verzeihen und sich zu versöhnen.
Wieso erscheint die Fähigkeit, gerade eine schwerwiegende Tat zu verzeihen, als etwas Außerordentliches?
Es gibt Erfahrungen, die die meisten von uns für unverzeihlich halten, etwa einen Angriff auf unser Leben. Da würden wir wohl lange in der Haltung der Empörung stecken bleiben. Uns allenfalls versöhnen mit dem Leben, das solche Ungeheuerlichkeiten kennt. Wer geprägt ist vom Gedanken der Versöhnlichkeit als Aspekt der Liebe, wie es offenbar Papst Johannes Paul II. war, versteht, dass jeder Mensch in jeder Situation Verzeihung braucht und sie auch erhalten soll. Eine solche Haltung ist außergewöhnlich und könnte auch ein Signal für Versöhnlichkeit in der Welt sein.
Ist verzeihen können nicht auch ein Teilaspekt davon, dass wir als Menschen selbst für unser Wohlergehen in der Welt verantwortlich sind?
Das Konzept der Selbstsorge ist etwas in den Hintergrund getreten. Mit Selbstsorge ist nicht Egoismus gemeint, sondern ein bewusstes Gestalten des eigenen Lebens in der Beziehung zu anderen, und zwar so, dass es ein "gutes Leben" wird, für uns und für die anderen. Das ist unsere eigene Verantwortung. Am Verzeihen wachsen wir enorm.
Wie sieht der Prozess des Sich-Versöhnens aus?
Zuerst kommen Rachegefühle auf, damit unser Selbstwertgefühl wiederhergestellt wird. Dann merken wir, dass auch wir nicht perfekt sind. Wir stellen uns Fragen wie: Was habe ich selbst zu der Situation beigetragen, was der andere? Hat ein "altes Thema" die Situation mitverursacht, ein Muster aus meiner Kindheit? Wichtig ist der Moment der Empathie: Ich verstehe mich und verstehe den anderen. Nur wenn ich auch meine dunklen Seiten akzeptiere, kann ich verzeihen und bin bereit für ein Ritual der Versöhnung.
Verzeihen heißt für mich, die Ansprüche auf Rache, auf Genugtuung aufzugeben. Das ist das, was ich als Person anbieten kann. Vergeben ist für mich ein eher religiös geprägter Begriff und bezieht sich mehr auf den anderen Menschen und die Missetat.
Warum ist es wichtig, verzeihen zu können?
Indem wir verzeihen, befreien wir uns aus der Opferrolle und geben dadurch dem anderen Menschen auch nicht mehr den Status eines Angreifers. Durch diese Selbstermächtigung fühlen wir uns frei und haben wieder Energien, das Leben miteinander zu gestalten. Wir fühlen uns dann auch nicht mehr latent bedroht, sondern erfahren, dass wir Einfluss auf das Leben nehmen können, was allerdings schwieriger ist, als passiv zu sein.
Ziehen viele Menschen deshalb die Opferrolle der Freiheit vor?
In der Opferrolle kann man sich so herrlich ungerecht behandelt fühlen, die Welt ist so schlecht und man selbst zwar der Leidtragende aber moralisch wunderbar überlegen. Dass man dabei unfrei ist, andere über sich entscheiden lässt, auch über seine Gefühle, fällt einem in diesem Zustand der Selbstgerechtigkeit nicht auf.
Fällt es leichter, anderen zu verzeihen als sich selbst?
Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und hängt von vielen Faktoren ab: davon, wie wichtig die Beziehung zum anderen ist, aber auch davon, ob wir gelernt haben und stark genug dafür sind, die Eigenschaften, die wir an uns nicht gern sehen, zu akzeptieren.
Inwiefern ist Selbstakzeptanz wichtig, um verzeihen zu können?
Wir Menschen präsentieren uns gern ein wenig besser, als wir sind. Das bedeutet, dass wir immer auch Seiten haben, die wir nicht zeigen und auch selbst nicht wahrhaben wollen. C. G. Jung hat diese Seiten "Schattenanteile" genannt. Reagieren wir "schattenhaft" und nehmen es wahr, ist es uns unangenehm, lästig, peinlich. In der Regel aber wehren wir den Schatten ab und projizieren ihn auf unsere Mitmenschen. Diese sind dann lieblos oder neidisch oder wütend wir doch nicht! Wir reklamieren Veränderung, wo wir uns selbst verändern müssten. Gelingt es uns, unsere eigenen Schattenseiten zu akzeptieren, fällt uns das auch bei unseren Mitmenschen leichter. Dann ist es einfacher, sich selbst und anderen zu verzeihen und sich zu versöhnen.
Wieso erscheint die Fähigkeit, gerade eine schwerwiegende Tat zu verzeihen, als etwas Außerordentliches?
Es gibt Erfahrungen, die die meisten von uns für unverzeihlich halten, etwa einen Angriff auf unser Leben. Da würden wir wohl lange in der Haltung der Empörung stecken bleiben. Uns allenfalls versöhnen mit dem Leben, das solche Ungeheuerlichkeiten kennt. Wer geprägt ist vom Gedanken der Versöhnlichkeit als Aspekt der Liebe, wie es offenbar Papst Johannes Paul II. war, versteht, dass jeder Mensch in jeder Situation Verzeihung braucht und sie auch erhalten soll. Eine solche Haltung ist außergewöhnlich und könnte auch ein Signal für Versöhnlichkeit in der Welt sein.
Ist verzeihen können nicht auch ein Teilaspekt davon, dass wir als Menschen selbst für unser Wohlergehen in der Welt verantwortlich sind?
Das Konzept der Selbstsorge ist etwas in den Hintergrund getreten. Mit Selbstsorge ist nicht Egoismus gemeint, sondern ein bewusstes Gestalten des eigenen Lebens in der Beziehung zu anderen, und zwar so, dass es ein "gutes Leben" wird, für uns und für die anderen. Das ist unsere eigene Verantwortung. Am Verzeihen wachsen wir enorm.
Wie sieht der Prozess des Sich-Versöhnens aus?
Zuerst kommen Rachegefühle auf, damit unser Selbstwertgefühl wiederhergestellt wird. Dann merken wir, dass auch wir nicht perfekt sind. Wir stellen uns Fragen wie: Was habe ich selbst zu der Situation beigetragen, was der andere? Hat ein "altes Thema" die Situation mitverursacht, ein Muster aus meiner Kindheit? Wichtig ist der Moment der Empathie: Ich verstehe mich und verstehe den anderen. Nur wenn ich auch meine dunklen Seiten akzeptiere, kann ich verzeihen und bin bereit für ein Ritual der Versöhnung.
Grüße
Jürgen