Geschichte einer Kerze
Als ich zum zweiten Mal in Lourdes war, beim ersten Mal hatte ich die abendliche Kerzenprozession verpasst, gingen meine beiden Begleiterinnen nach dem Abendessen schon mal voran, bevor ich bezahlt hatte. Der Ober ließ mit der Rechnung lange auf sich warten, die Dämmerung hatte schon eingesetzt, als ich endlich in der Nähe der Grotte ankam. Viele tausend Menschen hatten sich schon zur Lichterprozession versammelt, ich suchte im Halbdunkel unter ihnen nach meinen Begleiterinnen, die sich Kerzen hatten kaufen wollen. Durch die Eile hatte ich den Kauf verschwitzt. Als ich mich suchend umblickte, löste sich plötzlich ein Mann aus einer Gruppe von Portugiesen in etwa 10 m Entfernung, steuerte mich an und drückte mir eine neue Kerze in die Hand mit den Worten "Nehmen Sie diese Kerze, Sie werden Sie noch oft brauchen". Und ehe ich mich versah, verschwand er, als ob er sich aufgelöst hätte.
Und so zünde ich seither diese Kerze immer dann an, wenn meine Seele mir dazu rät, für Menschen, bei Geschehnissen, zuweilen auch für mich. Natürlich existiert das Original nur noch als Wachs im Originalpapierbecher, auf dem eine wesentlich dickere Kerze aufgepfropft wurde. Die Kerze spendet Trost und Zuversicht.
Eine Geschichte aus unbekannter Quelle möchte ich noch zitieren, weil bald wieder die vier Kerzen nacheinander angezündet werden, die uns das Näherrücken von Weihnachten signalisieren und ich sie einfach schön finde. Ich bin mir nie sicher, was zitiert werden darf, was nicht. So schade es wäre, müsste sie im zweiten Fall gelöscht werden:
Die vier Kerzen
Vier Kerzen brannten am Adventskranz. So still, dass man hörte, wie die Kerzen zu reden begannen.
Die erste Kerze seufzte und sagte: „Ich heiße Frieden. Mein Licht leuchtet, aber die Menschen halten keinen Frieden. „
Ihr Licht wurde immer kleiner und verlosch schließlich ganz.
Die zweite Kerze flackerte und sagte: „Ich heiße Glauben. Aber ich bin überflüssig. Die Menschen wollen von Gott nichts wissen. Es hat keinen Sinn mehr, dass ich brenne.“
Ein Luftzug wehte durch den Raum, und die zweite Kerze war aus.
Leise und traurig meldete sich nun die dritte Kerze zu Wort. „Ich heiße Liebe. Ich habe keine Kraft mehr zu brennen. Die Menschen stellen mich an die Seite. Sie sehen nur sich selbst und nicht die anderen, die sie lieb haben sollen."
Und mit einem letzten Aufflackern war auch dieses Licht ausgelöscht.
Da kam ein Kind in das Zimmer. Es schaute die Kerzen an und sagte: „Aber, aber, Ihr sollt doch brennen und nicht aus sein!“ Und fast fing es an zu weinen.
Da meldete sich auch die vierte Kerze zu Wort. Sie sagte: „Hab keine Angst! Solange ich brenne, können wir auch die anderen Kerzen wieder anzünden. Ich heiße Hoffnung.“
Mit einem Streichholz nahm das Kind Licht von dieser Kerze und zündete die anderen Lichter wieder an.