Das "Unwohlsein"
der Themenerstellerin kann ich ganz gut nachempfinden. Auch meine ersten Erfahrungen kommen noch aus einer Zeit, als es wirklich null Literatur zum Thema gab, man zu irgendwelchen Leuten gegangen ist und drauf vertrauen musste, dass die schon wissen was sie tun. Weil man froh war, überhaupt einen Tätowierer gefunden zu haben.Für mich war die Wahl des Motivs ein wichtiger und langwieriger Prozess, der sich auch später immer wiederholte. Ich wäre auch niemals auf den Gedanken gekommen, mir ein "Katalog-Bildchen" verpassen zu lassen. Und genau hier setzt mein Unwohlsein ein. Ich finde schon, dass ein Hautbild genauso individuell wie jeder Mensch sein sollte. Und wenn es mehrere sind, dass diese vom Stil zusammen und zum Träger passen.
Und deshalb ist es für mich immer betrüblich, wenn ich eine Tätowierung zum vierten Mal auf jeweils unterschiedlichen Leuten sehe. Das ist doch banal und langweilig. Stangenware gehört nicht auf den Körper, finde ich.
Das wird dann noch getoppt, wenn kreuz und quer lauter Dinge in die Haut gestochen werden, die keinen Bezug zueinander haben. Da gibt es dann die Rose mit Dolch alter Schule neben Comic-Teufel, chinesischem Schriftzeichen und gekrönt wird alles von einem Nullachtfuffzehn-Tribal. Da frage ich mich oft, was sich die Leute bei einer solchen Motivwahl denken und gehe von lauter Einzelaktionen von geschmacklosen Leuten aus, die in den Laden rennen und irgendwas ausm Motivbuch drauftun lassen, wozu gerade die Knete reicht.
Und viel zu selten sieht man schöne, individuelle Hautbilder aus einem Guss, die den Träger tatsächlich schmücken (möglichst noch einen ganz speziellen Bezug zu seinem Leben und seiner Persönlichkeit haben) und nicht nur ne "Guckmalhabichauch!-Funktion" erfüllen.
Ich hab ja schon den einen oder anderen Entwurf für ein Tattoo gemacht und es sind auch schon welche davon gestochen worden. Und dann ist der Entwurf einfach in der Schublade verschwunden, weil er seinen Sinn durch einen einmaligen und damit einzigartigen Einsatz erfüllt hat. Und solch eine Haltung würde ich mir bei vielen Tätowierern auch wünschen. Außer Warhol (den ich nicht schätze) hat doch kaum ein Künstler, der auf sich hält, lauter Kopien seiner Werke und der von anderen gemacht. Ich fände es viel schöner, lieber weniger und dafür individuellere Hautbilder zu sehen und nicht dauernd die selben typischen Motivheft-Dinger. Aber es gibt eben deutlich mehr Handwerker als Künstler unter den Nadelbedienern. Und ganz viele fantasielose Kunden.