wie aus vielen anderen Threads hier hervorgeht ist es ja nicht schnöder 5 min. Rein-Raus-Sex, der erfüllend ist, sondern einer, der von Begehren und erotischer Leidenschaft getragen wird.
Genau so sehe ich das auch und wundere mich dabei oft über die Themenvielfalt in diesem Forum, in denen vor allem "Meinungs-Trends" abgefragt werden oder nach dem ultimativen "Patentrezept" für "wahre Liebe" und sonstwas gesucht wird. So ist zumindest mein Eindruck immer wieder. Deshalb möchte ich diesen Thread aus der "Versenkung" holen.
Was mich schon seit Beginn meiner Anwesenheit in diesem Portal wundert ist, daß immer wieder von gutem, gigantischem, geilen oder sonstwie Sex, von poppen, sexeln, bumsen, ficken etc. pp. (= Ausführung des Geschlechtsaktes) gesprochen wird. Von Liebe, Respekt, Achtung (die bei einigen eher einseitig, wenn überhaupt vorhanden zu sein scheint). Und munter lustig werden hier "Beziehungs-Koch- und -Patent-Rezepte" verteilt/verbraten, obwohl die "Bandbreite" der menschlichen Erotik und Sexualität so vielfältig ist und sein kann. Die Sinne mancher sind mitunter gar nicht "aufnahmefähig", um ein
kultiviertes "Liebesspiel" "erfassen" oder mitgestalten zu können. Statt dessen wird lieber lustig munter nach dem "Sündenbock" gesucht, der sich noch mehr einfallen lassen sollte, sich selbst neu zu erfinden, damit es dem passiven Part nicht langweilig wird. Klingt für mich leider nach Sackgasse.
Allein die große Vielfalt der Publikationen auf dem Markt spricht doch eine ganz deutliche Sprache. Den "Schlüssel" für die individuelle erotische und sexuelle Weiterentwicklung zu finden, ist zudem nicht sehr einfach. Dazu las ich mal folgendes:
Niklas Luhmann beschäftigt sich in seiner Schrift "Liebe als Passion" intensiv mit der Differenz zwischen der gesellschaftlich definierten und der persönlich erlebten oder zu erlebenden Sexualität. Seine These: Die Gesellschaft stellt einen Code bereit, mit dem erlaubt wird, wie das Gefühl der Liebe und der Sexualität sich ausdrücken kann.
Nimmt man also unsere kollektiven Fantasien, wie sie heute in den Medien und der Literatur gezeigt werden (die Fiktion der romantischen Liebe, dargestellt im immerzu strahlenden Paar, der ständig appetente Mann, die immerzu für seine Wünsche bereite und bewundernde Frau, halbnackt und schön), als Code an dem man lernen könnte, wie denn Liebe und Sexualität gelebt werden können, mit welchen Konsequenzen man zu rechnen hat, wenn man sich entsprechend benimmt, dann ist es ein seltsam entleerter Code. Verglichen etwa noch mit den romantischen Romanen, hat er als Anleitung zum Lieben und zum sexuellen Lieben nur mehr wenig mit Alltagswirklichkeit zu tun. Auf der einen Seite wird der schöne Schein kultiviert (die Liebenden sind jung, schön, voll Begehren und voll Versprechen), und auf der anderen Seite Sex als Gymnastik und Leistungssport propagiert. Eine Kultur der Lust wird kaum dargestellt, auch keine Dialoge der Liebe. Ein Gebiet also, das geradezu die Ängste herausfordert, schaut man genau hin, und das auch eine neue Beziehungskunst herausfordern würde.
Zudem sind die sexuellen Bedürfnisse von Frauen und Männern nicht dieselben. Es ist empirisch bewiesen, daß Frauen, die ökonomisch abhängig sind, bereiter sind, sich sexuell anzupassen, sich selbst zu verleugnen. Ist die Hoffnung der Frauen, durch die Anpassung zu etwas zu kommen, das sie unbedingt aus der Sexualität haben möchten, nämlich Nähe, ein gutes Selbstwertgefühl, Geborgenheit, ein Zuhause?
Das Erwachen für die Frauen kommt nach Hagemann-White dann, wenn "Liebessehnsucht und Aufopferungsfantasien enttäuscht sind."
Quelle: S. 179/180, "Vom Sinn der Angst - Wie Ängste sich festsetzen und wie sie sich verwandeln lassen", von Verena Kast)
Nachdem ich die letzten Jahre doch sehr viel zu diesem Themengebiet gelesen habe, wundere ich mich nun auch nicht mehr, daß auch bei mir einiges im "Argen" lag, obwohl ich das selbst nicht für möglich gehalten hätte. Sex ist nun mal kein Selbstläufer. Außerdem war es für mich interessant, meine Phantasien nach diesen "theoretischen Updates" zu durchleuchten und von mehreren Seiten zu betrachten.
Zu Deiner Frage:
wieso streben wir dann nach wesentlich mehr.
Im Eingangsbeitrag des Threads "Fremde Haut" steht geschrieben, daß es nicht darum geht, jeden Tag Erbsensuppe essen zu wollen. Ich "strebe" nicht nach "Fremder Haut". Ich möchte mein Gegenüber als kompletten Menschen und nicht als "Objekt der Begierde" erleben.
Deshalb wundert es mich immer wieder, daß selten bis gar nicht von sinnlichem Begehren und von erotischer Leidenschaft geschrieben wird.
Um bei dem Beispiel mit der Erbsensuppe zu bleiben: Wie viele Menschen gibt es, die keine Ausbildung zum Koch haben und mitunter weitaus mehr Interesse und Leidenschaft zur Zubereitung eines mehrgängigen Menus aufwenden (um es mal anzumerken: manche Berufsköche verfeinern ihre Kochkünste mitunter nicht unbedingt weiter)? Menschen, die sich zudem die Mühe machen, das ganze zum "sinnlichen Genußerlebnis für alle Sinne" werden zu lassen, statt die Tüten- oder die Dosensuppe zum Verschlingen "aufzubereiten" und damit zwar etwas im Bauch, aber null "sinnlichen Genuß" dabei bereitet zu haben.
In meinem Elternhaus wurde ein Augenmerk auf mein Essverhalten gelegt. Somit hatte ich die Möglichkeit, mein Essverhalten zu
kultivieren (lt. DUDEN: durch Übung, Ausbildung, Behandlung o. Ä. gepflegt, verfeinert, oder auch von vornehmer, gebildeter, zivilisierter Art = für mich: auf die Signale meines Körpers zu achten, sowie darauf, daß das Essen sinnlichen Genuß bereiten soll (wenn zeitlich möglich) und nicht nur das Hungergefühl stillen soll) anstatt mir nahe zu legen, mich zu
disziplinieren (lt. DUDEN: das beherrschen des eigenen Willens, der eigenen Gefühle und Neigungen, um etwas zu erreichen = für mich: was eigentlich???).
Dazu noch ein interessantes Zitat:
Die Verbindung zwischen Essen und Sex ist bekannt. Nur wenige werden bestreiten, dass die besten Liebhaber Hedonisten sind: diejenigen, die alle Freuden des Lebens genießen. Das zeigt sich am deutlichsten beim Essen. Es gibt zwei Arten von Leuten: die einen essen um zu leben und die anderen leben um zu essen. Lieber ein Kerl mit "Schwimmreifen", der bei jeder Schokoladenwerbung zu sabbern anfängt, als der Waschbrettbauch, der nur alle vierzehn Tage eine geräucherte Hähnchenbrust isst. Warum? Gesunder Appetit verspricht meist auch eine gesunde Libido.
Beobachten Sie ihn beim Essen und sie können erahnen, wie er an Ihrem Ohr knabbern wird, an Ihrem Nacken oder, mmmmmh, an anderen Stellen. Genießt er jeden Bissen - oder stopft er sich den Teller in Windeseile rein? Der Ruckzuck-Mann vernichtet einen Hamburger in zehn Sekunden. Derjenige, des es nur sonntags in der Missionarsstellung tut, weigert sich außer Schnitzel mit Pommes und Currywurst etwas anderes zu essen. Sehen wir der Sache ins Gesicht: Wenn er nicht gerne mit exotischem Essen experimentiert, wird er kaum hinter verschlossenen Türen das Kamasutra praktizieren. Schlimmer sind nur noch die heiklen Typen, die den Ober schikanieren und ihn viermal in die Küche zurückschicken. Stellen Sie sich vor, wie dieser Typ Mann reagieren wird, wenn Ihr Körper nicht dem Ideal entspricht - geschweige denn Ihre sexuellen Techniken - oder wenn einmal (um Gottes Willen) die Laken schmutzig werden sollten. Der ultimative Essens-Test ist jedoch, ob er gerne teilt. Demjenigen, der für Sie beim Probieren den leckersten Bissen aussucht, sollten Sie nicht mehr von der Seite weichen.
Quelle: "supersex" von Tracey Cox
Über die Hedonisten, las ich hier im JC schon einige abfällige Bemerkungen á la "egoistische Spaßgesellschaft". Ich will nicht abstreiten, daß es evtl. "dekadent hippe Juppies" gibt, die sich als "Hedonisten" bezeichnen. Schließlich gibt es im JC auch Swinger, für die andere Gäste eines Club, lediglich "seelenloses Fickfleisch" sind.
grusel Nachdem ich mich auch mit den Hedonisten etwas ausführlicher beschäftigt habe (u. a. auch eine Spiegel-TV-Reportage gesehen habe), will ich meine Beschreibung eines Hedonisten als Wikipedia-Zitat einfügen, um eine nachvollziehbare Verbindung zu dem oben aufgeführten Zitat zwischen Sex und Essen herzustellen:
Epikur beschreibt die Lust als Prinzip gelingenden Lebens. Diese Lust kann nach Epikur als ein Freisein von Unlust beschrieben werden. Ziel ist hier nicht Lust, sondern die Befreiung vom Leid: So geht es in der epikureischen Glücksphilosophie darum, durch Freisein von Unruhe (Ataraxie) und Freisein von Schmerz (Aponetos) Glück zu erlangen – dies aber nicht durch übermäßigen Genuss weltlicher Güter, sondern durch die Konzentration auf die wirklich notwendigen Bedürfnisse, zu denen Epikur auch die Freundschaft zählt.
Erotik ist laut Duden:
a) den geistig-seelischen Bereich einbeziehende sinnliche Liebe, Liebes-, Geschlechtsleben: die Erotik im Gegensatz zur bloßen Sexualität;
b) (verhüllte) Sexualität;
Was ist demnach der Grund menschlicher Erotik, wenn diese, weder im Geiste, noch die Sinne und/oder die Seele "berührend" kultiviert wurden? Wie soll ohne Raffinesse Erotik "ausgebildet" werden?
Als Sinnlichkeit bezeichnet man umgangssprachlich die Hingabe an das angenehme Erleben durch die Sinne. Oft wird Sinnlichkeit auch als eine Form von Erotik gesehen, ist aber nicht darauf beschränkt. Durch die geöffneten Sinne kann man das Schöne und Anregende dieser Welt erfahren. Sinnlichkeit hat dabei einen freien Charakter, während Begierde ein Besitzenwollen impliziert.
Wissenschaftlich wird das Sinnliche vom Geistigen oder auch vom Seelischen unterschieden, und Sinnlichkeit meint dann die Empfänglichkeit für die verschiedenen Sinnesempfindungen, besonders aber für solche psychischen Ereignisse, welche sich zunächst an Sinnesempfindungen anschließen, also einerseits die Auffassung der uns umgebenden Erscheinungswelt nach Stoff und Form, die Wahrnehmung und Unterscheidung der außer uns befindlichen Dinge, ihrer Eigenschaften und Veränderungen, andererseits die Gesamtheit derjenigen Triebe, Begehrungen und Leidenschaften, welche entweder direkt in den Bedürfnissen des leiblichen Organismus, wie der Nahrungs- und Geschlechtstrieb, oder in dem Gefühl der Lust und Unlust, das gewisse sinnliche Empfindungen in uns erregen, begründet sind.
Der Sinnlichkeit im letzteren Sinn ist die reine Intellektualität, auch die Vergeistigung entgegengesetzt; religiös/weltanschaulich auch die Tugend.
Quelle:
http://de.wikipedia.org/wiki/Sinnlichkeit
Die fast unzählbar vielen Sinne des Menschen
Der Mensch hat - je nachdem, wie man sie zählt - acht bis 13 Sinne, manchmal auch mehr oder weniger, die Forschung ist sich da nicht eins. Bekannt sind
Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten - doch auch die Wahrnehmung von Bewegung, der Gleichgewichtssinn oder Temperaturempfinden sind Sinne, die wir haben. Noch nicht klar ist, ob Schmerzempfinden ein Sinn ist: Hier finden sich keine spezifischen Zellen zu Wahrnehmung oder Weiterleitung, ebenso für das Verstreichen von Zeit.
Rest nachzulesen unter:
http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/nano/serien/41534/index.html
Ich bin vor einigen Monaten schon über die Begriffe erotische und sexuelle Intelligenz, beim Stöbern im Buchhandel "gestolpert". Vor einem Jahr entdeckte ich von Esther Perel das Buch: "Wild Life - Die Rückkehr der Erotik in die Liebe", welches ich mittlerweile auch gelesen habe. Daraus möchte ich aus dem Kapitel "Erotische Intelligenz" einen Abschnitt zitieren:
Gelegentlich begegne ich Paaren, die sich tatsächlich auf ein spielerisches Miteinander verstehen, im Schlafzimmer und außerhalb. Sie sind körperlich und sinnlich lebendig - zwei Menschen, deren Verlangen nicht verkümmert ist. Verführung hat für sie einen Wert an sich. ...
Für all diese Paare ist diese Art von Verspieltheit ein zentrales Merkmal ihrer Beziehung. Erotik umfaßt für sie mehr als den sexuellen Akt. Ihr Liebesspiel kann feierlich sein oder impulsiv, inbrünstig oder eigennützig, schlicht oder bizarr, warm oder heiß. Wichtig ist, dass es beiden Vergnügen bereitet und nicht zur Pflicht wird. Sie halten die Erotik in Ehren, ohne ihr gegenüber ehrerbietig oder demütig zu sein. Sie haben Gefallen am Sex, insbesondere mit dem Partner, und nehmen sich die Zeit, dafür zu sorgen, dass es so bleibt.
Wie alle Paare erleben sie Phasen, in denen das Verlangen ausbleibt - wenn sie sich voneinander entfremden oder einfach nur allzu sehr mit eigenen Projekten beschäftigt sind -, doch sie geraten nie in Panik und fürchten nicht, dass die Beziehung heillos zerrüttet wäre. Sie wissen, dass die erotische Intensität Schwankungen unterworfen ist, dass die Lust mitunter versiegen, aber neu belebt werden kann, wenn man ihr nur genügend Beachtung schenkt.
Für sie enthält Liebe beides, Sicherheit und Abenteuer, und dass sie einander verbunden fühlen, bietet ihnen den größten Luxus überhaupt: Zeit. Die Ehe ist nicht das Ende ihrer Romanze, sondern der Anfang. Sie sehen Jahre vor sich, in denen es möglich sein wird, ihre Zuneigung zu vertiefen. Sie verstehen ihre Beziehung als etwas Lebendiges, im Fluss Befindliches und nicht als vollendete Tatsache. Sie schreiben beide an der Geschichte mit vielen Kapiteln, und keiner weiß, wie sie endet. Es bleiben immer Orte, die sie noch nicht aufgesucht haben, und Seiten am anderen, die noch nicht entdeckt worden sind.
Moderne Beziehungen sind Hexenkessel unversöhnlicher Sehnsüchte: nach Sicherheit und Nervenkitzel, Anerkennung und Transzendenz, behaglicher Liebe und wilder Leidenschaftlichkeit. Wir wollen alles, und wir wollen es mit ein und derselben Person. Häuslichkeit und Erotik miteinander in Einklang zu bringen ist ein heikler Balanceakt, der dann am besten gelingt, wenn wir den Partner kennen und gleichzeitig akzeptieren, dass er in mancherlei Hinsicht ein Geheimnis bleibt. Wenn wir Sicherheit schaffen, uns aber auch für das Unbekannte offenhalten. Wenn wir Intimität kultivieren und die Privatsphäre des anderen respektieren. Distanz und Nähe wechseln einander ab oder verlaufen kontrapunktisch. Das Verlangen widersetzt sich allen Versuchen der Einengung, die im Namen einer falsch verstandenen Verbindlichkeit und Treue unternommen werden. Die Hingabe an den anderen verlangt nicht die Preisgabe aller Freiheiten.
Die Erotik in den eigenen vier Wänden erfordert aktives Engagement und Vorsätzlichkeit. Der Botschaft, dass Leidenschaftlichkeit der unreifen Jugend vorbehalten, die Ehe aber ein ernstes Unternehmen sei, leistet sie fortwährend Widerstand. Es gilt, unser ambivalentes Verhältnis zur Lust und das latente Unbehagen an der Sexualität offenzulegen und zu überwinden, insbesondere im Kontext der Familie. Es wäre allzu simpel und konventionell, über sexuelle Langeweile zu klagen. Die Erotik zu Hause zu pflegen ist ein Akt trotziger Auflehnung.
Dieses Buch beschreibt sehr vieles, was mir damals in jener Phase im Kopf umher "geisterte", als die fehlende Leidenschaft der "Nährboden" meiner sexuellen Unlust war.
Dem Partner jedoch die alleinige "Regie" zur Gestaltung des leidenschaftlich erotischen "Liebesspiels" zu übergeben, dazu sind wir beide in unserem Temperament zu lebendig und zu aktiv. Wir sind beide in der Lage, hingebungsvoll zu genießen, deshalb nützt es uns beiden nichts, "Rezepte" von anderen zu "kopieren". Auch wir haben im Laufe unserer Partnerschaft schon Verschiedenes ausprobiert und uns weiterentwickelt. Erst mit dem "theoretischem Update" entstand neue Spannung zur Wiederbelebung der erotischen Leidenschaft. Von einer Erotik, die nur in der Phantasie lebendig sein darf, halten wir beide nichts.
Für uns gilt von daher: Das "Spielfeld" der erotischen Leidenschaft bietet noch sehr viele Möglichkeiten, um "Spannendes" auszuprobieren.