Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch - auf welche Art und Weise auch immer -Sexualität "braucht".
Ich meine, Sexualität ist ein breit gefächertes Feld und ist nicht nur auf die Genitalien zu beschränken...
Ich glaube,körperliche Berührungen braucht jeder Mensch. Das fängt bei den Säuglingen doch schon an. Jeder Mensch liebt/mag es doch, gestreichelt zu werden, in den Arm genommen zu werden usw. Vielleicht ausgenommen Personen, die aus möglicherweise emotionalen Verletzungen heraus, eine "Mauer" um sich gebaut haben und körperlichen Kontakt mit anderen Menschen meiden.
Viele alte Menschen beispielsweise, legen sich aus Einsamkeit ein Haustier zu, mit welchem sie dann ihr Bedürfnis nach Zärtlichkeiten und Liebe "ausleben" (Achtung: ich meine hier NICHT Sex mit Tieren!!).
Nun ist zwar Fakt, dass Sex nicht unmittelbar direkt mit Liebe zu tun haben "muss", aber auch der sogenannte "seelenlose" Sex, wie hier im JC in einem anderen Forum schon mal formuliert wurde, ist doch eine Form von körperlichem Austausch. Ich wage mal zu behaupten, er dient zwar lediglich der "Triebbefriedigung", aber unumstritten drückt es doch ein Bedürfnis aus, körperlichen Kontakt mit (einem) anderen Menschen haben zu wollen...
Ich könnte mir vorstellen, dass die Menschen, welche glauben, asexuell zu sein, oder Sexualität nicht zu "brauchen", dies auf andere Weise kompensieren. Sei es durch Engagement im sozialen Bereich, durch die Liebe und Hingabe an die eigenen Kinder/Enkelkinder, oder durch "Workoholic- oder Sportoholic-Verhalten" u.v.m.
Und trotzdem denke ich, dass solche Personen im Grunde auch sexuelle Ambitionen haben, diese aber m. M. nach entweder "verdrängen" oder "verleugnen" - aus welchen (guten) Gründen auch immer.
Ein gutes Beispiel war ich selbst...
In jungen Jahren auf der "Suche" nach der großen Liebe..."endlich" jemanden "gefunden"...er entpuppte sich als sehr dominant (im Alltag )...zuerst noch rebelliert, später mich selbst mehr und mehr "aufgegeben", aus "Angst", alleine und verlassen zu sein...
Anfangs in dieser Beziehung noch offen und neugierig auf sexuelle "Experimente", die aber, vermutlich aus "Angst" des Gegenübers vor zu viel Eigenständigkeit meinerseits, im Keim erstickt wurden...vorsichtige Gedanken an Trennung meinerseits, die aber offensichtlich vom Gegenüber wahrgenommen wurden, plötzliche Sinnesänderung seinerseits, Gespräche über Heirat und Kinder...Hoffnung keimte in mir auf...("jetzt hat er sich geändert..."), überall um uns herum wurde geheiratet, kamen Kinder zur Welt...die biologische Uhr meldete sich leise...also, Heirat und Familie gründen. Dann nach der (ersten) Entbindung kam eine Phase (bei mir), in der ich froh war, "mein Leben zu haben"...Schlaf war Mangelware....Unterstützung gab es keine...aber "Forderungen" seinerseits (hinsichtlich Sexualität!)...irgendwann kehrte die "Normalität" wieder ein, die Strapazen der Entbindung waren vergessen...aber Sex "brauchte" ich trotzdem nicht (mehr), denn ich hatte ja mein Kind...alles, was ich an Liebe und Zuneigung "brauchte", gab mir mein Kind...das reichte mir. Das Kind wurde größer...aber die Kluft zwischen uns als Ehepartner auch...Zuneigungshandlungen wurden zwischen uns schwierig, ich wollte, wenn, hauptsächlich Kuscheln und Geborgenheit, er reinen Sex... ich fühlte eine unerklärliche Leere aufkommen... ich (!) hatte eine kurze Affaire , in die ich all mein Gefühl und Liebesbedürfnis hinein legte...ich stellte fest, ich lebe noch...mich wieder besonnen auf meine Ehe, sexuell wieder aktiver geworden...aber, hatte dann gemerkt, dass erneuter Kinderwunsch in mir schlummerte...zweites Kind geboren, Ehe wieder schwierig...irgendwann war diese Leere wieder da...wollte einen beruflichen Neuanfang( hatte jeweils kurz nach Entbindung wieder begonnen zu arbeiten)...Boykott Seitens des Ehemanns...na dann, eben noch ein Kind...Ehe immer schwieriger...aber ich hatte ja meine Kinder....sie "gaben" mir, was mein damaliger Mann nicht vermochte...Sex war für mich kein Genuss mehr, nur noch "Pflichterfüllung"...das ging so weit, dass ich schon allergisch reagierte, wenn ich nur nackte Brüste im TV sah...dazu der dominante, fordernde Mann...wenn er es sich des nachts im Bett neben mir selbst machte, wachte ich auf und wagte kaum zu atmen, aus Angst, er könne das fordern, was er so dringend benötigte...Gespräche drehten sich im Kreis, ich verleugnete meine Sexualität...dann die gemeinsame Übereinkunft, eine "offene Ehe" zu führen...(und der Kinder und des Hauses wegen trotzdem zusammen zu bleiben...) ich erwachte zu neuem Leben... er hatte schnell eine neue, feste "Nebenbeziehung", ich traf mich mit verschiedenen Männern...das gefiel ihm auf Dauer nicht...alles wieder Rückgängig gemacht, neuer Versuch einer monogamen Ehe.
Es hat nicht hingehauen...(letztendlich ist aus der Scheidung ein brisanter Rosenkrieg entstanden...)
Die Moral von der Geschichte offenbarte sich mir, als ich meinen jetzigen Ehemann kennen lernte. Ich stellte fest, es lag schlicht und ergreifend am falschen Partner!
Seitdem ist Sexualität aus meinem Leben absolut nicht mehr weg zu denken! Ich bin quasi auch aus einem "Dornröschenschlaf" erwacht, bzw. erweckt worden...
Habe ich doch mit und durch meinen jetzigen Mann festgestellt, ich bin nicht frigide (wie mir mein erster Mann vorwarf...), ich bin experimentierfreudig, multiorgasmusfähig (und überhaupt orgasmusfähig...) , sexuell interessiert usw.
Meiner Meinung nach hängt das (zumindest bei uns) auch zum Großteil damit zusammen, dass mein jetziger Mann und ich von Anfang an vorbehaltlos, urteilsfrei, unzensiert und offen und ehrlich über Sexualität gesprochen haben (und weiterhin tun). Und wichtig ist m. M. nach auch noch, dass man sich von seinem Gegenüber vorbehaltlos angenommen und akzeptiert fühlt. Und respektiert. Dies alles fehlte mir in meiner ersten Ehe...und das Verleugnen oder Verdrängen der eigenen Sexualität war vermutlich meine einzige (unbewusste) "Waffe"...
Aus einem ähnlichen "Dornröschenschlaf" ist mein jetziger Mann auch erwacht...auch in seiner ersten Ehe hatte nach den zwei Kindern Sex keinen hohen Stellenwert mehr...(übrigens von seiner Seite aus).
Für uns beide ist - seitdem wir ein Paar sind - Sexualität ein elementarer Bestandteil unserer Ehe/Beziehung. In ihm habe ich meine große Liebe (doch noch) gefunden, und unsere Sexualität miteinander ist eine Ausdrucksform davon. Sicherlich gibt es auch Aktivitäten, die ebenfalls für uns wichtig sind, sei es Sport oder mal ein Buch lesen etc. Aber ohne Sex können wir uns beide inzwischen das Leben miteinander nicht mehr vorstellen...bzw. irgendwann kommt der Tag, an dem man evtl aus gesundheitlichen Gründen kürzer treten muss, oder es gar nicht mehr geht...
na, dann werden halt andere Dinge wichtiger genommen...aber, solange es noch gut funktioniert...
LG
Mrs. Spirits