Vorneweg: Im Zweifel immer ein "Brynjar meint" dazudenken. Ich bin natürlich nicht im Besitz "DER WAHRHEIT"
"Manche würden sich niemals verliebt haben, wenn sie nie etwas von der Liebe gehört hätten." (Francois de La Rochefoucauld)
Die Grundfrage, die sich mir stellte beim Eingangsthema war:
Woher weißt du denn Krolock, dass das was du fühlst "männlich" ist? Du glaubst es zu wissen, weil du es gelernt hast. Gelernt hast du es in einem sozio-kulturellen, historischem Zusammenhang der deinen Gefühlen in einer bestimmten Sprache (dem deutschen) Namen gibt und sie sexuell zuordnet.
Aber streng genommen weißt du ja gar nicht, ob du das gleiche fühlst, wie der Mensch neben dir. Du kannst ja nur beobachten, wie derjenige sich äußert, sich gibt etc.
In der modernen Soziologie gibt es zahlreiche Untersuchungen über Gefühle (z.B. Eva Illouz "Der Konsum der Romantik"). Sie zeigen, dass, wenn etwas im Körper passiert oder in der Umgebung, es niemals direkt auf unsere Gefühle durchschlägt, sondern durch unser Lebenswissen erst einmal gefiltert wird. (Bildlich gesprochen)
Beispiel:
Du stehst im Dunkeln draußen. Auf einmal hebt ein Donnergrollen an und ein riesenhaftes Wesen wirft seinen Schatten auf die Erde. "Wir schauen hoch und sagen uns: hey, wir sind wohl nahe am Flughafen". Eingeborene von bestimmten japanischen Inseln im 2. Weltkrieg fingen an diese Himmelsvögel anzubeten.
Anderes Beispiel:
Wenn man Menschen nach dem Besuch im Fitnessclub Bilder von Menschen zeigt, die ihrer sexuellen Wahl entsprechen, dann werden diese Bilder durchgehend als sexuell attraktiver angesehen, als in einem anderen Kontext. Der Hintergrund: Die Körpersignale nach dem SPort: leicht erhöhte Herzfrequenz, etwas schwitzen etc, entsprechen der Reaktion auf attraktive Menschen.
Das heißt, das Hirn sieht ein Bild, hört in den Körper, wie die Reaktion ist und fällt ein Urteil. Leider hört das Hirn die Signale vom Sport, was es aber nicht unterscheiden kann, und urteilt: Die scheinen uns zu gefallen, diese Menschen.
drittes und letztes Beispiel:
Setz Menschen auf harte Stühle und sie verhandeln unnachgiebiger als wenn du sie in weiche Sessel setzt. Sie haben das Gefühl weniger Zugeständnisse machen zu dürfen. (Klappt auch mit warmen/kaltem Getränk.)
Was ich damit sagen will:
Es ist sehr gefährlich, wenn man Gefühle nur mit dem Blick auf eine Kultur männlich oder weiblich nennt. Es ist ein verbreiteter Analogieschluss, wenn du glaubst, du würdest wie jemand fühlen, der dir ähnlich ist. Es muss aber nicht stimmen.
Es ist mittlerweile wohl wissenschaftlich gesichert, dass man Gefühle nicht als irgendwo tief in unserer Essenz verankert betrachten sollte. Vielmehr sind Gefühle das Ergebnis einer komplexen Gemengelage aus momentaner Situation, Lebenswissen, Erfahrungen, dem Gegenüber etc.
Das heißt, die Ursprungsaussage "Ich fühle mich männlich und gar nicht weiblich!" enthält bereits soviele Voraussetzungen, dass man von ihr aus nicht weiter gehen sollte, sondern lieber einen Schritt zurück. So verstehe ich auch manche Beiträge hier.
Wäre es nicht sinnvoller zu sagen:
"Ich fühle mich die meiste Zeit wie ein Mensch. Dann gibt es aber noch so ein paar Sachen die in meiner Kultur eher Männern zugeschrieben werden. Mit denen kann ich mich identifizieren. Mit dem, was unsere Gesellschaft Frauen an Gefühlswelten unterstellt hab ich nicht so viel am Hut."