Tamara Jagellovsk
Eva Pflug, die ewige Tamara Jagellovsk, ist tot
Donnerstag, 7. August 2008 03:19 - Von Peter Zander
Eva Pflug war ihrer Zeit voraus. Und zwar um ein sattes Jahrtausend. Das war 1966, als mit "Raumpatrouille" die erste und bislang einzige deutsche Science-Fiction-Serie im Fernsehen abhob. Eva Pflug verkörperte darin, unvergessen, Tamara Jagellovsk, eine kühle, resolute Russin, die (im Kalten Krieg!) als Aufpasserin des "Galaktischen Sicherheitsdienstes" den Commander des Raumschiffs Orion, Cliff Alistair McLane (Dietmar Schönherr) und sein Macho-Team in die Schranken wies.
Die Serie wird noch heute gern wiederholt, erlebte einmal sogar einen "Rücksturz" ins Kino. "Raumpatrouille" ist ein nationales Kulturgut. Und, gerade wegen seiner Entrückung ins Jahr 3000, ein authentisches Abbild der Sechzigerjahre. Wegen des Bügeleisens auf dem Schaltbrett und den rührend billigen Effekten. Aber vor allem auch wegen des neuen Frauentyps, den Eva Pflug schon lange vor den (gerade wieder leidlich beschworenen) wilden 68-ern kreierte. Mit tiefem Rückendekolletee und Pagenkopf, der zur Modefrisur wurde, bereicherte sie die Fuffziger-Jahre-Blondine um eine subversive Funktion: als selbstständige Frau, die den Männern zeigte, wer in Zukunft das Sagen hat.
Die Zukunft indes währte nicht lange. Von "Raumpatrouille" gab es nur sieben Folgen. Trotz des Erfolgs wurde nie eine Fortsetzung gedreht. Das hat Eva Pflug nie verstanden. Vor allem aber hat es sie gewurmt, dass Dietmar Schönherr, Wolfgang Völz und Benno Sterzenbach, die Herren der Orion-Crew, danach nahtlos weiterdrehten, bei ihr aber die Angebote ausblieben.
Schon die Dreharbeiten waren nicht leicht für sie gewesen: Denn der Widerstand der Männer, der im Drehbuch stand, übertrug sich auch privat; die Herren Darsteller zeigten ihr die kalte Schulter. Und nach der Ausstrahlung bekam sie keine Jungens-Briefe, dafür aber körbeweise Fanpost von Frauen. Vermutlich war sie einfach zu modern, ein paar Jahre zu früh. Die erste öffentliche Emanze des deutschen Fernsehens. Das sollte sich rächen.
Ihr Agent riet ihr danach, wieder Theater zu spielen. Das hat sie denn auch getan. Und synchronisiert. Lana Turner, Anne Bancroft, Glenda Jackson, Julie Christie. Und, 14 Jahre lang, die Telenovela "Reich und schön". 1970 hat sie eine eigene Schallplatte aufgenommen, "Ich". Gesungen hatte sie schon mal als trauriges Hafenmädel Lolita im ersten Wallace-Film "Der Frosch mit der Maske". Man hätte sie auch fürs Musical entdecken können, ja müssen.
Vertane Chance.
Im Fernsehen trat sie immer mal wieder auf, vornehmlich in Krimis, gern als Mörderin. Das Männermordende, es pappte ihr an. Vor drei Jahren stand sie erstmals wieder mit Schönherr vor der Kamera - in einem "Tatort". Aber nie sollte sich wieder ein Erfolg wie bei "Raumpatrouille" ein. Zeitlebens war sie auf Tamara Jagellovsk festgeschrieben, alle sahen sie nur in dieser Rolle, die an ihr klebte wie Honig.
Eva Pflug arbeitete, trotz ihres Alters, stets weiter. Nichts fand sie langweiliger, als Rentnerin zu sein. Mann und Kind hatte sie nie: Auch für eine traditionelle Familie war sie stets zu modern. Noch vor zehn Jahren hatte sie geklagt, es gebe für ältere Frauen wie sie keine Rolle mehr. Zuletzt aber profitierte sie vom Umkippen der Alterspyramide, wurde wieder häufiger engagiert. "Da sehr viel mehr Menschen sehr viel älter werden, ist das einfach eine Frage der Notwendigkeit", sagte sie, nicht ohne Verbitterung. Nur das Theater hatte sie aufgegeben. Sie wollte sich einfach nicht als alte Omi mit Spitzenkragen besetzt sehen. In ihrem letzten Fernsehfilm "1:0 für das Glück", der erst vor zwei Monaten ausgestrahlt wurde, sollte sie, laut Drehbuch, die Schwester von Thekla Carola Wied spielen. Am Ende war sie deren Mutter. Eine Demütigung. Man ging nie zimperlich mit ihr um. Sie aber auch nicht mit den anderen.
Nun ist Eva Pflug, die ewige Tamara Jagellovsk, mit 79 Jahren gestorben. Sie wurde tot in ihrer Grünwalder Wohnung aufgefunden, teilte ein Sprecher der Münchner Polizei gestern Abend mit. Hinweise auf ein Fremdverschulden gebe es nicht.
Quelle Berliner Morgenpost