Es geht darum, dass ich keine Doppelrolle spielen moechte. Ich moechte kein Leben A und B aufbauen, die nichts miteinander zu tun haben. Ich moechte in Ruhe EIN Leben führen und nicht zwei gleichzeitig. Ich möchte nicht, dass in meinem "normalen" männlichen Leben ständig eine weibliche Rolle im Hintergrund rumspukt. Das belastet mich auf Dauer zu sehr, macht ein normales Leben unmöglich. Ich möchte an mir herunterschauen können und mich sehen, nicht ständig irgendwas anderes.
Nun gut, ich habe das verstanden. Keine leichte Aufgabe, die Du dir da gestellt hast. Ich für meinen Teil muss zugeben, dass die Teilzeitfrau in mir ein Bestandteil meines Lebens ist, ein Bestandteil, den ich keinesfalls missen möchte.
Ich muss nun nicht wirklich jede/r/m auf die Nase binden, wer oder was ich bin, einige Situationen kann ich immer noch klar und deutlich trennen. Z. B. würde es mir nie einfallen, am Arbeitsplatz als Frau aufzutauchen, auch wenn es mittlerweile sehr viele Frauen gibt, die einen klassischen Männerberuf ausüben. Und das machen diese Damen nicht einmal schlecht, im Gegenteil, wenn im Maschinenbau Genauigkeit gefragt ist, können Frauen ziemlich filigran arbeiten.
Im Berufsleben muss man sich ganz klar vor Augen halten, davon ist die eigene Existenz abhängig. Da muss der Chef hinter einem stehen und es müssen auch noch die Kolleg/inn/en hinter mir stehen. Ich habe da zwar keinerlei Erfahrung, aber ich denke, im Zweifelsfall ist Mobbing vorprogrammiert.
Aber ich trage die Teilzeitfrau in mir jederzeit zumindest in meinem Herzen mit mir herum. Ich möchte sie nicht verleugnen, nicht vor mir selbst. Ich habe lange genug versucht, meine Gefühle zu unterdrücken, es geht einfach nicht. Ich denke, es ist ein Bestandteil unseres Lebens, das anzunehmen und zu akzeptieren, was in uns schlummert und zur rechten Zeit es auszuleben, es ist EIN Leben.
Ich kann ohne Probleme zeitweise eine weibliche Rolle spielen, auch in der Öffentlichkeit, mich damit sättigen, aber danach muss es auch wieder mal gut sein. Ich will in der weiblichen Phase kein anderes Privatleben aufbauen, selbst wenn es mich manchmal reizt, da es einen in der Weiblichkeit stark bestätigen würde. Würde ich es machen, könnte es sein, dass ich nicht mehr zurückfinde, mich die Weiblichkeit jeden Tag, jede Stunde, jede Minute "verfolgt".
Die Frage ist, wie handhabst Du dieses "danach". Ich möchte dies nicht pauschalisieren, ich kann nicht einfach sagen, so, heute habe ich die TZF gelebt, jetzt ist für zwei Wochen Ruhe damit. Dann würde mich meine Weiblichkeit in der Tat ständig verfolgen, da ich mein Anderssein nicht 100 %ig angenommen hätte. Aber dadurch, dass ich zumindest in meinem Herzen die Weiblichkeit mit mir herumtrage, fällt es mir wesentlich leichter, in Situationen, wo es nicht so gut ankommt, zu sagen, da sollte ich männlich wirken, geht eben nicht anders. Dadurch kann ich zwar keinen Macho heraushängen, aber das fehlt mir wahrlich nicht.
Es ist auch kein zweites Privatleben, welches am Stammtisch entstanden ist, die "Freundinnen", die ich am TZF-Stammtisch gefunden habe, sind ebenso Bestandteil meines Lebens wie alle anderen Freunde auch. Wenn ich z. B. zum Geburtstag einlade, dann lade ich jene Menschen ein, die mir nahe stehen, egal woher ich sie kenne und wer oder was sie sind. Dieses setzt natürlich ein Outing im normalen Leben voraus. Wenn jemand ein Problem damit hat, dass dann auch Teilzeitfrauen anwesend sind, nun, es steht jede/r/m frei, ob sie/er kommt, es ist nicht mein Problem.
Normale Gespräche mit anderen, die mich als Transgender erkennen, würden mir sofort das Gefühl eines verkleideten Mann geben und alles bricht zusammen.
Nun ja, es bleibt nun mal die Tatsache, dass wir verkleidete Männer sind. Wir müssen damit rechnen, dass wir entlarvt werden. Aber deshalb bricht nicht gleich eine ganze Welt zusammen, im Gegenteil, es bieten sich dann auch wieder Gelegenheiten, um mit anderen, "normalen" Menschen in Kontakt zu treten. Aber das sind nun mal die individuellen Gefühle jedes Einzelnen, die will ich keinem streitig machen.
Gerade bei Begegnungen mit Transgendern wird einem der Spiegel ja geradezu direkt vor Augen geführt. Daher vermeide ich dies lieber - bitte nicht persönlich nehmen, liebe Mitschwestern! - es ist halt für mich viel schöner in der Öffentlichkeit anonym umherzuwandeln, dabei kann ich meine wahre Situation viel einfacher vergessen.
Kann man das? Für mich war es der einfachere Weg, zuerst einen Stammtisch aufzusuchen, wenn auch vielleicht der längere. Aber dieser Umweg hat mir die notwendige Sicherheit gegeben, um im wahren Leben bestehen zu können. Heute bräuchte ich diesen Stammtisch eigentlich nicht mehr, aber ich kenne dort eben auch Leute, die mir sehr am Herzen liegen und die sich nur zum Stammtisch trauen.
Auch findet man beim Stammtisch Bestätigung, die Bestätigung, dass man wirklich feminin wirkt. Solange es heisst, wenn ich nicht weiblich rüberkomme, wer dann, ist die Welt völlig in Ordnung. Selbst die vorgestern anwesende Stylistin hat mir dies bestätigt, wobei sie doch zwei Kritikpunkte hatte. Einen davon konnte ich nicht nachvollziehen, beim anderen hatte sie recht, das wusste ich aber schon vorher.
Kurzum, ich will nicht A+B leben, sondern entweder oder.
Ich denke, dass ich das im Großen und Ganzen genauso handhabe, jedoch vergesse ich nie, wer oder was ich bin. Irgendwann holt einen sowieso die Realität ein, spätestens wenn man Fotos vom Kraftfahrtbundesamt zugeschickt bekommt. Ich hätte mich zwar mit der zuständigen Behörde "anfreunden" und erklären können, dass da eine Frau am Steuer meiner Karre sitzt, aber was hätte es genutzt? Die Adresse, an die die Rechnung geschickt werden soll, ist die gleiche. Ich habe mir also lange Diskussionen erspart und die 40 Euro stillschweigend bezahlt...