Für Bärchen's Hasi
Liebe Hasi,
gut möglich, dass ich, als ich in Deinem Alter war, einen Beitrag, wie ich ihn verfasst habe, ähnlich kommentiert hätte. Erstaunlich, wie ihr (Hasi & Bärchen) schon in solch jungen Jahren mit eurer Sexualität umgeht. Ich interpretiere aus deinen Zeilen, dass die Ehe deiner Eltern unter einer Affäre deines Vaters (oder Mutter) gelitten hat, vielleicht sogar in die Brüche ging. Aber eine Affäre oder die Bereitschaft, bzw. der Wunsch nach einer solchen hat ja auch immer eine Vorgeschichte, so dass ich meine, nicht erst ein so genanntes „Geheimnis“, sondern in erster Linie dieser Weg dorthin, der sicherlich auch schon mit einem gewissen Leidensdruck für alle Beteiligten verbunden ist, macht eine Beziehung/Partnerschaft labil.
In meiner Partnerschaft ging die Sexualität verloren, obwohl ich immer darum kämpfte. Die Gründe sind mir ein Rätsel, da öffnet sich mir ein großer mystischer Raum, gefüllt mit tiefer Dunkelheit. Ich selbst vermute die Ursache (mittlerweile) eher im Innersten meiner Gefährtin – wie sie selbst es sieht, weiß ich nicht. Sie äußert sich hierzu ausweichend oder gar nicht, ich vermute deshalb, sie sieht eine noch größere Dunkelheit als ich. Dem entgegen steht eine immer wiederkehrende Zärtlichkeit, zart und behutsam wie am ersten Tage, aber mit der gewachsenen Tiefe einer großen Verbundenheit.
Ich gebe zu, die fehlende Sexualität ist ein großes Problem für mich, es schmerzt, sehr sogar. Ich könnte mich trennen, klar. Ich hatte es versucht, sie kämpfte mit aller Macht dagegen an und ließ es nicht zu – ich merkte, im Grunde will ich es auch nicht. Aber unser Unvermögen, über unsere Sexualität zu kommunizieren, hielt unverändert an. Eine Beziehung definiert sich nicht nur über Sexualität, in anderen Bereichen klappt unser Zusammenleben gut, genau wie die Kommunikation in anderen, uns betreffende Themen.
Meiner eigenen Sexualität muss ich Raum geben, alles andere macht krank, das habe ich erkannt. Offen mit meiner Gefährtin über die Bahnen, welcher sich mein Sexualtrieb verschafft, zu sprechen, wäre meinem Empfinden nach destruktiv. Zu einer Trennung würde es vermutlich (vielleicht auch nur noch) nicht kommen, zu den bisherigen Knoten kämen neue hinzu. Meine Entscheidung, welchen Weg ich gehe, mag falsch sein, ich sehe keinen anderen. Diese Freiheit nehme ich mir, ich gestehe sie mir auch zu. Angst vor dem Moment, sie würde meine nach „außen gerichteten“ Aktivitäten entdecken, habe nicht, ich könnte und würde damit umgehen. Aber ich bin mir sicher, sie wird sie nicht entdecken – weil sie nichts entdecken will. Mein Empfinden mag für einen solch jungen Menschen wie du es bist, nicht so sehr nachvollziehbar sein – aber Deine persönliche Ansprache war mir dennoch eine offene Entgegnung wert. Ich weiß, auch Forumslesern in meinem Alter erschließt sich meine Sichtweise nicht automatisch, deshalb gleich mein Hinweis, ich bestehe nicht darauf, dass mein Weg ein weiser ist, ich weiß, dass er von manchem verachtet wird – aber es ist der Weg, der für mein Selbst im Moment der einzig gehbare ist.
Herzliche Grüße, ich wünsche dir eine gute Zeit mit Bärchen