Kapittel 2
II.
Der Mensch ist am wenigsten er selbst, wenn er sein Gesicht
zeigt. Gib ihm eine Maske und er wird dir die Wahrheit sagen.
Oscar Wild
Voller Erwartung, war Sara bereits schon am frühen Morgen erwacht. Sie hatte in dem antiken Hotelbett so gut geschlafen, wie schon lange nicht mehr. Frisch und munter stand sie auf und ging in das angrenzende Bad, um sich zu duschen. Nach dem Frühstück hatte Sara es nicht mehr länger in dem Hotel ausgehalten. Sie war einmal quer durch die Altstadt gelaufen, hatte sich ein paar einheimische Galerien angesehen und neue Kontakte geknüpft. Zwischenzeitlich trank sie zwei Milchkaffees und genoss die warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut.
Den Nachmittag verbrachte Sara Anne Hawk mit einem ausgedehnten Spaziergang, an den Ufern des Tajo, um anschließend das Museo del Arte Contemporáneo, zu besuchen. Die Kathedrale Santa Maria, mit ihren vier steinernen Löwen, war zu ihrem persönlichen Missvergnügen leider geschlossen. In der nahe gelegenen Boutique kaufte sich die erfahrene Galeristin ein kleines goldenes Kreuz das, mit fünf roten Rubinen besetzt war und zu alledem, auch noch verführerisch in der prallen Sonne funkelte.
Es war ein herrlicher Sommertag, der nur noch mit dem Besuch, im Atelier, bei Señor Diaño gekrönt werden konnte. Der Zeitplan erlaubte Sara noch eine weitere Stunde und so setzte sie sich in das historische Restaurant von Alfredo dem Fünften, las in einer Modezeitschrift und trank einen weiteren Milchkaffee, mit Blick auf den Alcázar.
Kurz vor achtzehn Uhr stand Sara Anne Hawk auf, legte das Geld an den Rand ihrer Tasse und schlenderte gemütlich die Straße hinunter, um zur Calle de los Tintes zu gelangen. Das Atelier von Juan Rey Diaño befand sich am Ende der Plaza de la Retama. Zu Saras erstaunen, war auf der Visitenkarte keine Hausnummer verzeichnet.
Offensichtlich machte es ihm Spaß, seine Gäste suchen zu lassen, überlegte sie und ging weiter.
Nachdem die rothaarige Kunstkennerin fast alle Namensschilder der Straße gelesen hatte, fand sie endlich am Ende der Straße den Eingang zum Atelier. Dabei fiel Sara erst nachträglich auf, dass in diesem Stadtteil fast alle Fenster im Erdgeschoss vergittert waren.
Der Teufel in Schwarz hatte sein Atelier im dritten Stock, unter dem Dach, und kurz nach achtzehn Uhr stieg Sara die fast endlosen und ausgetretenen Stufen nach oben.
»Es ist offen!«, rief Diaño von innen, als die Galeristin an die schwarz lackierte Holztür klopfte. Der silberne Türknopf bestand aus einem seltsamen Emblem, dessen Bedeutung Sara nicht kannte, ihr aber dennoch sofort ins Auge fiel.
Sara Anne Hawk war sich nicht sicher, was sie erwartet hatte, doch gewiss nicht die Größe und die Einrichtung einer kulturellen Offenbarung. Das Atelier war ein komplett ausgebauter Speicher und reichte beinahe über den kompletten Bereich des Hauses. Sowohl auf der Nord, als auch auf der Südseite des Hauses, waren die Wände durch hohe Fenster ersetzt worden, damit alles in dem Raum sehr hell und luftig zugleich erschien.
Der Mittelbereich des Ateliers wurde von einem großen Bett eingenommen, das gleichermaßen breit, wie lang war. Überall im Raum verteilt standen Staffeleien, unterschiedliche Öl und Acrylfarben, Pinsel und Paletten. In Regalen standen kleine Skulpturen und andere Wertgegenstände, die in Form und Farbe einen besonderen Reiz ausmachten. Verschiedenfarbige Stoffe waren über diverse Möbelstücke trabiert und bildeten somit einen weichen Kontrast zum Rest des Raumes.
Eine Dusche, die sich am anderen Ende des Ateliers befand, wurde nur durch matte Glasbausteine abgetrennt. Die Küche befand sich direkt dahinter. Ansonsten war die Einrichtung auf das nötigste beschränkt. Das genze Atelier sah auf mystische Art aus, wie der Traum innerhalb eines Traumes.
Auf der linken Seite, die zum Fluss hin führte, war eine große Schiebetüre eingelassen, die auf eine Dachterasse führte. In dem Atelier lag auser dem Geruch von Farbe auch noch irgend ein anderes Aroma in der Luft, das Sara sehr angenehm und männlich emfand. Es roch nach Patchouli, Nelke, Eichenmoos, grüner Apfel und irgendwie auch nach Minze und Lavendel. Eine Komposition, die ihre Sinne verwirrte.
»Kommen Sie näher Mrs. Hawk. Es ist ein schöner Abend. Wenn es Ihnen nichts aus macht, dann würde ich den Wein gerne im Freien genießen.« Diaño führte sie, mit einer einladenden Geste hinaus auf die Terrasse, die von Pflanzen und durch die Sommerhitze von halb vertrockneten Büschen eingefasst war. In der Mitte des verzierten Teakholztisches stand eine bronzene Nachbildung, des Faunus aus Pompeji.
Sara blickte von der Terrasse aus auf den Tajo hinunter, der Rotgold und friedlich an Toledo entlang floß und dabei eine lange sichelartige Kurve um die Stadt herum zog, als hätte vor langer Zeit jemand die Stadt selbst, mit einer gigantischen Axt in das Flussbett hinein getrieben. Sie betrachtete das gegenüberliegende Ufer und ihr Blick verlohr sich mit den Vögel, die ihre Kreise am Himmel zogen. Schließlich setzte sie sich in einen der dunkelbraunen Stühle, die von der Sonne noch immer angenehm erwärmt waren. Es war eine herrliche Oase, wenn sie Sara auch unwirklich und schön zugleich erschien. Der Hausherr füllte zwei Gläser mit Rotwein, reichte eines seinem Gast und setzte sich ihr direkt gegenüber. Die Galeristin kam erst jetzt dazu, sich Diaño richtig anzuschauen. Sein fast weißer Kinnbart war gepflegt und sauber geschnitten. Das milde Sonnenlicht, des Abends, ließ seine Haut in einem angenehmen Braunton erscheinen, der davon zeugte, dass er sich oft und auch lange im Freien aufhalten musste. Allerdings schien er bei Tage nicht mehr ganz so jung zu wirken, wie Sara Anne Hawk ihn bei Nacht in Erinnerung hatte. Sie schätzte ihn auf Anfang bis Mitte Vierzig. Das schmälerte seinen Reiz jedoch keineswegs. Ganz im Gegenteil machte es ihn für sie noch viel interessanter.
Der Künstler trug dieses Mal keinen steifen Anzug. Seine sportliche Figur steckte in einer luftigen, schwarze, Hose und einem anthrazitfarbenem Hemd, das am Hals nicht ganz verschlossen war und somit den Ansatz seiner Brust zeigte. Die nackten Füße steckten in bequemen schwarzen Mokassins aus weichem Wildleder.
»Und was denken Sie nun?«, fragte sie Diaño.
»Wie bitte?«
»Nun, zuweilen sehen gewisse Erscheinungen in der Nacht manchmal etwas anders aus wie bei Tag, Madame. Halten Sie mich immer noch für den Teufel, der Ihre Sinne verführt hat, um Sie, wie der Rattenfänger aus Hameln, mir folgen zu lassen?« Er lachte.
Sara räusperte sich und hob das Kristallglas an. »Falls dies eine Anspielung auf ihre Person war, so sind sie immer noch ein sehr faszinierender Mann, auch in der untergehenden Sonne. Und ich glaube kaum, das ich dem Teufel in die Nacht folgen würde.«
»Gracias.« Diaño grinste noch immer und nahm anschließend einen Schluck Wein, nachdem er Sara über den Tisch hinweg zugeprostet hatte. »Ich muss dennoch gestehen, dass Sie mich gestern Abend sehr erstaunt haben. Sie hatte Glück, das ich nur in der Altstadt unterwegs war.«
Für den Bruchteil einer Sekunde war die dunkle Ahnung wieder da, die Sara schon am Vorabend überfallen hatte. Sie fragte sich, was dieser mysteriöse Mann eigentlich um diese nächtliche Uhrzeit in ihrem Hotel gemacht hatte, wenn er doch hier, im Herzen von Toledo, so eine einladende Wohnung besaß.
Juan Rey Diaño lehnte sich in seinem Stuhl zurück und hielt das Weinglas auf seinem linken Unterarm gestützt. Seine Beine waren dabei bequem überkreuzt. Das Hemd hatte sich leicht geöffnet und gab mehr von seinem Oberkörper frei, als Sara sich insgeheim erhofft hatte. Der dunkle Schatten ihrer Gedanken verflog, und sie betrachtete die männliche Ausbeulung zwischen seinen Beinen. Eine Sekunde zu lang und wieder, wie schon in der Nacht davor, war Diaño ihr forschender Blick nicht entgangen.
»Sie sind verheiratet?«, fragte der Meister.
»Ich bin…, woher wissen Sie das?«
»Der Ring an ihrem rechten Finger.« Diaño zeigte mit einer knappen Geste des Weinglases darauf.
»Sie sind ein guter Beobachter.«
»Das bringt meine Berufung so mit sich. Sind Sie es?«
»Ja, ich bin verheiratet.« Sara nahm schnell noch einen weiteren Schluck aus ihrem Glas und rutschte etwas unruhig auf dem Stuhl zur Seite. Sie spürte wie ihr Herz wild zu pochen anfing. Immerhin entsprach es der Wahrheit.
»Und Sie sind alleine hier in Toledo. Daraus kann man nur drei Entschlüsse ziehen. Entweder, Ihr Mann ist ein unausgesprochener Langweiler, er hat keine Zeit oder Sie haben ihn bewusst zuhause gelassen, um etwas Neues zu erleben. Wollen Sie etwas neues erleben?«
»Er konnte nicht mitkommen«, antwortete sie, ohne direkt auf seine letzte Frage einzugehen. »Er ist geschäftlich verhindert.«
»Nun, gut«, antwortete Diaño, »Und warum sind Sie nun in Toledo?«
»Ich bin auf der Suche nach neuen Künstlern, nach ungewöhnliche und interessante Schöpfern, die ihre Werke in meiner Galerie ausstellen möchten«, sagte Sara Anne Hawk leise und führte das Glas erneut an ihre prallen Lippen. »Ich sehe mir nun einmal gerne schöne Dinge an.«
»Das ist Wahr. Auch ich sehe mir gerne schöne Dinge an.« Der Künstler betrachtete Sara in aller Ruhe von oben bis unten und machtes dies in solch einer ausgelassenen Art, dass die Galeristin es unweigerlich bemerken musste. Sie hatte erneut das Gefühl, dass sie sich über ihre Situation erklären musste. Doch es war schwerfällig. Sara war immer noch über sich selbst erstaunt. Da waren Gefühle tief in ihr, die sie nicht kannte, fremde Landschaften, die sie nie betreten hatte, deren Gefahren sie nicht abschätzen und schon gar nicht vorhersehen konnte. Sie verbot sich selbst noch länger darüber nachzudenken und beschloss, die Dinge so anzunehmen wie sie kamen.
»Dann sind wir schon zu Zweit.« Sie lächelte und trank erneut einen tiefen Schluck von dem trockenen Rotwein der vollmundig ihre zarte Kehle hinunter floss. Das Weinglas war schneller leer, als sie dachte, doch im Moment brauchte sie die seelische Unterstützung des griechischen Gottes Dionysos für ihre geistige Verfassung.
»Möchten Sie noch ein Glas von dem exzellenten Wein, Mrs. Hawk? Es ist ein ausgezeichneter Rioja Grande Reserva. Er stammt aus dem baskischen Alavesa und wurde mindestens zwei Jahre im Eichenfass gelagert. Er ist ein Genuss für die Sinne.«
Diaño erhob die Flasche und in bereits schon leicht angeheitertem Zustand antwortete ihm Sara: »Aber gerne doch, ich muss ja heute nicht mehr fahren.«
»Ich auch nicht«, grinste er und schenkte ihr ein weiteres Glas ein. »Warum sind Sie hier her gekommen, Mrs. Hawk. Ich meine, was suchen sie wirklich hier?«
Seine blauen Augen leuchteten wie zwei Bergkristalle und Sara war hypnotisiert davon.
»Ich verstehe Sie nicht Señor, ich sagte Ihnen doch bereits schon das ich auf der Suche bin nach…«
Sara dachte bei der Frage unabwendbar über Ben nach, über seine monotone Art zu lieben und ihre bizarre Gedanken, nachdem sie Diaño getroffen hatte.
»Ich bin eigentlich hier in dieses Land und in diese Stadt gekommen, um neue Kulturen und Menschen kennen zu lernen«, antwortete sie. »Ich meine, nichts von dem was ich vor meiner Reise hier her dachte stimmt noch. Ich habe zwar bereits schon viele neue Kontakte geknüpft, habe viel gesehen. Diese Stadt ist sehr alt und mystisch zugleich. Und nun sitze ich hier, trinke Wein mit einem Fremden und genieße das warme Licht der Abendsonne.«
»Erscheine ich Ihnen immer noch so fremd? Ich dachte mir letzte Nacht, dass Sie mich schon sehr lange kennen.«
»Das könnte durchaus möglich sein«, flüsterte Sara verträumt. »Immerhin sind Sie ein wahrer Meister und über Ihre Werke habe ich inzwischen auch schon sehr viel gehört. Ihr Name ist im Bereich, der erotischen Malerei, ein Garant für Qualität, wie ich mir sagen lassen habe.«
»Sie haben sich über mich erkundigt?«
»Nicht direkt, nur Jeder, den ich in Toledo und Umgebung fragte, nannte mir sofort Ihren Namen. Sie währen der richtige Ansprechpartner für solcherlei Art von Kunst.«
»Das ist denkbar, aber nicht unbedingt maßgeblich. Wir werden es ja sehen. Doch alles zu seiner Zeit. Zuerst genießen wir den Abend. Darf ich Ihnen nachschenken?«
»Ja, gerne«, antwortete Sara. »Und was machen Sie in Toledo, wenn Sie nicht gerade an der Staffelei stehen?« Sara wollte das Gespräch ein wenig von ihrer Person abzulenken, um nicht all ihre Gedanken vor diesem rätselhaften Mann zu offenbaren, auch wenn sie das Gefühl hatte, das er schon alles über sie wusste.
Diaño füllte in der Zwischenzeit die Gläser. »Was ich in Toledo mache, möchten Sie wissen? Ich genieße das Leben, die Liebe, den Wein.« Er erhob kurz eine Augenbraue und beugte sich leicht nach vorn. »Ich bin nur sehr selten hier, in dieser historischen Stadt, denn dieses Atelier hier ist ein altes Erbstück, das ich nicht veräußern möchte. Meine Wurzeln reichen jedoch sehr weit zurück in der Geschichte.«
»Ich verstehe Sie sehr gut. Und Sie lieben Pompeji?«, fragte Sara und zeigte dabei beiläufig auf die Skulptur des Fauns, der mit erhobener Hand auf dem Tisch stand, als würde er sich mitten im Tanz befinden.
»Ich mag diese Figur schon seit ich vor vielen Jahren einmal den antiken Ort, am Golf von Neapel, besucht hatte, um vor Ort die erotischen Fresken zu studieren. Faunus, wie diese Skulptur meist genannt wird, ist im Allgemeinen auch als Wolfsgott bekannt. Er tritt in vielfacher Gestalt, und unter sehr vielen Namen auf. Wie sein griechischer Gegenpart, der Gott Pan, sorgt der Faunus für die Fruchtbarkeit von Mensch und Tier, erschreckt die Menschen in Haus und Wald oder sucht sie heim, durch böse und erotische Träume, so wie ein Incubus.«
So wie ein Incubus, wiederholte Sara seine Worte in Gedanken und fühlte sich zugleich von seiner dunklen männlichen Stimme angezogen. Du siehst aus wie ein Incubus und Du verwirrst meine Sinne…, dachte sie.
Diaño lehnte sich wieder nach hinten, beobachtete Sara, nahm noch einen Schluck und stellte sein Glas neben dem Faun, auf den Tisch, ab. »Letzten Endes gibt es nur zwei Dinge die ich hier in Toledo tun möchte. Zum Einen, nach meinen Wünschen und Vorstellungen zu Leben und zu Malen, und zweitens…«
Er griff mit seinen geübten Fingern entschlossen an sein Hemd und öffnete langsam Knopf um Knopf. Sein Blick war weiterhin auf Sara gerichtet, die sich nicht von der Stelle rührte. Die Galeristin hielt gespannt den Atem an. Diaño zog das Hemd aus der Hose und teilte den Stoff zu beiden Seiten. Dabei entblößte er seinen muskulösen Oberkörper, der verführerisch in der Abendsonne glänzte. Sara hielt es fast nicht mehr auf ihrem Stuhl aus. Sie fühlte zu alledem auch schon die ersten Anzeichen, des schweren Weines, die sich durch die warme Sonne beschleunigten.
»Der zweite Grund, warum ich hier bin, werden Sie noch früh genug erfahren, Mrs. Hawk.« Diaño grinste mephistophelisch und Sara fuhr der erregende Sinnesreiz durch Mark und Bein. Er genoss es sichtlich, wie sie ihn beobachtete und stellte absichtlich seine Beine etwas breiter, um ihrem Blick freien Lauf zu lassen und sie dadurch zu irritieren. Sara sah ihn erwartungsvoll an. Sie betrachtete seinen nackten Oberkörper und das pralle Geschlecht in seiner Hose. Ihre Augen strahlten und ihre Brustwarzen stellten sich hart auf. Vom trockenen Wein beseelt, fühlte sie ihren Herzschlag immer schneller werden und ihr Puls klopfte bereits schon bis an ihre Halsschlagader. Sie fühlte ihre Brüste, spürte die Nässe in ihrem Slip und rutsche immer unruhiger auf dem Stuhl umher.
Juan Rey Diaño blickte über die alten Dächer von Toledo und war sich gewiss das er selbst und auch Sara, hier auf der Terrasse, dem einen oder anderen Blick, seiner Nachbarn ausgesetzt war. Doch das machte ihm persönlich nichts aus.
Im Laufe des abendlichen Gespräches erfuhr der Künstler, dass die rothaarige Galeristin bei ihrer siebenjährigen Ehe nicht unbedingt immer das richtige Glück zu haben schien, was ihn, bei ihrem Aussehen und ihrer inneren Ausstrahlung, stark wunderte. Überhaupt fand er die junge Frau nicht nur bildhübsch, sondern auch ausgesprochen sympathisch.
Das Gespräch wurde in seinem Verlauf, mit der Zeit, immer persönlicher und Saras Zunge fand, seit ihrem dritten Glas Wein, keinen richtigen Halt mehr.
»Eine junge Frau, die so nett und außerdem noch so hübsch und wohl geformt ist wie Sie, dürfte doch eigentlich keine besonderen Probleme haben, ihren Ehemann sexuell zu beglücken. Oder irre ich mich da?«
»Das ist es auch nicht. Es ist nur…« Sara blickte sich um, dass sie auch niemand beobachtete oder ihrem Gespräch lauschte. »Es fällt mir verdammt schwer darüber zu reden.«
»Lassen Sie sich Zeit, ich bin ein guter Zuhörer und kann Sie mit Sicherheit auch verstehen. Ich habe alle Zeit dieser Welt.«
»Das glaube ich Ihnen gerne«, antwortete Sara nach einer kurzen Pause, indem sie einen weiteren, tiefen Schluck aus dem Glas nahm, der inzwischen wie göttlicher Sirup ihren Hals hinunter lief. Sie blickte dem Künstler tief in die Augen und mit einem Mal glaubte sie ihm alles anvertrauen zu können. Immerhin war sie ja nur für drei Tage in Spanien und würde ihn danach nie wieder sehen. Was sollte es dann schon schaden?
»Wir haben keine sexuellen Probleme«, flüsterte Sara ihm zu und grinste etwas beschwippst. »Ich liebe Sex und ich habe es auch nötig nur ist es, in den vergangenen Jahren, immer dasselbe. Und in letzter Zeit habe ich immer wieder…«
Nach diesen Worten trank sie ihr Rotweinglas in einem Zug leer und Diaño schenkte auf ihr Nicken hin nach.
Saras wurde plötzlich immer mehr bewusst, auf was sie sich hier eingelassen hatte. Ihr letzter Satz forderte geradezu weitere Fragen heraus und sie hatte sich selbst in diese Enge gebracht.
Die naturgegebene Neugierde von Diaño war auf jeden Fall geweckt. »Und in letzter Zeit haben Sie immer wieder…?«,
Verdammt, dachte sie.
»Ich wusste, dass Sie mir diese Frage nun stellen würden. Aber nun gut, ich werde es Ihnen erzählen.« Sara stellte das schon wieder halb leere Glas neben den Faun auf den Tisch. Man konnte ihre innere Anspannung beinahe spüren. »Ich werde in letzter Zeit von Phantasien geplagt, die mich in meinen Träumen verfolgen und die mich total verrückt machen.«
»Verrückt?«, wiederholte Diaño. »Sie machen mir keinen verrückten Eindruck, Madame.«
»Verrückt, ist auch das falsche Wort«, verbesserte sich Sara. »Erregt, würde es schon besser treffen.«
»Erzählen Sie mir mehr davon«, forderte Diaño sie auf. Sara sah ihn an, sah den überlegenen Blick und die Aura, die ihn zu umgeben schien. Die ihn, in der roten Abendsonne, zum Glühen brachte.
»Ich träume immer wieder davon, wie ich gefangen genommen werde. Wie ich verhört und im Beisein anderer gedemütigt werde. Ich muss sexuelle Dinge tun, die ich sonst niemals tun würde. Dabei überkommt mich solch eine unbändige Lust, dass ich im Wachzustand das Gefühl habe, etwas Derartiges unbedingt einmal erleben zu müssen.«
»Und was sagt ihr Mann dazu?«
»Ben kann gelinde gesagt mit so etwas perversem nichts anfangen. Immer wenn ich versuche ihm davon zu erzählte, dauerte es nicht lange und er winkt nur missmutig ab. Er möchte es erst gar nicht hören. Nun ja, dann bleibt mir halt nichts anderes übrig, als diese bizarre Szenen in meinen Gedanken auszuleben…«
Mit rotem Gesicht blickte Sara auf das kleine Boot, das den Tajo hinunter schwamm und fühlte ihre Träume gleichermaßen entschwinden. Etwas verlegener erklärte sie: »Es war ein sehr netter und ein sehr schöner Abend, aber wenn Sie ihn nun beenden wollen, habe ich Verständnis dafür.«
Juan Rey Diaño öffnete eine neue Flasche Wein und schenkte ihr dieses Mal einfach noch etwas davon ein, ohne zu fragen. Er lächelte und erklärte dann: »Kommen Sie mit hinein in mein Atelier, da können wir uns ungestört unterhalten ohne das jemand etwas von Ihren Wünschen mitbekommt.«
Sara folgt ihm wortlos mit dem vollen Glas in der Hand. Ihr Schritt war leicht schwankend, aber sie hatte sich selbst noch gut im Griff.
»Setzen Sie sich bitte genau hier, auf diesen Stuhl«, forderte Diaño sie auf, nachdem er die Schiebetüre hinter ihr geschlossen hatte. Er selbst ließ sich auf einem alten Stuhl nieder, der direkt vor einer Staffelei stand. Diaño schaltete einen der grellen Strahler ein und richtete ihn so aus, das er Sara direkt ins Gesicht leuchtete. Erschrocken blinzelte sie ihm zu und konnte mit einem Mal nur noch seine dunkle Silhouette erkennen.
»Wenn Sie so sehr davon träumen, verhört zu werden, dann werde ich Ihnen jetzt ein paar entsprechende Fragen stellen.«
»Wie bitte?« Sara wurde mit einem Schlag knallrot im Gesicht. »Was haben Sie vor?«
»Das werden Sie noch früh genug erfahren, Mrs. Hawk«, erklärte er in aller Ruhe. »Merken Sie sich für die Zukunft nur diese drei Worte: Ego dominus tuus.«
»Ich verstehe nicht?«
»Ego dominus tuus«, wiederholte Diaño. »Das ist lateinisch und bedeutet – Ich bin Dein Meister.«
Sara wiederholte die Worte immer wieder in ihren Gedanken, beinahe schon als währen diese drei Wörter ein Gebet. Sie sollte jedoch erst noch erfahren, wie sehr sie zu einem späteren Zeitpunkt an diese Worte glauben würde.
»Und was die Fragen betrifft, die stelle ab sofort nur noch ich, verstanden Mrs. Hawk?«
»Ich habe es verstanden«, hauchte Sara verlegen.
»Dann ist ja alles Bestens. Seit wann haben Sie diese bizarren Phantasien, wie Sie es genannt haben?«
Sara überlegte. »Seit ich ungefähr achtzehn oder neunzehn Jahre alt war.«
»Von Anfang an so extrem?«
»Nein, zuerst war es nur schwach, dann aber mit der Zeit immer konkreter.«
»Werden Sie von diesen Träumen jedes Mal wach?«
»Ich denke ja, denn wenn ich dann wach bin, versuche ich diese Gedanken immer positiv zu beeinflussen und die jeweiligen Situationen weiter auszumalen.«
»Sie befriedigen sich selbst dabei?«
»Muss diese Frage sein?«, erkundigte sich Sara peinlich berührt.
»Sie sollten darauf antworten, Mrs. Hawk. Das hier ist mein Verhör!«
»Ja, ich befriedige mich dabei selbst. Das hilft mir, mich wieder abzuregen.«
»Das läuft doch ganz gut. Und nun trinken Sie einen Schluck.« Sara führte dankbar das Glas zum Mund. Nachdem sie es wieder abgesetzt hatte, setzte Diaño seine Befragung fort.
»Ab jetzt antwortet Ihr nur noch mit ja oder nein. Verstanden?«
»Ja!«, sagte sie knapp.
»Ihr reizt Euch also selbst dabei?«
»Ja.«
»Und Ihr wollt dies alles wirklich einmal am eigenen Leib erleben?«
»Es ist nur eine Phantasie, Señor. Ich glaube, ich hätte panische Angst davor, so demütig benutzt und unterworfen zu werden.«
»Ja oder nein?«, ermahnte sie der Meister.
»Ich, ja.«
»Dann soll es so sein, Mrs. Hawk.« Diaño setzte alles auf eine Karte, den er wusste, dass er bereits jetzt schon gewonnen hatte. »Es ist ohnehin schon recht spät geworden. Wir lassen es für heute dabei und machen fort, wenn Ihre Sinne wieder etwas klarer sind. Jetzt währe es ein all zu leichtes Spiel für mich Ihren Willen zu brechen und dazu sollten Sie schon wissen, was Sie machen.«
Sara schaute nun doch recht dankbar zu ihm. »Darf ich Ihnen jetzt auch noch eine letzte Frage stellen?«
»Bitte!«, Diaño lächelte sie an.
»Findet Sie diese Gedanken von mir nicht pervers?«
Er lachte: »Nein, finde ich überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil, auch ich habe Spaß an solch einem Spiel.«
»Ein Spiel?« stieß sie mit heißerer Stimme hervor.
»Ja, ein Spiel. Alles ist ein Spiel, Spannung, Können und Geschicklichkeit. Ungewissheit, freies Handeln nach obligatorischen Regeln, das seinen Sinn in sich selbst hat und mit einem Gefühl der Spannung und der Freude einhergeht, weil man sich anders verhalten kann, als im normalen Leben. Nur mit einem kleinen Unterschied. Ich stehe auf der anderen Seite ihrer Phantasien, Mrs. Hawk.« Diaño erlosch die Lampe, die Sara blendete. »Ich bin der dominante Teil ihrer Träume und kann Sie dahin führen, wo Sie ihre Träume niemals hingebracht hätten. Und nun wünsche ich Ihnen eine gute Nacht.«
Sara rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht, stand auf und wendete sich um zum Gehen. Diaño ergriff sie kurz vor der Türe, an der Hüfte und hielt sie fest. »Eine Frage habe ich noch an Sie, Mrs. Hawk!«
»Ja bitte?«
»Hat Sie dieses kleine Verhör erregt?«
»Ja, das hat es«, antwortete Sara diesmal ohne zu zögern.
»Dann zeigen Sie es mir!«
»Ich soll was?« Sie blickte ihn mit ihren großen grünen Augen an.
»Zeigen Sie mir, wie sehr es Sie erregt hat!«
»Aber ich… ich muss…«
»…Ihre Hand in den Slip wandern lassen. Jetzt!«
Sara streifte langsam den Rock nach oben und griff mit ihrer Hand tief in den Schlüpfer hinein. Als ihre Finger wieder zum Vorschein kam, waren sie mehr als nass.
»Es war in der Tat, ein sehr schöner Abend mit ihnen Mrs. Hawk. Doch nun sollten Sie gehen, bevor es zu spät ist.«
Diaño öffnete ihr die Türe und reichte den seidenen Schal. »Wenn Sie sich entschieden haben und klar darüber sind, was Sie möchten, dann kommen Sie morgen Abend zur selben Zeit wieder. Und wenn nicht, dann folgen Sie bitte keinem Teufel mehr, der auf der Suche nach Seelen die Dunkelheit durchstreift.«
In dieser Nacht schlief Sara sehr unruhig.