Sex mit Blümchen
Alain,
die Sache mit der Überwindung der anerzogenen Hemmungen ist natürlich komplexer, als ich sie in meinen obigen drei Zeilen darstellen konnte. Natürlich gibt es einen Gewöhnungseffekt, wenn man Hemmungen überwindet; beim ersten Mal schwitzt man noch Blut und Wasser, beim zweiten Mal kennt man das Blut-und-Wasser-Schwitzen schon und schwitzt weniger.
Zwei Wege gibt es, den erotischen Reiz sich nicht zu verderben: erstens kann man die Grenzen des Spiels verschieben und damit neue Hemmschwellen entdecken, deren – vom Dom scheinbar erzwungene – Überwindung wieder den Reiz ausmacht. Diesem Weg gegenüber ertönt oft der Vorwurf, der auch unsere Industriegesellschaft trifft: immer höher, schneller, weiter. Von seiner Struktur auf Unendlichkeit angelegt endet dieser Weg meist durch unser Altern oder unserem Tod.
Und der zweite Weg ist der, sich die
Erinnerung an die Hemmungen aufrecht zu erhalten, so dass deren Überwindung jeweils erneut den erotischen Kick hervorrufen können. Es ist also eine Frage des Kopfkinos der Sub. Dies ist so ähnlich wie bei der widerspenstigen Sub, die will, dass Dom ihren Widerstand überwindet. Und obwohl er das immer tut, wird sie dennoch immer wieder gerne die Widerspenstige spielen, weil sie daraus ja ihren Kick bekommt.
Ich schreibe als männlicher Dom immer von „der“ Sub – dasselbe gilt selbstverständlich auch für „den“ Sub. Und umgekehrt gilt auch für mich als Dom, dass ich anerzogene Hemmungen habe, zu deren Überwindung ich mich zwingen muss, diese aber hinterher umso mehr geniesse.
Der von dir beschriebene Fall – die Rückkehr zum Blümchensex (welch’ abwertendes Wort übrigens!) – mag ebenfalls vorkommen: sie war eine „Touristin“, hat in einen Bereich hineingeschnuppert, der ihr unbekannt war, - vielleicht aus „Liebe“, sich selbst in ihrer Freiheit zu sich selbst und ihrer Lust entdeckt und dann festgestellt, dass sie das Stimulans der überwundenen Hemmung nicht mehr braucht. So denke ich mir das in Unkenntnis eurer genauen Umstände. Denn man würde mich falsch verstehen, folgerte man aus meinen Worten, Sex wäre nur dann gut, wenn man Hemmungen überwindet oder sich dazu anleiten lässt. Ich habe enge Freundespaare, die seit Jahren freudigen Sex erleben, ohne auch nur daran zu denken, dass sie irgendwelche Hemmungen überwinden müssten. Und schon gar nicht im Bereich von BDSM.
stephensson
art_of_pain