Offen ausleben kostet auch etwas
Ich habe sehr lange Zeit mit mir gerungen, wie ich offen damit umgehen kann.
Einmal für mich selber. Das erste mal, dass ich einen Steifen bekommen habe, weil ich ein männliches Glied ganz nah vor meinen Augen gesehen habe, war, als ein Jugendfreund (keinerlei sexuelle Beziehungen) zum Licht löschen über mein Schlaflager (das übliche Matratzenlager) steigen musste. Ich habe es zur Kenntnis genommen, und mir gedacht, irgendwie sind alle Manner ein bischen bisexuell veranlagt. Das steht ja auch überall in den psychologischen Fachbüchern. Ich dachte damals, das unsere Vernuft uns davor bewahrt, etwas Unrechtes und perverses zu tun, und ich bin als Vernünftiger Mensch erzogen worden. Es erregt einen zwar, aber man tut sowas nicht.
Dann bin ich aber über einen Umweg über ein Frauenpäärchen doch mit Bisexuallität in Berührung gekommen. Und später hat mich ein Paar in Köln regelrecht verführt - erst hat sie mich angemacht und abgeschleppt, und als wir zusammen auf einen ersten Höhepunkt zusteuerten, stand plötzlich auch der Mann am Bett, und ich konnte nicht nein sagen ... Ich habe es dann auch genossen, auch wenn es dan dann beim Eindringen seines Penis doch auch kurze Zeit weh tat (sie saß mit ihren Beinen auf meinen Armen, währen sie mich dabei bließ, ich war wehrlos).
Seitdem habe ich es für mich selbst zugelassen. Ich habe diskret meine Erfahrungen gesammelt, habe auch herausgefunden, daß ich nicht schwul bin und Frauen mich doch etwas mehr anziehen. Aber alles das ereignete sich im Geheimen neben einer festen Freundschaft, die in die Ehe mündete (in tiefer Liebe). Ich führte diesbezüglich ein Doppelleben. Das kostete eine Menge Energie.
Irgendwann ging das nicht mehr, und ich habe mich outen müssen, Das erste Mal beim obligatorischen regelmäßigen Aidstest, wo ich mir immer die dollsten Geschichten habe einfallen lassen, warum ich wieder einen Test bräuchte. Irgend wann habe als Grund einfach nur angegeben: Ich bin bisexuell. Mir war so leicht danach, daß ich es meiner Frau sagte.
Ich hatte gehofft, wir könnten es zusammen weiter ausleben. Ich dachte, unsere Liebe wäre groß genug, und insgeheim hoffte ich, das Sie experimntierfreudiger sein würde. Obwohl wir es wirklich versuchten, ging es nicht. Was dann kam, war schmerzhaft, weil ich einen mir sehr lieben Menschen verlor. Aber ihre Erziehung ließ es nicht zu, sich darauf einzulassen.
Wir habe es beide feststellen müssen: Das ist eine Blockade in ihrem Kopf, der Gedanke daran reichte aus, um sie zu verspannen und zu verkrampfen. Es ist diese eingepflanzte Tabu in ihrer Familie, wie in vielen anderen auch, wo man nicht drüber redet. Es ist eines dieser unausgesprochenen Gesetze in Gruppen von Menschen, es reichen nur Blicke aus, und man weiß, das ist ein Tabu. Und man wird ganz klein dabei, und das von Kindesbeinen an. Und mit der Zeit setzt sich das auch ohne Gruppe im Kopf fest.
Ich hatte auch begonnen, damit in der Öffentlichkeit offensiver umzugehen, und das tat ein Übriges. Vieleicht war ich zu schnell und zu euphorisch. Denn es ist ein unglaubliches Gefühl, endlich sagen zu können, was man so lange unterdrückt hat. Ich habe viele Freunde und Kontakte verloren, war in gewisssen Kreisen nicht mehr "en vogue".
Mein Leben hat sich total verändert. Eigentlich habe ich ein zweites Leben begonnen. Beginnen müssen.
Ich habe inzwischen gelernt, dass ich nicht mit dem Lautsprecher rumlaufen und erzählen muß, dass bisexuell bin. Das tut nicht Not. Aber allen Menschen, die mir wichtig erscheinen, sage ich es. Und meinen Partnerinnen sage ich es ganz bestimmt auch.
Es hat Menschen und Kontakte gegeben, die habe mir sehr geholfen. Und ich habe berkenswert offene Menschen neu kennengelernt. Alle haben mir sehr geholfen, weider Boden unter den Füßen zu bekommen. Vielen Dank an alle.
Heute fühle ich mich mit meinem Leben wieder wohl. Ich habe einen sehr guten Draht zu meiner ehemaligen Frau und ihrem Freund, Und obwohl ich viel verloren habe, habe ich doch sehr viel gewonnen.
Ich glaube, es geht hier vielen Männern so, und auch, wenn auch in sehr viel geringerem Maße, vielen Frauen. Vielleicht hilft Euch meine kleine Geschichte, darüber nachzudenken, abzuwägen, Euch besser einzustellen. Einfach Euere eigene Position und Euer eigenes Tempo in diesem Prozess zu finden.