Ich finde diese Frage durchaus berechtigt, vor allem, wenn man weiter denken möchte, als nur über das momentane Sich-Verlieben.
Als ich 24 war, hatte ich eine Beziehung zu einem 28 Jahre älteren Mann; diese hielt knapp 4 Jahre.
Eingeschoben: Mein Vater war bereits 57 , meine Mutter 27, als ich geboren wurde, er verstarb mit 74, meine Mutter war 44, ich war 17.
Ja, womöglich hatte meine damalige "Wahl" eines um so viel Jahre älteren Mannes mit "Vaterersatz" zu tun.
Danach war ich einige Jahre mit einem Gleichaltrigen zusammen, nun seit etlichen Jahren mit einem 12 Jahre jüngerem Mann verheiratet. Diese Beziehung ist für mich "der Punkt hinterm Satz".
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Alter, bzw. Altersunterschiede zu unterschiedlichen Zeitpunkten eine Rolle spielen.
Gleichaltrigkeit garantiert nichts. Natürlich kann ein junger/jüngerer Mensch ebenso verünglücken, erkrankenen, etc., der ältere kann ebenso die Beziehung beenden.
Bei meinen Eltern: Wenn sie denn so lange zusammen bleiben, muß man davon ausgehen, dass der ältere Partner einfach viele Jahre früher stirbt, d.h. natürlich auch, dass Kinder ihr (altes) Elternteil verhältnismäßig früh verlieren. Als Kind aus einer solchen Beziehung kann ich sagen: NICHT TOLL!! Meine Mutter ist heute 76 und noch sehr fit, schade, dass mein Vater nicht mehr lebt. Und das tut er nun schon seit 32 Jahren nicht mehr.
Betr. Meine Beziehung zu dem älteren Mann: Sie war anfangs unglaublich toll, wir waren sehr verliebt. Der Altersunterschied spielte nur insofern eine Rolle, als das "Klischee" auf uns angewendet wurde (reicher alter Knacker, junges Ding). Dass seine Kinder mit mir gleichalt waren, war schon komisch, aber nur zu Beginn.
Mit 52 war er unglaublich attraktiv, er stand mitten im Leben, ich sah zu ihm auf, lernte recht viel. Ich gab ihm (so nannte er es) geistiges Futter, stundenlanges Diskutieren und Philosophieren, ausserdem hatte er mit mir das Gefühl "noch einmal die Uhr zurückdrehen zu können (was m.E. völlig bescheuert ist, denn so etwas KANN man nicht). Er meinte Frauen seines Alters (in dem bin ich ja heute praktisch
) wären schon zu eingefahren, wären keine Herausforderung, ließen ihn sich auch alt fühlen, blabla.. So wie auf mich "Vaterersatz" anzuwenden wäre... es gibt doch sicher auch Männer, die explizit junge Frauen aus ihrerseits Persönlichkeitsdefiziten heraus wählen, weil sie an der Jugend festhalten wollen, weil ihnen das Altern Schwierigkeiten bereitet, usw.
Wahrscheinlich war die Liebe nicht groß genug, Unterschiede zu kompensieren, zu überbrücken, zumal bei uns diese o.e. Dinge eine wohl nicht unmaßgebliche Rolle spielten. Vieles fing mich - und ihn - an zu nerven. Ich wollte noch studieren, mich etablieren, Familie irgendwann gründen, er wollte sich langsam zurückziehen und sein Leben geniessen und seinen Interessen nachgehen, mehr Kinder wären für ihn OK (!)gewesen. Freundeskreise waren sehr unterschiedlich, ich für mich erkannte, dass fast alles auf KOMPROMISSE hinauslaufen würde, oder mit nachhaltigem Verzicht auf bestimmte Entwicklungsphasen. TOLERANZ und REIFE ist in solchen Beziehungen unerlässlich. (nicht falsch vestehen! In meiner heutigen Beziehung müssen wir auch eine Menge Kompromisse eingehen, die liegen aber in unseren Persönlichkeiten und nicht an Altersumständen.)
Bestimmte Entwicklungen, die ich zwangsläufig machte, hatte er doch schon vor 30 Jahren durchgemacht. Dinge, die für ihn anstanden, waren für mich noch in viel zu weiter Ferne.
Ich glaube nicht, dass der Altersunterschied an sich damals der GRUND für die Trennung war, wohl aber bei mir der Anlass. Irgendwann durchzuckte mich der Gedanke: Ich will nicht so „enden“ wie meine Mutter. 28 - 56, Klasse. 58 - 86??? Nein, nicht für mich. Und da spielt es auch keine Rolle, wie geistig flexibel der ältere Mensch ist, bzw. war. Die Bedürfnisse ändern sich einfach, da muss die Liebe schon sehr gewachsen sein, die Entwicklungen kompatibel verlaufen, damit die Bereitschaft da ist, sich sehenden Auges nachhaltig auf eine langfristige (und das sollte sie ja sein) Beziehung einlassen zu können. Wenn es "nur" ein Lebensabschnittsgefährte sein soll, brauch man sich solche Gedanken wohl nicht zu machen. So war/bin ich nicht gestrickt. Auch ist mit bewusst, dass mir u.U. auch keine lange Beziehung mit meinem jetzigen Mann vergönnt sein könnte, Garantien gibt es nicht.
Ich habe noch heute mit ihm Kontakt, er ist mittlerweile 77. Natürlich ist er alt geworden. Wenn ich mich vorstelle, heute mit ihm anstelle meines Mannes an meiner Seite zu leben. Nein. Die Entscheidung war für mich und meiner Historie richtig.
Verallgemeinern möchte ich nicht. Sonst müsste ich mir auch die „Klischees“ über Beziehungen zu jüngeren Männern anhören