Im Alter geht gar nichts mehr
Du hast Runzeln auf der Stirn, Tränensäcke unter den Augen, schüttere bis gar keine Haare mehr auf deinem Haupt, und dein Freund will auch nicht mehr so recht. Dein Urologe hat diesen bedenklichen Blick drauf, wenn er deine Prostata untersucht, du kommst ins Keuchen, wenn du die Aldi-Wasserflaschen in deine Wohnung im zweiten Stock hochträgst, und deine Frau schläft schon längst in getrenntem Bett, weil sie deines Schnarchens überdrüssig geworden ist.
Sommers auf der Strasse schaust du verstohlen Mädchen, die deine Enkelinnen sein könnten, hinterher, weil sie diese herrlich knappen Miniröcke tragen, und zerdrückst eine heimliche Träne, wenn dir klar wird, dass vor dreissig Jahren bei diesem Anblick dein kleiner Freund sich mächtig in der engen Jeans regte.
Du kennst nicht mehr die Namen der angesagten Diskos der Stadt, dafür kannst du alle Rentenversicherungsgesellschaften der Republik auswendig aufsagen, samt garantierter Rendite.
Du freust dich, einen hochhackigen Fourwheeler für sechzigtausend dir eben bestellt zu haben, weil es, als du dreissig warst, schon immer dein Traum war, das Girl mit diesem Auto von ihren Eltern abzuholen, aber du damals dafür keine Kohle hattest.
Deiner Enkelin mit den gefärbten Strähnen und dem Piercing in der Augenbraue erklärst du, dass du auch einmal jung warst und sie total verstehst, wenn sie gegen ihre Eltern rebelliert, die erwarten, dass sie um zwei zuhause ist, und du fragst dich, warum du derzeit schon immer um Mitternacht müde bist, und das Gelärme ihres MP3-Players dich eigentlich nur nervt. Und unterdrückst eben noch den Satz, dass früher eh alles besser war.
Du sortierst Fotos as Zeiten, in denen du dein Weib noch ermuntert hast, am Strand den knapperen Bikini zu tragen und entdeckst dabei einen Liebesbrief, den dir eine Arbeitskollegin während deinen ersten Ehejahren geschrieben hast. Wehmut packt dich, als du dir vergegenwärtigst, wie du neulich im Supermarkt die attraktive Siebzigjährige hast abblitzen lassen; sie schien dir zu alt und du grämtest dich, schon von so alten Frauen angebaggert zu werden.
Während deine Frau im Fernsehen Pilcher anschaut, surfst du heimlich auf Pornoseiten im Web und stellst fest, dass du keinen Dunst mehr hast, welche Softwareaddons du dir installieren musst, um in den vollen Genuss praller Möpse zu kommen.
Obwohl du dich morgendlich auf den Heimtrainer setzt, musst du dir zugestehen, dass dein Bizeps nicht mehr von so makelloser Haut umgeben ist, als damals, als du zweiundzwanzig warst.
Aus lauter Frust buchst du mit deiner Frau eine Bildungsrentnerreise zur Cheopspyramide, um Denkfutter aufzunehmen, das du beim nächsten Stammtisch einbringen kannst, denn die Zeiten, in denen du den anderen Jungs berichten konntest, welche Blonde du flachgelegt hast, sind schon längst vorbei.
Wenn du das alles recht bedenkst, dann, lieber duo, wäre dein kommender fünfunddreissigster Geburtstag eine wunderbare Gelegenheit, dir die Kugel zu geben. Dann müsstest du nicht mehr erleben, dass du mit vierzig echt alt wirst.
stephenson
art_of_pain