Ein Loblied ...
... auf die Unterhose
Auf die unscheinbare, weiße Baumwollunterhose, mit kleiner Spitze als notwendige Reminiszenz an weiblichen Zierwahn. Es will mir nicht in den Sinn, warum seit Jahren kolportiert wird, ein Stringtanga sei das Nonplusultra an sexy Unterwäsche.
In den Achtzigerjahren waren jene Stringtangas DAS Zeichen für Verruchtheit schlechthin. Nicht nur, dass sie niemand trug, nein, es war auch schwer genug, sie zu bekommen. Man musste sich schon in den Halbwelt eines Erotikshops oder –katalogs begeben, um jene seltenen Stücke zu ergattern.
Dort gab es diese Preziosen textiler Gestaltung aber nicht nur für Frauen sondern natürlich auch für Männer (den Achtzigerjahren war wirklich NICHTS zu peinlich.) Diese konnte man dann als „Unterwäsche“ getragen in Etablissements begegnen, in denen man in Unterwäsche weilt, oder als „Bademode“ lief der ein oder andere „Tabaksbeutel“ auch schon mal im Schwimmbad an einem vorbei – gruselig. Ich vermute, dass höchstens Typen wie Flavio Briatore vielleicht solche Dinger tragen.
Das Thema mit den Tabaksbeuteln ist zum Glück vom Tisch, heute vielleicht noch in den Randzonen gesellschaftlicher Niederungen wie den Swingerclubs zu sehen. Was hingegen unaufhörlich auf dem Vormarsch ist, ist die Variante für Frauen. Jede halbwegs attraktive (oder was sie jedenfalls dafür hält) Frau, hat heute wenigstens zwei davon in ihrem Kleiderschrank liegen.
Das immer bemühte Argument, spricht man sie auf dieses sinnlose Stück Unterwäsche an, ist: »Ja meinst du denn, ich will, dass man unter dieser Hose oder unter jenem Rock die UNTERWÄSCHE sieht? Das sieht doch völlig daneben aus!« Bitte, wenn sie glaubt, wegen ihrer „gewagten“ Wäschewahl sähe es besser aus, meinetwegen. Wenn sie will, dass man keine Unterwäsche unter ihrer normalen Kleidung sieht, warum lässt sie sie dann nicht einfach weg?
Somit gehört der String für mich in jene Kategorie von Dingen, die ihrem Benutzer gestatten, Dinge vorzugaukeln, die nicht stimmen: Der Push-Up, Plastiktitten, Schulterpolster, Haarfarbe, Kontaktlinsen, künstliche Fingernägel, Haarverlängerungen, „unsichtbare“ Absätze und Arschimplantate. In Anlehnung an Alexis Sorbas’ Ausspruch „Angst essen Seele auf“ fällt mir dazu nur ein: „Arsch essen Hose auf“ (und im Fall einer weiblichen Trägerin isst zwar das Auge nicht mit, aber dafür noch ein ganz anderer Körperteil.)
Wie um alles in der Welt soll ich denn jetzt auf den ersten Blick ein scharfes Luder von Lieschen Müller unterscheiden? Lieschen, ich bitte dich INSTÄNDIG: Zieh dein normales Höschen wieder an! Bitte! Und an die Adresse des vermeintlich scharfen Luders, die endlich glaubt den Königsweg zwischen Verruchtheit auf der einen und Vernunft (Kindchen, du frierst doch ohne Unterwäsche) auf der anderen Seite, gefunden zu haben, rufe ich: Ein String schütz NICHT vor Unterkühlung!
Diese Alibiwäsche ist ja noch nicht einmal in der Lage beide Schamlippen gleichzeitig zu wärmen! Jedenfalls nicht die Dinger, die ICH meine. Irgendein armer Chinese sitzt in einem finsteren Kellerloch und verdirbt sich die Augen bei dem Versuch, drei Bändchen von der Dicke einer Angelschnur miteinander zu vernähen. Selbst wenn er pro Stück nur drei Cent verdient ist das doch immerhin ein Vielfaches dessen, was den Materialpreis ausmacht. Ganz zu schweigen von dem hiesigen Ladenpreis, der ihm die Tränen in die übermüdeten Augen triebe, sofern diese überhaupt noch etwas sehen könnten.
Ich oute mich. Ich oute mich als der wahrscheinlich letzte Mann der Welt ...
1. ... der straßenköterblond nicht langweilig findet.
2. ... der kleine Brüste lieber mag als slikonverstärkte oder aufgepuschte.
3. ... der auf kurze Fingernägel in Naturfarbe steht.
4. ... der sich nicht an einer Brille stört.
5. ... der in Verzückung gerät, wenn einer Frau begenet, der er ihr schlichtes, weißes Baumwollhöschen für € 3,95 ausziehen darf.
Ich habe einen Faible fürs Praktische – für praktische Frauen demnach auch. Wenn sie Ihre unvernünftige Seite ausleben will, gibt es genügend Bereiche, in denen sie das gemeinsam mit mir tun kann und keiner davon wird durch einen Stringtanga in irgendeiner Art auch nur ansatzweise aufgewertet. Außerdem mag ich Frauen ohne Blasenentzündung.
Tilmann